Wir haben keine Wahl! Für die Anarchie…
Wo leben wir eigentlich? Diese Frage stellen wir Anarchist*innen uns in
diesen Tagen des Öfteren. Und ehrlich gesagt hätten wir die ein oder
andere politische und gesellschaftliche Entwicklung so nicht für möglich
gehalten. Obwohl uns durchaus bekannt war, welche Herausforderungen
Krieg und Krise mit sich bringen, bereiten uns die derzeitigen
Entwicklungen in Deutschland große Sorgen und machen uns wütend.
Am 13.03.2016 sollen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und
Sachsen-Anhalt neue Landesparlamente gewählt werden und die Masse der
Deutschen hofft auf Veränderung durch ihr Kreuz auf dem Stimmzettel.
Doch was soll sich durch diese Wahlen eigentlich ändern?
Wie sieht es aus in der Bundesrepublik ? Refugees Welcome ?
“Es brennt in Deutschland” 1 Titelt Die Zeit am 03.12.2015. Gemeint sind die Angriffe auf Geflüchtete und ihre Wohnorte. Im Jahr 2015 gab es 924 Anschläge 2 auf Flüchtlingsheime in Deutschland. Eine Bilanz, die zeigt wie es um die Weltoffenheit in der Bundesrepublik steht. Im Internet werden Hasstiraden gegen Geflüchtete geschwungen und die AfD surft auf der Welle des Nationalismus, Antifeminismus und der kriegerischen Propaganda in den Umfragen nach oben. Frauke Petry und Beatrix von Storch wollen die Grenzen des Nationalstaates mit Waffengewalt verteidigen. Ein Aufschrei geht durch die Reihen der “Anständigen”. SPD Fraktionschef Oppermann spricht gar davon, dass Petry sich “politisch verirrt” hätte. Ihre Partei sei “inhuman, verroht und antidemokratisch”, so Jan Korte, Fraktionsfize der Linkspartei 3.Die gesitigen Brandstifter der AfD schaffen klare Verhältnisse und verwenden Slogans extrem rechter Straßenbewegungen wie der Identitären Bewegung. Im Wahlprogramm fordern sie Erziehung, Kunst und Medien auf, die Ausbildung der deutschen Identität ins Zentrum ihrer Bemühungen zu stellen 4. Nationalismus als Kern der Bildung, das Austauschen der Worte Rasse und Identität ändert am Inhalt nichts! Da wird uns schlecht und wir erinnern uns an die vielen Geschichtsbücher im Regal.
Menschen fühlen sich von der Poltik verlassen und missverstanden,
ausgegrenzt und missachtet. Ihre sogenannten Sorgen verkünden sie im
Internet oder hetzen andern Orts gegen Menschen, die in der Konkurrenz
der wirtschaftlich Schwachen noch schlechter abgeschnitten haben als sie
selbst. Die Endsolidarisierung der Gesellschaft innerhalb Europas und
die Entfremdung des/der Einzelnen ist weiter fortgeschritten denn je.
Wer noch etwas Empathiefähigkeit und Solidarische Energie in sich trägt,
ist wohl in der freiwilligen Flüchtlingshilfe anzutreffen oder betätigt
sich im Kampf um eine bessere Gesellschaft für alle Menschen.
Vielerorts sprießen rassistische und nationalistische Bewegungen aus dem Boden.
