EZB-Eröffnung am 18. März 2015 stören – Gegen das Europa des Kapitals – Antiautoritären Widerstand stärken
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Während der Glückspegel in Deutschland laut Umfragen des kapitalnahen „Instituts der deutschen Wirtschaft“ angeblich so hoch steht wie nie1, brennt es im Rest Europas an allen Ecken und Enden. Große Teile der europäischen Bevölkerung bekommen weiterhin die unsäglichen Lasten zu spüren, die durch die Weltwirtschaftskrise und die Krisenpolitik der Troika (bestehend aus der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfond) und der nationalen Regierungen erzeugt wurden. Dies war der Preis dafür, dass sich die Finanzlage der europäischen Staaten und vor allem der südeuropäischen Krisenländer zumindest oberflächlich wieder beruhigt hat. Auch wenn es sich bei dieser Beruhigung nur um einen bloßen Schein handelt, wähnen sich die Krisenverwalter Europas auf dem richtigen Weg.
Alles andere als richtig stellt sich das Ganze jedoch für die Lohnabhängigen in Europa dar. Seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2007/2008 entfalteten sich in den verschiedensten europäischen Ländern mannigfaltige Protest-, Widerstands- und Streikzyklen, die alle darauf zielten, die autoritäre Krisenpolitik abzuwehren – Kämpfe gegen Lohnkürzungen, gegen die Zerschlagung sozialer Sicherungssysteme, gegen Zwangsräumungen, gegen das europäische Migrationsregime und viele mehr. Anfang 2015 wird es mit der Eröffnung des neuen Sitzes der Europäischen Zentralbank (EZB) im Frankfurter Ostend einen Anlass geben, der diesen verschiedenen Bewegungen die Möglichkeit bietet, nicht nur ihren Widerstand an einem symbolträchtigen Termin zu konzentrieren, sondern auch ihre grenzüberschreitende Vernetzung und gemeinsame strategische Diskussion weiter auszubauen.
Die EZB ist in den letzten Jahren schon mehrfach Ziel der Krisenproteste geworden. So auch am Aktionstag unseres M31-Netzwerks 2012. An den Gründen hierfür hat sich nichts geändert. Bei der EZB handelt es sich um eine der wichtigsten Institutionen der wirtschaftlichen Integration der Europäischen Union. Als Schnittstelle zwischen Staat und Ökonomie steht sie – wenn auch symbolisch – mehr als andere Institutionen für den umfassenden, systemischen Charakter der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Krise. Sie ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Organ der europäischen Krisenverwaltung und -politik geworden. Auf der einen Seite ist sie bemüht, den Zusammenbruch von Banken zu verhindern und die Refinanzierung der Staatshaushalte zu gewährleisten und so den Zusammenbruch nach dem Platzen der Finanzblase, die Entwertung großer Teile des Kapitals zu verhindern. Auf der anderen Seite kanalisierte sie im Verein mit der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds sowie unter Federführung der imperialistischen Macht Deutschland die Krisenfolgen zu einem breitgefächerten Angriff auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen – auf den Kündigungsschutz, das Streikrecht, die Löhne und Mindestlöhne sowie auf die Sozialversicherungs-, Gesundheits- und Bildungssysteme. So sorgte sie mit dafür, dass inmitten einer der reichsten Regionen der Welt mehr und mehr Menschen der Verarmung und Verelendung preisgegeben werden.
Gleichzeitig sind die Aktionen der nun um die europäische Bankenaufsicht erweiterten EZB und die Troika Ausdruck einer autoritären Integration Europas im Interesse des Kapitals, die sich demokratische Verfahren kaum mehr leisten kann, da sie in breiten Bevölkerungskreisen nicht auf Zustimmung stößt. Die EZB ist damit Bestandteil eines um sich greifenden Prozesses der Entdemokratisierung, durch den die Kluft zwischen der Macht der Herrschenden und der Ohnmacht der Lohnabhängigen weiter aufgerissen wird. Repräsentativ-demokratische Institutionen und Verfahren werden zunehmend in den Hintergrund gedrängt, während mehr und mehr Entscheidungen von wirtschaftstechnokratischen Exekutivorganen auf EU-Ebene getroffen werden. In diesem Europa des Kapitals unter deutscher Hegemonie, in dieser „marktkonformen Demokratie“ (Merkel), zählt nur, wer als Wirtschaftsexperte oder politisch Verantwortlicher gilt, alle anderen haben nichts zu melden. Neben der Troika selbst ist die Einsetzung von sogenannten Expertenregierungen in Italien und Griechenland im Jahr 2011 hierfür nur eines unter vielen Beispielen.
Am 18.03.2015, am Tag der Eröffnungsfeier, werden sich die führenden Vertreter*innen der herrschenden Klasse Europas versammeln. Es bietet sich somit eine besondere Gelegenheit, ihnen zu zeigen, was wir von ihrer autoritären Krisenpolitik und dem System, für das sie sich ins Zeug legen, halten. Doch dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Es wird nicht reichen, an einem Tag die sozialen Konflikte an einem Ort öffentlichtkeitswirksam präsent zu machen. Wirksam wird unser Widerstand vielmehr erst, wenn er dort verankert wird, wo sich die kapitalistische Ausbeutungsmaschinerie alltäglich reproduziert und wenn wir eine gemeinsame Perspektive und eine Strategie für eine gesellschaftliche Gegenmacht entwickeln. Wenn sich rund um den 18.03.2015 mehrere Tausend Aktivist*innen aus den verschiedenen Ländern in Frankfurt versammeln, sollten wir diese Gelegenheit nutzen, um unseren gemeinsamen, transnationalen und auf umfassende Emanzipation zielenden Kampf gegen das allgemeine Desaster namens Kapitalismus weiter voranzutreiben.
Vergessen sollten wir dabei nicht, dass sich auch populistische, reaktionäre bis faschistische Bewegungen als Antworten auf die Krisendynamik und die Krisenpolitik formieren und mit ihren Rufen nach einer Re-Nationalisierung der EU viel Anklang finden. Nicht erst die letzte Europawahl sollte dies allen deutlich vor Augen geführt haben. Wenn in Frankreich eine Partei von Antisemiten zur stärksten Kraft wird; wenn sich europaweit ein Hass auf Sinti und Roma sowie Migrant*innen allgemein breit macht; wenn die Reaktionäre ein Zurück zum nationalen Wir und zur heterosexuellen Familie fordern, dann wird es allerhöchste Zeit, dass wir diesen Entwicklungen eine wahrnehmbare, eine handlungsfähige, eine wirkmächtige Bewegung entgegenstellen, die für eine klassenlose Gesellschaft einsteht, in der alle ohne Angst individuell verschieden sein können. Anstatt sich von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen, kommt es darauf an Strategien für eine Bewegung zu finden, die dem Klassenkampf von oben eine Perspektive der antiautoritären Organisierung der Lohnabhängigen entgegensetzt.
EZB-Eröffnung 18. März 2015 stören!
Gegen das Europa des Kapitals!
Für den libertären Kommunismus