Bericht und Stellungnahme zur kritischen Intervention auf der Demo gegen das Polizeigesetz in Dortmund
Am 6. Oktober demonstrierten 400-500 Menschen gegen das neue Polizeigesetz in Dortmund. Als Anarchistische Gruppe Dortmund zusammen mit der Anarchistische Bewegung Hamm nahmen wir als kleiner Block an der Demo teil.
Den inhaltlichen Schwerpunkt legten wir natürlich auf die Kritik am Polizeigesetz, fanden es aber auch notwendig, Kritik an dem starken autoritär-kommunistischen Einfluss auf der Demonstration zu üben. Die Kritik wurde vor allem durch ein Transpi, einige Parolen und einen Redebeitrag geäußert.
Bei der Zwischenkundgebung verlor die Demonstration deutlich an Stärke, da insbesondere der große BVB-Fanblock sich verabschiedete. An dieser Stelle machten wir uns nach unserem Redebeitrag auch auf den Nachhauseweg.
Im Folgenden wollen wir nicht so sehr auf unsere Kritik am Polizeigsetz eingehen (wer hieran näher interessiert ist, kann sich gerne unseren Flyertext durchlesen), sondern auf unsere Beweggründe für die sicherlich für einige Personen leicht provokante Art unseres Auftretens.
Als Anarchistische Gruppe Dortmund wurden wir zum letzten Orgatreffen vor der Demo von einer Einzelperson eingeladen, davor wurden wir entweder vergessen oder bewusst nicht einbezogen. Generell entstand für uns der Eindruck, dass es nicht nur uns so erging und dass es von Anfang an kein offenes Orga-Treffen für alle Betroffenen war. Vielmehr scheint es so, dass die autoritär-kommunistischen Orgnisationen (MLPD,Rebell (Jugendorganisation der MLPD), SAV, LinksJugend Dortmund , DKP, SDAJ (Jugendorganisation der DKP) sowie Vorfeldorganisationen der MLPD (z. B. Montagsmahnwachen)) den Kreis am Anfang bewusst kleingehalten haben und sich für später gewünscht haben, dass sich möglichst zahlreich Organisationen vor ihren Karren spannen lassen.
Für uns sollte bei so einem Thema von Anfang an ein breites, zivilgesellschaftliches Spektrum eingebunden werden oder es sollte klar kenntlich gemacht werden, von wem die Mobilisierung ausgeht. Es wurde von Anfang an der Schein erweckt, dass es sich um ein breites Bündnis unterschiedlicher Akteure handeln würde. So ist in der Bewerbung online sowie offline lediglich von dem „Aktionsbündnis gegen das Polizeigesetz“ die Rede, wobei nirgends konkret steht, welche Gruppen denn eigentlich dahinter stehen.
Das konnten wir dann auch auf dem Orga-Treffen, wo wir zugegen waren, beobachten. Dort waren bis auf wenige Ausnahmen nur entsprechende autoritär-kommunistische Gruppen anwesend, die auch den Takt vorgaben. Auch auf der Demonstration wurde Pluralität vorgegaukelt, was sich, alleine an der Verteilung der Redebeiträge zu sehen, als Trugschluss erweist.
Von 12 Redebeiträgen insgesamt, wurden ganze sieben durch autoritär-kommunistische Zusammenhänge gehalten.
Redebeiträge:
– Bündnisbeitrag (von SDAJ gehalten)
– MLPD
– Train of Hope
– DROBS
(Drogenberatungsstelle)
– SDAJ
– SAV
– PIRATEN
– Anarchistische Gruppe Dortmund
– DKP
– linksjugend ’solid NRW
– NIKA (uns unklar, ob die Rede gehalten wurde)
– Rebell
Darüber hinaus wurde die Moderation hauptsächlich von einer Person der MLPD/Rebell übernommen, welche Zwischendurch auch immer wieder kleine Reden hielt.
Auch wenn natürlich gesagt werden kann, dass sich ja alle hätten melden können, verweisen wir hier wieder auf die für uns sehr undurchsichtige Orga-Struktur.
Unser eigener Redebeitrag wurde wiederholt von autoritären Kommunist*innen als „Spaltung“ und auch von der Moderation als „anti-kommunistisch“ diffamiert. Zusätzlich wurde uns vorgeworfen, dass wir gegen den Demonstrationskonsens verstoßen hätten.
Damit ihr euch selbst einen Eindruck davon machen könnt, findet ihr den Demonstrationskonsens unten angehängt und unsere Rede im Video.
Im Folgenden möchten wir inhaltlich auf die Kritik an uns und auf unsere Beweggründe zu unserer Aktion eingehen.
Wir als freiheitliche Kommunist*innen und/oder Anarchist*innen wurden wie bereits beschrieben mit dem Vorwurf des „Anti-Kommunismus“ diskreditiert. Warum sind wir keine „Anti-Kommunist*innen“?
Der „Anti-Kommunismus“ ist in seiner Verwendung ein Kampfbegriff gegen alle revolutionären Strömungen der vor allem von Faschist*innen oder sonstwie reaktionären Kräften benutzt wird. Mit ihm wird nicht zwischen den verschiedenen revolutionären Strömungen differenziert, sondern z. B. Bolschewist*innen mit Anarchist*innen gleichgesetzt.