Rassismus, Sexismus, Nazis und die Mitte der Gesellschaft
Wie Albert Memmi es ausdrückt dient Rassismus dazu, tatsächliche oder fiktive Unterschiede als absolut zu erklären, um die eigenen Privilegien oder die eigene Aggression zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Zum Schaden des Opfers und zum Nutzen des Anklägers 5. Und genau damit haben wir es zu tun. Nicht nur Montagsabends in Dresden oder Dienstags abends in Karlsruhe, nein, ständig und überall. Im Fernsehen und in Schulbüchern, beim Sport oder dem Essen. Staat und weite Teile der Gesellschaft treten rassistisch auf und handeln auch so. Mal im positiven mal im negativen Kontext. Mal macht der Italiener die beste Pizza, mal ist der Nordafrikaner per se ein Sexist. Eine Debatte über Totschlagargumente und Vorurteile hinaus möchte jedoch kaum Jemand führen. Gerade am Beispiel Köln wird vor allem Eines klar: Feinde ausmachen und (rhetorisch)vernichten, Inhalte überwinden und Tatsachen ignorieren so kommt er daher der neue Rassismus der deutschen Mitte. Immernoch spricht kaum jemand über Sexismus in der Mitte der Gesellschaft, die ganz nebenbei bei den Übergriffen zugeschaut und allseits erstmal nichts unternommen hat, oder gar in Teilen selbst zur Tätern wird, etwa jährlich bei den Oktoberfesten der Republik 8. Ein Diskurs über all diese menschenverachtenden Einstellungen bleibt weitestgehend aus. Die Verantwortlichen sollen sich mit den Problemen beschäftigen und Lösungen finden. Denn Verantwortung ist für viele etwas das anderen übernehmen sollen. Für die Poltitker*innen. Für die Polizist*innen oder das Militär.
Während die extreme Rechte mit der AfD in Deutschland nach aktuellen
Umfragen in Teilen Deutschlands bis zu 17 % Prozent erreicht 9,
verhandeln eben diese sogenannten Verantwortlichen aus der guten
“Mitte”, also die Regierenden der Bundesrepublik, mit autoritären
Despoten wie Erdogan. Erdogan, der seit Monaten freiheitliche Kräfte im
ganzen Land und darüber hinaus bombardiert und töten lässt 6. Erdogan hat der PKK
und damit auch großen Teilen der kurdischen Bevölkerung den Krieg im
eigenen Land erklärt. Als Verhandlungspartner macht ihn dass scheinbar
aber nicht uninteressant. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass die
autoritären Kräfte in Europa und darüber hinaus, egal welcher Partei,
sich über die Angriffe auf freiheitliche Projekte wie die Region Rojava
im stillen Kämmerlein freuen.
Den Coup, den Erdogan mit der Aufkündigung des Friedens mit den Kurden
organisiert hat, will keiner gesehen haben. Lediglich eine HDP
in der Nähe von Terrorist*innen macht es ihm Möglich seine autoritären
Ziele umzusetzen. Politische Machterhaltung funktionierte bei den
autoritären Kräften schon immer, wenn nicht anders, dann mit Krieg,
Folter und Gewalt. Und als autoritäre und herrschende Klasse, begreifen
wir die deutschen Paralmente ebenso wie Erdogans AKP
oder den Islamischen Staat. Unterschiede gibt es natürlich was den
wirtschaftlichen Zustand, den legitimierenden Überbau und die Art der
Gewaltausübung angeht.
Die Probleme der Weltbevölkerung und nicht zu vergessen, der Erde selbst, sind groß und komplex. Mit einfachen Antworten wie es rechte Kräfte, religiöse Fundamentalist*innen oder die neoliberalen Verteidiger absoluter Marktfreiheit tun, ist diesen Problemen sicher nicht beizukommen. Um einen Kommunisten zu bemühen hier mal wieder ein Paar Worte von Marx die treffend und mahnend sind "Es ist vielmehr der Mensch, der wirkliche, lebendige Mensch, der das alles tut, besitzt und kämpft“. 7 Es sind die Regierenden und andere Gruppen mit politischem Machtanspruch die bevormunden, zerstören, unterdrücken und ausbeuten.
