Solidarität mit den protestierenden Flüchtlingen!
Im Januar 2012 nahm sich der 29-jährige Mohammad R. in einer Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg das Leben, er war aus dem Iran nach Deutschland geflohen.
Daraufhin wurde eine öffentliche Debatte über die Situation und vor allem die Unterbringung von Asylsuchenden in Deutschland angestoßen. Viele Flüchtlinge nahmen dies zum Anlass, ihren Protest in die Öffentlichkeit zu tragen. Zum ersten Mal organisierten sie sich selbst und demonstrierten zusammen mit Unterstützer*innen in Form von Protestcamps, Demonstrationen, Hungerstreiks und Protestmärschen.
Im Rahmen einer dieser Protestmärsche, der von Würzburg nach Berlin führte, wurde zunächst der Oranienplatz und im Dezember 2012 eine leerstehende Schule in der Ohlauer Straße (Berlin Kreuzberg) von ca. 200 Flüchtlingen besetzt. Viele von ihnen warten schon seit über zwei Jahren auf die Bewilligung ihres Asylantrags.
Am Dienstag, den 24.06.2014 begannen 900 Polizisten aus der ganzen Bundesrepublik auf Veranlassung des Bezirksamts (Hermann und Panhoff, Bündnis 90/Grüne) und des Senats, mit der Räumung der Schule, unter dem Deckmantel es handele sich lediglich um Hilfe beim Umzug in andere, staatlich kontrollierte Unterkünfte. Dabei wurden Familien 50 Kilometer vor Berlin ausgesetzt, obwohl sie laut Stadtrat Panhoff neue Unterkünfte erhalten sollten.
Im Zuge der Räumung verbarrikadierten sich 40 – 80 Flüchtlinge, leisteten Widerstand in und auf dem Gebäude und drohten, sich vom Dach zu stürzen, sollte die Polizei das Gebäude stürmen.
Viele Unterstützer*innen halfen den Flüchtlingen, indem sie an den Barrikaden ihre Solidarität zeigten und die Flüchtlinge mit Lebensmitteln versorgten, was die Polizei zu unterbinden versuchte. Auf Geheiß des Stadtrats Panhoff wurde der Presse der Zutritt zum Gebäude verwehrt.
Seit der Räumung der Gerhardt-Hauptmann-Schule haben etliche Geflüchtete keinen festen Schlafplatz mehr. Daraufhin haben sich in der Nacht zum 04.07.2014 ca. 30 Geflüchtete einen notdürftigen Schlafplatz auf dem Oranienplatz eingerichtet, nachdem sie vom Hinterhof der Reiche durch deren Hausverwaltung vertrieben wurden.
Diese Umstände führten erneut zu einer Protestwelle von Flüchtlingen und Unterstützer*innen.
Am 09.07.2014 besetzten Flüchtlinge über mehrere Stunden das Café bzw. die Aussichtsplattform des Fernsehturms in Berlin. Der Betreiber erstatte daraufhin laut Polizei Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Sie wurden kurz darauf geräumt. In einer Mail zur Aktion hieß es: „Überall werden wir abgelehnt. Jeder hat die gleiche Antwort für uns. Jeder schiebt uns weiter, niemand hört uns zu.“
Seit Juli gab es etliche Solidaritätsbekundungen aus vielen Städten in Form von unterschiedlichen Aktionen wie Kundgebungen, Spontandemonstrationen, Besetzungen von Fraktionsbüros der Grünen, sowie Barrikaden und Angriffe auf Partei-Gebäude, Polizei und die zentrale Ausländerbehörde, als Antwort auf die vorherrschende Asylpolitik.