Es gibt eine lange anarchistische Tradition, den Begriff des freiheitlichen Kommunismus als Eigenbezeichnung zu verwenden und sich positiv auf gewisse Teile marxistischer Theorie zu beziehen. Sich dabei aber immer klar von Stalinismus, Maoismus, Leninismus oder sonstigen autoritären Ausprägungen abzugrenzen.
Wir halten es für unerlässlich, gerade zu Anlässen wie z. B. der stattgefundenen Demonstration gegen das Polizeigesetzt unsere Kritik am autoritären Kommunismus sichtbar zu machen. Unserer Ansicht nach ist es unerlässlich, sich innerhalb der radikalen Linken zu kritisieren und wir sind nicht bereit dazu, unsere antiautoritären Grundsätze für eine diffuse Einheitsfront aufzugeben.
Die Kritik, dass eine solche Demonstration nicht der richtige Rahmen sei, um den angesprochenen Diskurs zu thematisieren, halten wir für falsch, da sich die meisten genannten autoritär-kommunistischen Organisationen positiv auf totalitiär-sozialistische Polizeistaaten, entweder geschichtlichen oder aktuellen, beziehen.
Natürlich sind auch die genannten autoritär-kommunistischen Organisationen von dem neuen Polizeigesetz betroffen, wir halten es aber für mehr als fraglich, dass sie, aufgrund der Sympathie mit totalitär-sozialistischen Polizeistaaten, eine Vorreiterrolle im Kampf gegen das neue Polizeigesetz spielen können. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden, wenn eine dieser Organisationen an die Macht käme, die Polizeigesetze noch deutlich gravierender gestaltet werden als die aktuelle Neuauflage.
Wenn wir historisch in die Sowjetunion, die DDR oder Maos China gucken, finden wir genauso viele Beweise dafür, wie wenn wir aktuell nach Kuba oder Venezuela schauen. In Kuba sind Todestrafe und Folterungen legal, in Venezuela sind Schüsse auf Oppositionelle und staatliche Folter an der Tagesordnung, das dürften auch die “Kuba Freund*innen” auf der heutigen Demonstration wissen.
Wieso sollten wir uns also brav in die Demonstration der autoritär-kommunistischen Organisationen einreihen, wo wir doch so komplett unterschiedliche Ziele, Vorstellungen und Gedankengänge haben. Wir wollen keinen Staat erobern, wir wollen ihn abschaffen. Wir wollen der Millionen Ermordeten in staatsozialistischen Gesellschaftsversuchen gedenken, anstatt diese zu verharmlosen oder zu verklären.
Wir wollen keinen Polizeistaat, egal ob demokratisch oder sozialistisch! Dabei bleibt´s!
Fazit
Die Demonstration war mit 400-500 Menschen (ab der Zwischenkundgebung maximal noch 300) schwach besucht, das lässt sich nicht alleine auf die großen parallelen Demonstrationen in Bochum und dem Hambacher Forst schieben. Das ist auch ein klarer Ausdruck davon, dass die Demonstration eben nicht breit aufgestellt war. Die Schätzungen von 800 Menschen oder gar bis zu 1000 Menschen sind nicht mehr als ein schlechter Witz. Insgesamt sind wir zufrieden mit unserer Intervention auf der Demonstration. Für uns als Gruppe war diese Form der Auseinandersetzung etwas frisches, weswegen uns einige Punkte aufgefallen sind, die wir das nächste mal etwas anders gestalten werden. So glauben wir z. B., dass die Aussage in unserem Redebeitrag, dass der Anarchismus die einzige gesellschaftliche Alternative ist, in diesem Kontext missverständlich war. Wir sind uns durchaus bewusst, dass es auch andere antiautoritäre Strömungen gibt, die teilweise natürlich auch anarchistisch beeinflusst sind, wie z. B. den Rätekommunismus oder libertären Kommunalismus, welche eine Alternative zum Bestehenden anbieten.
Wir bleiben dran:
Gegen das Polizeigesetz und seine Welt! Für den freiheitlichen Kommunismus!
Demokonsens zur NoPolGNRW Demo
Wir wollen eine lebendige, bunte Demonstration gegen das repressive neue Polizeigesetz NRW.
Unsere Aktion wird ein Bild der Vielfalt, Kreativität und Offenheit vermitteln.
Wir werden uns besonnen verhalten, von uns geht keine Eskalation und Gewalt aus, wir gefährden
keine Menschen.
Auch wenn wir in einzelnen Positionen unserer alltäglichen Praxis nicht übereinstimmen, so
kommen wir doch zusammen, um lautstark in Dortmund gegen das neue Polizeigesetz zu
protestieren, weil es uns alle betrifft.
In diesem Sinn stellen wir unsere Gemeinsamkeiten in den Vordergrund und gehen respektvoll und
solidarisch miteinander um.
Grenzen findet diese Pluralität in jeder Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Faschist*innen, Rassist*innen,Antisemit*innen und Sexist*innen, sowie Personen die durch
menschenverachtende Äußerungen auffallen (s. oben), werden auf unserer Demonstration nicht
geduldet.
In diesem Sinne: Wir gehen gemeinsam los und kommen gemeinsam an.