On Radical Politics: Das Problem mit Tierschutz und Tierrechten

Redebeitrag zur „Demo für Tierrechte“ am 08.10.2016 in Düsseldorf

Wir demonstrieren hier heute gegen die Ausbeutung und Unterdrückung von Tieren. In den Medien wird in diesem Kontext häufig von Tierschutz gesprochen, oder von Begrifflichkeiten, die widersprüchlicher nicht sein könnten. Was soll eigentlich “humane Schlachtung” sein? Oder “artgerechte Haltung” – wenn diese doch stets in Gefangenschaft stattfindet?
Was ist die Motivation einer solchen Regulierung? Wir können zwei grundlegende Motivationen hinter solchen Bestrebungen erkennen:

1. Menschen haben Mitgefühl mit anderen Lebewesen. Sie wollen nicht dass diese leiden, oder zumindest wollen sie es nicht sehen müssen.
2. Menschen, die an der Ausbeutung von Tieren profitieren, wollen dieses Mitgefühl beschwichtigen, damit weiterhin tierliche Produkte konsumiert werden.

In der Praxis äußert sich Tierschutz daher in Reformen, die suggerieren, mit der Tierverarbeitung sei alles in Ordnung. Damit steht das schlechte Gewissen dem nächsten Burger oder Milchshake nicht mehr im Wege.
Eine solche Reform würde festlegen, was der Grenzwert für Leid ist, wie ein Tier geschlachtet werden darf und wie nicht, etc.

Die Leidtragenden dieser Ausbeutung, die Rinder, Ziegen, Pferde, Hühner, usw. haben hiervon aber nichts. Und selbst wenn Tierschutzbemühungen merkbare Vorteile für Tiere hätte, würde es das eigentliche Problem nicht lösen. Eine Vorschrift, die festlegt unter welchen Bedingungen ein Tier lebt oder stirbt, ändert nichts daran dass das Tier prinzipiell dem Menschen ausgeliefert ist. Sie ändert die grundlegende Abhängigkeitsbeziehung nicht. Sie wird auch das Huhn oder das Schwein niemals davor bewahren gegen ihren Willen gehalten oder gar davor irgendwann getötet zu werden. Denn es wird nur das “wie” reglementiert. Nicht das “ob”.

Dem steht ein völlig unabhängiger Ansatz entgegen: Das Tierrecht. Tierrechte fordern ein, dass alle Tiere ähnliche Grundrechte erhalten wie sie auch zum Teil Menschen zugesprochen werden. Notwendigerweise muss dies das Recht auf Leben einschließen, und das Recht auf Freiheit. Einige menschliche Grundrechte, wie beispielsweise Religionsfreiheit machen für nicht-menschliche Tiere aber natürlich keinen Sinn. Aus einer Tierrechtsposition leitet sich also ab: Ein Tier kann nicht in Gefangenschaft gehalten werden, und nicht für unseren Konsum oder unsere Unterhaltung ausgebeutet oder getötet werden. Schon mal ein massiver Fortschritt gegenüber dem reformistischen Tierschutz.

Tieren Rechte einzuräumen, klingt erst einmal nach einer guten Idee, aber denken wir zusammen darüber nach: Das Tierrechtsmodell ist eine Erweiterung des Menschenrechtsmodells.
Sind Menschenrechte ein Werkzeug was gut funktioniert? Während die Idee gut und notwendig ist, sehen wir in der Umsetzung, dass sie leider sofort ignoriert und missachtet werden, wo sie unangenehm werden. Menschen verlieren ihre Rechte sehr schnell, wenn sie denjenigen die diese Rechte festgelegt haben, nicht passen: Menschenrechte werden ignoriert.
Beispiel: Die Menschen die zu uns flüchten müssen, weil ihre Heimat vom Krieg und der Zerstörung der Wirtschaft nicht mehr bewohnbar geworden ist – die haben auch theoretisch alle Menschenrechte, aber sie werden unter offiziell klingenden Ausreden und erfundenen wirtschaftlichen Szenarien ignoriert. Die Staatsgewalten die eigentlich die Aufgabe überantwortet bekommen haben Rechte, insbesondere Menschenrechte, aufrecht zu erhalten, setzen ihre Macht dazu ein, Menschen abzuweisen und in den Tod zu schicken.
Das heißt, dass selbst diejenigen Idividuen die auf dem Papier die höchsten Rechte genießen, rein gar nichts davon haben, da die Mächtigen beim ersten Anzeichen von Unannehmlichkeit darauf scheißen.

Das Problem mit Rechten, ob nun Menschenrechte oder die erweiterte Form, Tierrechte: Wenn jemand uns ein Recht auf etwas vergeben kann, ist die selbe Person oder Institution auch in der Lage es uns wieder zu nehmen.
Die Bitte nach Rechten bleibt also stets ein Appell an diejenigen mit mehr Macht als wir selbst. Nämlich ein Appell uns ein Recht – vorübergehend – zu gewähren. Damit sind Rechte alleine nicht ausreichend – wir wollen mehr!
Wenn unser Ziel ist in einer gewaltfreien Gesellschaft zu leben, in der Ausbeutung und Unterdrückung konstant und vehement bekämpft und eleminiert werden, müssen wir aber identifizieren was die Wurzel dieser ist. So können wir sie erkennen wenn sie uns in anderem Kostüm wieder über den Weg laufen …

Zurückkommend auf den Schutz von Tieren: Nur die bedingungslose Anerkennung der Freiheit Anderer und ein respektvolles handeln auf dieser Basis kann eine Voraussetzung für ein gewaltfreies Zusammenleben sein. Das bedeutet eine Herauslösung aus alten Herrschaftsmustern und den Aufbau einer gleichheitlichen, hierarchiefreien Gesellschaft. Eine Gesellschaft in der nicht ein paar wenige die Macht haben Rechte von Einzelnen nach Gutdünken außer Kraft zu setzen.

Fangen wir hier und jetzt damit an, gemeinsam. Nicht mit Reformen die vorgeben ein Schwein feundlicher zu töten. Nicht gegen Individuen und nicht mit Schuldzuweisungen. Sondern gegen die Systeme die hinter der Ausbeutung und Unterdrückung stehen; Wir wollen Leid nicht einen schöneren Anstrich verpassen – wir wollen gar kein Leid!

Anarchistisches Kollektiv Köln

Zum Originalbeitrag