…für die anarchistische Idee eine gute Empfehlung
Eine Rezension des Berliner anarchistischen Jahrbuchs 2011
von Jochen Knoblauch
Als ich das Editorial des diesjährigen Berliner anarchistischen Jahrbuchs gelesen hatt wunderte ich mich etwas über die doch recht euphorische Sichtweise der Redakion. Selbstüberschätzung? Nicht unbedingt. Seit Monaten sind auch die bürgerlichen Zeitungen von Süddeutscher Zeitung oder FAZ bis zum Neuen Deutschland auf einmal mit den unterschiedlichsten libertären Themen bestückt: „Der unsichtbare Aufstand“, Stirner, Graeber, Occupy usw. Was ist da bloß los? Das Interesse an „horizontalen Hierarchien“, mehr Transparenz in Politk und Ökonomie ist spürbar auch im bürgerlichen Lager vermehrt angekommen (siehe auch „Stuttgart 21“). Alles Themen, die in den Diskussionen unter AnarchistInnen längst zur Tagesordnung gehören, bzw. ihnen inhärent sind.
Und so, wie die libertären Gedanken von einer hierarchielosen Gesellschaft bereits in den 1970er Jahren in die Bewegung der Bürgerinitiativen und Stadtteilgruppen getragen worden ist, begleiten heute wieder anarchistische Prinzipien die unterschiedlichsten Protestbewegungen, ohne explizit von der anarchistischen Bewegung initiiert worden zu sein. Die anarchistische Idee als Selbsläufer, als Grundbedürfnis.
Das Jahrbuch hat wieder die übliche Mischung unterschiedlichster Beiträge von Einzelpersonen und Gruppen. Die Themen und die Präsentation der Beiträge geht von Gedichten über historische Betrachtungen bis zu den aktuellen Themen: Wahlen, Autorität, der Papst, Mieterhöhungen, Demonstrationen in Athen, Kommunismus bis zum Verhältnis von Marx und Bakunin. Eine Übersicht der letztjährigen Veranstaltungen, anarchistische Publikationen der berliner Verlage, Gruppenporträts usw.
Auf den ersten Blick hat das Ganze was von einem Rechenschaftsbericht, und, selbst wenn man dies negativ sehen mag, es ist nicht das Schlechteste. Eine Dokumentation von strömungsübergreifenden Aktivitäten, die Anregungen geben können, die eine Arbeits- und Diskussionsgrundlage bieten, die weit über die Berliner Stadtgrenze hinausgehen kann. Für InteressentInnen an der Bewegung eine nützliche Broschüre und für die anarchistische Idee eine gute Empfehlung.
(Quelle: http://knobi-der-buechernomade.blog.de)