Aus Solidarität mit den Flüchtlingen in Berlin und aus Protest gegen die menschenunwürdigen Bedingungen von Asylsuchenden besetzten am 03.07.2014 etwa 80 Flüchtlinge einen Platz vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Die Polizei war sofort vor Ort und umstellte die Kundgebung. Es wurde untersagt, den Protestierenden Wasser und weitere Lebensmittel zukommen zu lassen, was dazu führte, dass Menschen dehydriert ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Nur dem Engagement von vielen Unterstützer*innen ist es zu verdanken, dass diese mit kreativen Methoden Polizeisperren durchbrechen und den Flüchtlingen zumindest Wasser zukommen lassen konnten. Das BAMF stellte klar, dass die Flüchtlinge den Platz bis zum nächsten Morgen verlassen sollen und drohte damit, sie andernfalls räumen zu lassen. Utensilien, die zur Übernachtung dienen könnten, wurden nicht geduldet. Am Morgen des 04.07.2014 wurden die Protestierenden gewaltsam geräumt und in Gewahrsam genommen. Bis zum Mittag wurden sie aus dem Gewahrsam entlassen, die „auswärtigen Flüchtlinge zum Bahnhof begleitet und nach Hause geschickt.
Am 05.07.2014 starteten ca. 20 Flüchtlinge in Nürnberg einen Hungestreik und erweiterten diesen drei Tage später zu einem Durststreik. Durch ein Gesprächsangebot mit Politikern und dem BAMF wurde dieser zumindest vorübergehend ausgesetzt.
Das europäische Parlament arbeitet seit Jahren an einer gemeinsamen Asylpolitik. Die sogenannten vereinigten Staaten schaffen es jedoch nicht, sich auf diese zu einigen. Dies liegt vor allem an der besonderen Situation des deutschen Staates, dem durch seine wirtschaftliche Stärke auch ein besonderer politischer Einfluss zugeordnet wird.
Durch die Dublin-Verordnungen und der damit verbundenen Drittstaatenregelung ist es für Flüchtlinge kaum möglich, nach Deutschland zu kommen und Asyl zu beantragen. Sollten sie es doch schaffen, werden sie in Lager gesteckt, bekommen Essenspakete oder -gutscheine, werden mit einer sogenannten Residenzpflicht überzogen, dürfen nicht arbeiten und sind kontinuierlich von Abschiebung bedroht.
Die Politik reagiert auf die Proteste und den öffentlichen Druck. Doch statt die Ursachen zu bekämpfen, beschränkt man sich auf Abwehrmaßnahmen. Zunächst wurden die Aktivitäten der paramilitärischen Grenzsicherung Frontex ausgeweitet. Unter einem angeblich humanitären Aspekt werden die Flüchtlinge bereits auf hoher See abgedrängt oder gar schon dort in Haft genommen. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, werden die jeweiligen Staaten dazu gedrängt, die Flüchtenden bereits an der Flucht zu hindern.
Dass es der deutschen Politik nicht um das Wohl der Flüchtlinge geht, sieht man daran, dass kürzlich drei weitere Balkanstaaten zu „sicheren Drittländern“ erklärt wurden, obwohl es genug Beweise gibt, dass dort Menschen diskriminiert und politisch verfolgt werden.
Erst am 08.07.2014 wurden wieder 77 Personen vom Baden-Airpark in den Kosovo abgeschoben. Trotz vorheriger Absprache seitens der Politik, über solche Abschiebungen frühzeitig informiert zu werden, ist dies bereits zum zweiten Mal in Folge nicht geschehen. Mit weiteren Sammelabschiebungen muss jederzeit gerechnet werden.
Wenn wir nun auch schon vor Ort angekommen sind, möchten wir auch die Proteste im Flüchtlingslager Rheinstetten bei Karlsruhe erwähnen. Dort setzen sich Bewohner*innen gegen die unzumutbaren Zustände in der Unterkunft und gegen die vermehrt vorkommenden Angriffe zur Wehr. Auf Drohbriefe folgten nächtliche Überfälle in Form vom Skandieren rassistischer Parolen bis hin zu Schüssen auf die Einrichtung.
Ob Karlsruhe, Berlin, Hamburg, Nürnberg oder sonst auf der Welt, unsere Solidarität gilt allen Flüchtlingen, ob aus politischen oder humanitären Gründen.
Kein Mensch ist illegal!
Humanitäres Bleiberecht jetzt!
No Border! No Nation!
Libertäre Gruppe Karlsruhe im Juli 2014