Gǎi Dào Nr. 47 – November 2014
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Geschätzte Verächter*innen der Gesamtscheiße,
„Die verkackten Deutschen - nichts hat sich geändert!“ Beim Anblick der Bilder aus Köln drängt sich das Zitat aus The Big Lebowski, (by the way eine der schönsten, cineastischen Verneinungen des kapitalistischen Leistungsprinzips) mit voller Wucht und auf Dauerschleife in mein Gehirn. Tausende selbsterklärter „Hooligans gegen Salafisten“ marodieren volltrunken, unter Deutschlandfahnen, „Ausländer Raus!“-Parolen und archaischem „Auh Auh“-Gegrunze durch die Domstadt. Musikalisch untermalt wird das Schauspiel u.a. von der rechten Szeneberühmtheit Kategorie C, die niveauvoll abgestimmte Textpassagen a la „Heute schlachten sie Schafe und Rinder, morgen vielleicht Christenkinder“ ins Mikro jammern. Die neu erwachte, dummdeutsche Einheitsfront aus Fußball-Hoolgruppen, Rechtsparteien und Kameradschaftsnazis will in den kommenden Wochen auch in anderen Städten den Mob tanzen lassen. Schon allein das ist ein Grund für vielfältigen Protest und Widerstand.
Widerstand gegen HoGeSa bedeutet aber auch Widerstand gegen den Islamischen Staat. Und das bedeutet Solidarität mit den, im Norden Syriens und im Irak, kämpfenden Kurd*innen. Auch ohne kitschige Glorifizierung des kurdischen Kampfes als „die Neuauflage von Spanien 36“ (David Graeber), bedeutet dieser Kampf doch tatsächlich mehr als die häufige Wahl zwischen Pest oder Cholera. Schließlich verteidigt sich dort - zumindest in Rojava - keine bürgerlich-demokratische oder autokratische Gesellschaft gegen den Rückfall in eine (noch) schlimmere Lebenssituation. Verteidigt wird eine Form der Selbstverwaltung, die sich in den letzten Jahren - von der westlichen Linken - weitesgehend unbemerkt entwickelt hat und die, trotz aller berechtigten und notwendigen Kritik, vieles von dem bereits praktisch umgesetzt hat, was hierzulande allenfalls in theoretischen Strategiepapieren für das Jahr X nach dem Sankt Nimmerleinstag diskutiert wird.
Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur Kobanê verteidigt und der IS zurück geschlagen werden kann, sondern das darüber hinaus das spannende Projekt des Demokratischen Konförderalismus kein Bauernopfer dieses Konfliktes wird.
In diesem Sinne: Halt stand Kobanê und euch einen ereignisreichen November.
cln für die Redaktion