Rede auf der Revolutionären 1. Mai Demo in Stuttgart
Der Kapitalismus braucht die Krise. Er ist die Krise in ihrer Permanenz, auf den verschiedensten Ebenen der Realität, ausgedehnt über den gesamten Planeten. Ob als Krieg, Klima- oder Umweltkrise, Hungerkrise, Finanzmarktkrise, Euro- oder Schuldenkrise.
Für den Kapitalismus sind Krisen eine Möglichkeit sich die Welt untertan zu machen. Er benötigt die Krise, die Verunsicherung und Angst der Menschen, um seine Macht aufrecht zu erhalten und auszubauen. Er braucht die Krise, den Schock, den staatlich organisierten Terror, um sich das Leben auf diesem Planeten gefügig zu machen.
Dem bürokratischen Apparat des Staates, seinen Gesetzen, Verordnungen kommt dabei eine wichtige Rolle zu.
Sie haben die Eigentumsordnung und die Profite der herrschenden Klasse zu schützen, sie haben die Justiz, das Militär und die Polizei, um ihre Gesetze und Interessen durchzusetzen. Sie haben ihren bürokratischen Knast über unsere Körper gelegt, um das Ausbrechen so schwer wie möglich zu machen.
Der Staat hält die sozialen Widersprüche aufrecht, da es ohne sie keinen Kapitalismus geben kann. Um den Widerstand dagegen zu ersticken, zwing der er uns dabei in eine nationale Produktionsgemeinschaft, die sich den Prinzipien der Konkurrenz, des Privateigentum und der Lohnarbeit zu unterwerfen hat.
Wir sind Deutschland, wir sind Papst, Exportweltmeister, neoliberaler Musterknabe, Formel-1-Weltmeister und gelassene Patriotinnen und Patrioten. Wir sollen ehrfürchtig und demütig sein. Zufrieden sollen wir sein, denn uns geht es doch in Deutschland sowieso gut.
Diejenigen, die das nicht fressen, die darauf kein Bock haben oder aufgrund anderer Einschränkungen nicht dazu in der Lage sind zu funktionieren, werden verspottet und aus der nationalen Produktionsgemeischaft ausgeschlossen. Teile und Herrsche.
Hier die Opferbereiten deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter, die zu allen Entbehrungen bereit sind, für BRD und jetzt auch für EU und Euro.
Dort die Fremdarbeiterinnen und Fremdarbeiter, die griechischen Faulpelze, die integrationsunwillige Muslima, der gewaltbereite Türkenjunge, der Langzeitarbeitslose oder der verwahrloste Punker aus dem Stadtpark.
Die nationale Identifikation der Massen ist daher eine wichtige Existenzbedingung für den kapitalistischen Staat. Das nationale Kollektiv wird in Stellung gebracht gegen alle, die sich seinen Prinzipien entgegensetzen.
Diese Identifikationsmuster, die den Menschen tagtäglich in Presse und Politik vermittelt werden, sind nicht nur das Betäubungsmittel gegen die real erfahrenen sozialen Widersprüche der hiesigen Gesellschaft. Sie sind daher auch der Bodensatz für Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus.
Zur Bewältigung der jüngsten Schuldenkrise in Europa, müssten jetzt wieder – wie die Herrschenden sagen – die Gürtel enger schnallen werden. Besonders stark davon betroffen sind die Menschen in Griechenland, aber auch in Portugal und Spanien.
Während die herrschende Klasse mit Hilfe ihrer Lakaien in den Parlamenten und Medien ihre Pfründe schützt, müssen Lohnabhängige, Arbeitslose, Studierende, Schülerinnen und Schüler, Rentnerinnen und Rentner, niedere Beamtinnen und Beamten dafür bluten. In Griechenland wurden ein Viertel der Beschäftigten des ÖD entlassen und Lohnkürzungen von über 25% erzwungen. Die Verbindlichkeit von Tarifvereinbarungen wurde weitgehend aufgehoben und tausende Lohnabhängige in die Arbeitslosigkeit geschickt. Auch durch hemmungslose Privatisierungen und die Anhebung von Konsumsteuern soll die Krise auf Kosten der Bevölkerung überwunden werden. Die Klassenkampf der Herrschenden auf die Abhängigen in den kapitalistischen Staaten wird durchexerziert und erreicht momentan einen neuen Höhepunkt.
Wer sich gegen diese Angriffe wehrt – wie beispielsweise unsere Freundinnen und Freunde in Griechenland – wird von den Repressionsorganen des Staates in den Knast geworfen oder von marodierenden Nazi-Schlägertrupps zusammengeschlagen. Immer noch sitzen Genossinnen und Genossen in griechischen Knästen, weil sie sich der systemischen Katastrophe widersetzten. Ich möchte ihnen daher an dieser Stelle unsere Solidarität zu kommen lassen. Wir sind aus demselben Grund auf den Straßen wie ihr. Wir haben es satt, uns von Staat, Kapital, ihren Ideologien und Repressionsorganen manipulieren und beherrschen zu lassen. Wir haben es satt konsumierende Maschinen zu sein, wir haben es satt zum Wohle ihrer Herrschaft auf unsere Freiheit zu verzichten und mittellos aus der Fabrik zu gehen.
Daher kämpfen wir am 1. Mai zusammen für ein besseres Leben. Unsere Losung muss die planetare Solidarität aller Unterdrückten sein. Statt für eine falsche Gemeinschaft zu schuften und zu konsumieren, müssen wir uns organisieren, in Betrieb, Schule oder Nachbarschaft. In Athen, Madrid oder New York. Der Tag der Arbeit ist daher der Tag für die Befreiung der Arbeiter und Arbeiterinnen von den Zwängen des Kapitalismus.
Hoch die antinationale Solidarität!
Für die befreite Gesellschaft