Krieg, Krise und Kapital
Verantwortung an Repräsentanten abgeben heißt immer auch mit der Suppe, die sie kochen klar kommen zu müssen. Gerade im Verlauf der letzten großen Krise des Kapitalismus, der sogenannten Finanz und Eurokrise wurde ersichtlich, dass nicht die “Herrschaft des Volkes” (Demokratie) den Lauf der Welt bestimmt. Vielmehr entscheidet der erbitterte Konkurrenzkampf des Kapitals, und die Programme der kapitalistischen Staaten was wo und wie passiert. Nationalistische Bewegung und die Armeen tuen ihr übriges. Das Verbundenheitsgefühl zur Nation ist dieser Tage wieder wichtig geworden für Staaten wie Deutschland. Denn wer Sozialabbau, horente Mieten, Kurzarbeit, Steuerlast und so weiter ertragen soll braucht einen Grund der das Ertragen möglich macht. Fühle ich mich einer Blutsgemeinschaft zugehörig, so sehe ich es als selbstverständlich an den Gürtel auch mal enger schnallen zu müssen um den Fortbestand zu sichern. Diejenigen jedoch, die die Krisen verursachen, haben kein Heimatland und werden einen Teufel mit ihrem Gürtel tun. Der oder die Einzelne zählen kaum im Kampf um Rohstoffe und ganze Erdteile. Weder Staatsbürger noch Geflüchtete. Und gewählte Vertreter*innen werden daran nichts ändern können. Alex Tsipras kann dass dieser Tage sicher bestätigen.Nicht die Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder Hunger fliehen, sind ursächlich verbunden mit den Problemen in Deutschland. Sondern diejenigen, die mit der sogenannten “Macht des Volkes” in der Welt umher bombardieren, Bodenschätze und Bevölkerungen ausbeuten und die Erde zu Grunde richten.
Und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst. “Nach” der sogenannten Wirtschaftskrise jetzt die “Flüchtlingskrise”. Und nebenbei fühlen sich die Menschen in ihrer sozialen Situation und den damit verbundenen Problemen von “der Politik” allein gelassen, oder ungerecht behandelt. Die erwähnte Endsolidarisierung der Gesellschaft trägt Früchte. Diejenigen, die die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit mit Programmen wie Hartz IV zementieren, übernehmen keine soziale Verantwortung. Vielmehr teilen sie Geflüchtete wie auch die eigene Bevölkerung in nützlich und nutzlos, verwertbar und wertlos.
Warum Wahlen daran nichts ändern – Eine kleine Kritik am Parlamentarismus aus Anarchistischer Sicht
Wir glauben nicht, dass Wahlen in der Lage sind den derzeitigen Zustand der Gesellschaft grundlegend zu verändern. Da die Verwertbarkeit von Bevölkerung in der Regel mehr Einfluss auf Entscheidungen der Gewählten hat, als die Bedürfnisse der wählenden Bevölkerung. Die Machtmittel sind sehr ungleich verteilt und weiter wird sich jede (Landes)regierung eher früher als später abwenden von ihren ursprünglichen Zielen und sich einfügen in all die Sachzwänge der kapitalistischen Logik. In Baden-Württemberg erleben wir etwa Wienfried Kretschmann von den Grünen als den besseren Konservativen. Generell sind die Grünen ein gutes Beispiel, wie aus (links)politischen Bewegungen im parlamentarischen Alltag, dem Kapital höhrig, zu Fähnchen im Winde werden. Schnell wird Einfluss und das Ziel der Machterhaltung gegen humanistische und ökologische Ziele getauscht.Weiter liegt jeder Wahl von Repräsentant*innen die Idee zugrunde, dass diese Wissen was ich und mein direktes Umfeld brauchen, um ein gutes Leben verwirklichen zu können. Studien und Expert*innen sollen diese Informationen liefern. Repräsentant*innen sollen diese verwerten und Politik der dritten Person machen. Die Betroffenen haben kaum Einfluss, sie treten diesen am Wahltag ab. Die Bürger*innen werden nicht entmündigt, sie tun dies selber, geben Einfluss und Verantwortung ab und lassen sich repräsentieren. Dieses Volk, das da wählt macht auch immer nur einen Teil der Bevölkerung aus, die sogenannten Wahlberechtigten. Nicht jeder Mensch, der sich innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates wie Deutschland aufhält oder innerhalb diesem lebt, darf Wählen. So herrscht die Mehrheit angeblich über die Minderheiten. Die Regierung selbst repräsentiert ihrerseits selbst jedoch ebenso eine Minderheit, allerdings eine sehr Mächtige und gut situierte. Diese Clique der Auserwählten verfolgt als politische Klasse erstmal ihre eigenen und dann meist die Ziele derer, die ihnen Nutzen bringen.
