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„der sieg des kapitals – wie der reichtum in die welt kam: die geschichte von wachstum, geld und krisen“ von ulrike herrmann.
ulrike herrmann, einigen vielleicht bekannt als taz-autorin zum thema wirtschaft, liefert mit ihrem neuen buch „der sieg des kapitals“ einen lesenswerten blick auf den kapitalismus, seine entstehung, entwicklung und gegenwart.
das buch gliedert sich in eine einleitung , vier hauptteile und einen kurzen ausblick auf den untergang des kapitals.
im ersten teil, „der aufstieg des kapitals“, geht herrmann zurück bis zu den ersten hochkulturen der menschheit, ägypten, rom, china und anderen, schlägt einen bogen über das europäische mittelalter bis hin zum genauen datum der entstehung des kapitalismus im 18. jahrhundert im norden englands. sie beschreibt, warum die wirtschaft, obwohl es schon viele der heutigen finanzwerkzeuge und handelsmethoden gab, weder im alten rom, noch in den chinesischen kaiserreichen und dem mittelalter nennenswert wachsen konnte und warum sie es plötzlich in manchester ab dem jahre 1760 tat. und das rasant. es wurden menschen durch maschinen ersetzt und zwar durch webstühle.
im zweiten teil, „drei irrtümer über das kapital“, erklärt sie, dass die viel zitierte marktwirtschaft nichts mit kapitalismus zu tun hat, dass staat und kapitalismus sich bedingen und es schon immer die globalisierung gab, wenn auch in unterschiedlicher geschwindigkeit. so nahm allein durch die erfindung der telegrafie die übertragungsgeschwindigkeit von nachrichten um den faktor 10.000 zu. und wer nutzte die moderne kommunikationsform als einer der ersten? banken und börsenbroker_innen.
im dritten teil, „kapital versus geld“, nähert herrmann sich der frage an, was denn geld überhaupt ist und macht deutlich, dass geld ungleich kapital ist. geld ist eine „soziale übereinkunft“, kapital aber ist der greifbare reichtum an dienstleistungen und waren, die eine gesellschaft herstellt. kurz geht sie auf den wert von gold ein, der nur darauf beruht, dass menschen ihm einen geben. einen wirklichen nutzen hat das edelmetall kaum. die angehäuften vorräte verstauben in tresoren. sie zeigt, dass schulden und zinsen im kapitalismus sinn machen. vor dem kapitalismus war das ganze wirtschaften ein nullsummenspiel: was die eine seite verlor, gewann die andere. es kam nichts dazu. erst durch den wachstum kam es zu einer „win-win-situation“. kapitalismus ohne schulden, also ohne kredite, sei nicht denkbar. hier packt sie den anarchisten und occupyaktivisten david graeber am kragen und behauptet, dass heutige ausbeutung nicht auf schuldknechtschaft beruht, sondern auf unggleichen löhnen und ungleichen bildungschancen, die es zu bekämpfen gilt. auch an den zinskritiker_innen wie margaret kennedy lässt sie kein gutes haar: wie kann der zins die wurzel allen heutigen übels sein, wenn schon die alten mesopotamier_innen wussten wie der zinseszins berechnet wird und ihn auch verlangten? in ihrer kultur gab es zinsen aber so gut wie kein wachstum. die beiden letzten kapitel des dritten teils beschäftigen sich mit der inflation und der spekulation. schon im 17. jahrhundert blähten sich die ersten spekulationsblasen auf: die neu aus der türkei importierten tulpen entfachten einen unglaublichen run bis eine tulpenzwiebel mehr als 4600 gulden kostete. das entsprach dem wert von 40 fetten ochsen. als die ersten anleger_innen wieder zu sinnen kamen und ihnen dämmerte, dass eine tulpenzwiebel eine tulpenzwiebel eine tulpenzwiebel ist und bleibt, platzte die blase.
der letzte teil „die krisen des kapitals“ hangelt sich von den ersten krisen über die erste weltwirtschaftskrise von 1929 bis zu den gegenwärtigen eurokrisen. hier zeigt herrmann, dass sie den kapitalismus nicht abschaffen , sondern reformieren will und gibt dafür auch viele tipps und anleitungen, wie zukünftige krisen verhindert oder abgemildert werden könnten. abgesehen davon erklärt dieser letzte teil sehr gut, wie krisen entstehen und wer gerade von den aktuellen super profitiert und alles dafür tut, dass es auch so bleibt.
das letzte kapitel, das ich mit der größten spannung erwartete, „ausblick: der untergang des kapitals“ , ist dann sehr kurz ausgefallen. gerade mal neuen seiten widmet herrmann dieser doch eigentlich spannendsten aller fragen: wie lassen wir die ganze scheiße hinter uns und bauen eine welt ohne unterdrückung, umweltzerstörung und armut auf. andererseits hat ja niemand wirklich einen plan, wie wir vom ist-zustand zum soll-zustand kommen. diese krux wurde noch nicht gelöst. herrmann tut aber alle versuche und projekte, die es so weltweit gibt, mit einem lapidaren „es wird sich ein neues system herausbilden, das heute noch nicht zu erkennen ist.“ ab. das ist mir zu wenig. begriffe wie eigentum, selbstverwaltung, herrschaft oder gar soziale revolution kommen erst gar nicht vor.
die große stärke des buches ist für mich die gute lesbarkeit und der historische blick auf den ganzen wahnsinn. er ist oft garniert mit anektdoten, geschichten und beispielen, so dass der wahnsinn plastisch und nachvollziehbar wird. dennoch wirkt das buch auf mich immer wieder wie eine verteidigungsrede für den kapitalismus: zu selten stellt sie seine widerwärtigkeiten und seine unmenschlichkeit heraus. so gesteht sie ihm zu, dass er den hunger besiegt hätte, nur weil er überfluss, z.b. in form von „milchseen“ und „butterbergen“ produziert. aber die absolute menge der nahrungsmittel, die ja wirklich für alle reichen würde, sagt noch nichts über deren verteilung aus. und das ist ja ein hauptproblem des kapitalismus: der vorhandene reichtum konzentriert sich bei den reichen dieser erde, die die produktionsmittel, sprich kapital besitzen. hungerleider_innen sind keine konsument_innen, tragen nicht zum wachstum bei und sind darum uninteressant.
alles in allem trotzdem ein buch mit vielen stärken und aha-momenten. herrmann wollte den kapitalismus, bzw das kapital, beschreiben und das ist ihr für mich gelungen.
vielleicht schreibt sie noch einen teil 2: „die folgen des kapitalismus – wie die armut und der klimawandel in die welt kamen“…
der sieg des kapitals – wie der reichtum in die welt kam: die geschichte von wachstum, geld und krisen
ulrike herrmann
westend verlag
isbn 978-3-86489-044-4