Solidarität mit der Letzten Generation!
In der Nacht nach den Razzien gegen die Letzte Generation hatte ich einen Traum.
Ich und meine Genoss*innen hatten schwer bewaffnet ein Gipfeltreffen der Regierungsvertreter*innen der größten Industriestaaten der Welt gekapert und alle anwesenden Politiker*innen als Geiseln genommen. Der Ort des Geschehens war eine Art Arena: Die Regierungschef*innen und andere Wichtigtuer*innen standen unten auf dem „Kampfplatz“ zusammengepfercht und schlotterten vor Angst. Wir standen ringsum auf den Sitzreihen verteilt und hielten sie mit unseren krassen Knarren in Schach. Wir erpressten sie ganz schamlos: „Entweder die weltweite Wirtschaftweise wird sofort auf emissionsfrei umgestellt oder wir knallen euch alle ab. So einfach ist das.“ Und da es kein Albtraum war sondern einer mit Happy End, lenkten alle reumütig ein und machten sich sofort auf den Heimweg und schafften den Kapitalismus ab und führten eine auf ökologischen Notwendigkeiten und dem tatsächlichen Bedarf der Menschen basierenden Wirtschaft ein. Zack, Welt gerettet!
Nur zwei traurige Gestalten standen noch unten in der Arena und weigerten sich vehement, auf unsere Forderungen einzugehen: Bundeskanzler Olaf „In Hamburg hat es keine Polizeigewalt gegeben“ Scholz und Bundesfinanzminister Christian „Klimaschutz ist eine Sache der Profis“ Lindner. Wir hoben unsere schweren Maschinengewehre, legten an… und dann bin ich aufgewacht, weil unten auf der Straße ein Wissing-Jünger mit seiner tiefergelegten und röhrenden Karre vorbeiraste.
Obwohl ich kein Fan der Letzten Generation bin, haben mich die Razzien gegen sie aufgewühlt. Sicher auch deswegen, weil unsere WG selbst schon mal morgendlichen „Besuch“ von kleptomanischen Bullen hatte und ich gut mitfühlen konnte. Schon im Vorfeld fand ich die Hetze von Politiker*innen und Medien und die Repression gegen die LG grotesk und selbstentlarvend. Die verbalen Entgleisungen, die im Terror-Vorwurf gipfelten, und das gleichzeitige Verharren im Status Quo offenbaren immer deutlicher wie wenig die meisten Menschen verstehen, was die Klimakatastrophe schon ist und – handeln wir nicht im uns verbleibenden Zeitfenster effizient und global – sein wird: Nämlich eine echte Zeitenwende, die alles verändern wird. Und das sicher nicht zum Guten.
Der Repressionsvorstoß aus Bayern hat nochmal eine neue Dimension und Qualität: Er macht einmal mehr deutlich, was staatliche Willkür ist und dass sie jede*n treffen kann und trifft. Das schüchtert ein. Er zeigt, dass manche Leute in mächtigen Positionen gewillt sind auf Teufel komm raus, jungen Menschen eine kaum mehr bewohnbare Erde zu hinterlassen. Dafür verstecken sie sich hinter Gesetzesbüchern und missbrauchen diese für ihre politische Agenda. Das macht wütend.
Die Forderungen der LG sind in keinster Weise staatsfeindlich, sie sind bürgerlich und leicht umsetzbar. Ihre Aktionsformen hingegen nerven die Betroffenen in den verursachten Staus, legen den Finger in die Wunde und bringen den alltäglichen Wahnsinn des fossil betriebenen Straßenverkehrs zum Stocken. In einer auf Öl verbrennendem Individualverkehr basierenden Gesellschaft lässt das die Emotionen hochkochen. Schon vor Jahren fielen mir Aufkleber mit dem Slogan „Fuck you, Greta!“ an Autos auf. Jetzt endlich können diese Menschen ihrem Hass freien Lauf lassen und zulangen. Unterstützt von widerlichen Politiker*innen-Kommentaren wie z. B. von Berlins SPD-Innensenatorin Iris Spranger, die zum Thema Selbstjustiz von wütenden Autofahrer*innen sagte: „Das muss leider dann eben auch zur Rechenschaft gezogen werden.“ Yeah!
Ich muss nicht die Organisationsform der LG gut finden, ich muss nicht ihre Forderungen für ausreichend halten und ich muss nicht ihr Aktionsformen für zielführend halten, um zu erkennen, dass die Repressionen gegen sie abgrundtief falsch und verachtenswert sind. Für mich stehen sie trotz aller Kritik, die ich an ihr habe, auf der richtigen Seite der Barrikade. Sie verdienen die Solidarität aller Menschen, die eine bewohnbare Erde erhalten wollen. Und diese ist die Basis für den ständigen Kampf für eine herrschaftsfreie Gesellschaft.
Außerdem mag ich es, dass sie Gesetze brechen.
Denn: Gesetze sind zum Brechen da.
Darum: Solidarität mit der Letzten Generation!