Was wir vorschlagen zu tun…. Selbstorganisation und Freiheitsdrang statt Abschieben von Verantwortung
Aus aktuellem Anlass stellt sich zur kommenden Landtagswahl natürlich
die ein oder andere Frage: Ist ungültig Wählen und aktiver Wahlboykott
wirklich die richtige Entscheidung bei dieser Wahl? Ist nicht alles
besser als die AfD? Wenn alle ungültig wählen, dann ensteht doch Chaos?!
Ob aktiver Wahlboykott in Verbindung mit dem ungültig Wählen bei der
anstehenden Wahl das richtige Mittel ist, um seine Ablehnung
auszudrücken, ist nicht leicht zu beantworten. Grundsätzlich: Ja! Doch
aus gegebenen Anlass, nämlich dem erstarken rechter Kräfte in
Deutschland kann eine Wahl gegen rechts auch nicht vollkommen als falsch
bewertet werden. Doch eines gibt es sicher zu bedenken. Der
Parlamentarismus im Land hat ein rechtes Monster, wie die AfD nicht nur
zugelassen, er hat es ermöglicht.
Was meint in diesem Zusammenhang besser als? Bewertet man die
landläufigen Parteien nach ihrem Inhalt ist so ein Vergleich möglich.
Schaut man aber nach, welche der Wahlmöglichkeiten nach einem guten
Leben für alle, Freiheit und Gleichstellung aller Menschen strebt, so
fehlt auf einmal die Auswahl. Wir wollen nicht weniger Zerstörung
unserer Erde und damit unserer Zukunft, wir wollen nicht weniger
Kapitalismus oder eine grünere Form sondern nichts davon und diese
Option ist nicht Wählbar, sie kann es im bürgerlichen Staat und seinen
Parlamenten auch nicht werden.
Die Frage nach dem Chaos lässt sich vielleicht so beantworten; Fällt
etwas bekanntes weg, muss etwas neues entstehen. Das Wissen was da
kommen kann und praktische Erfahrungen etwa im Finden eines Konsens sind
Voraussetzung. Doch die Kapatzitäten sind ja vorhanden. Hallen, Büros,
Expert*innen, Universitäten, Schulen und andere Räume zum Lernen, Orte
um zu produzieren, Orte um Waren zu lagern und zugänglich zu machen.
Anders genutzt werden müssten diese allerdings.
Wenn auch die derzeitige Lage nicht danach aussieht als sei die Zeit der
befreiten Gesellschaft nahe und der Anarchismus erlebe eine Hochphase,
halten wir es trtozdem oder gerade deswegen für wichtig an Ideen wie dem
Anarchismus festzuhalten. Denn sterben die Utopien und Ideen von einer
befreiten und gleichberechtigten Gesellschaft nach dem Ende des
Kapitalsimus, dann stirbt ein Stück weit die Zukunft. Wir wollen an
diese Zukunft aber keine Fragen stellen sondern Forderungen.
1www.zeit.de/politik/deutschland/2015-11…
2de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Angriff…
3www.sueddeutsche.de/politik/grenzsicher…
4www.sachsen-anhalt-waehlt.de/wahlprogra…
5www.fb4.fh-frankfurt.de/whoiswho/gaitan…
6www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-…
7books.google.com/books?isbn=3658057572
8www.tagesschau.de/kommentar/kommentar-s…