Spontane und unangemeldete Kundgebung vor Benetton-Filiale in der Stuttgarter Königstraße
Spontane und unangemeldete Kundgebung vor Benetton-Filiale in Stuttgarter Königstraße am 27.10.2017
Gerechtigkeit für Santiago Maldonado
Am Freitag (27.10.) fand auf Initiative des Libertären Bündnisses Ludwigsburg vor der Benetton-Filiale in der Stuttgarter Königstraße eine spontane und unangemeldete Kundgebung in Solidarität mit dem in Argentinien verschleppten Anarchisten Santiago Maldonado statt. Knapp ein Dutzend Anarchist*innen (darunter Leute der FAU und des Anarchistischen Netzwerks Stuttgart) machten auf die Enteignung von Land der indigenen Bevölkerung in Südamerika durch Großkonzerne, wie beispielsweise die Modemarke „United Colors of Benetton“ aufmerksam sowie das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Protestierende. Ohne Polizeikontrollen verteilten die Anwesenden 45 Minuten lang ungehindert Flyer, hielten vor dem Eingang der Benetton-Filiale Schilder und kamen immer wieder mit aufgeschlossenen Passant*innen ins Gespräch.
Ein Kundgebungsteilnehmer schildert seine Gedanken: „Angesichts der argentinischen Geschichte von ca. 30.000 Verschwundenen während der Militärdiktatur ist das Geschehen um Maldonado von besonderer Brisanz in der heutigen „Demokratie“. Gerechtigkeit für Santiago Maldonado.“
Am gleichen Tag fanden weitere Kundgebungen und Aktionen von Gruppen der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen (FdA) statt in Nürnberg, Frankfurt (Main), Bonn und Berlin. Anlass war der dezentrale Aktionstag „Gerechtigkeit für Santiago Maldonado“, den die FdA zuvor ausgerufen hatte.
Santiago Maldonado wurde am 1. August 2017 in Chubut, Argentinien von der Polizei verschleppt. Er beteiligte sich an einer Protestaktion der indigenen Mapuche-Gemeinschaft “Lof Cushamen”. Diese führen seit Langem Kämpfe gegen die Enteignung ihrer Länder, die heute im Besitz von Großgrundbesitzer*innen sind – wie unter anderem “Benetton”. Nach Augenzeugenberichten wurde Santiago Maldonado im Zuge einer Räumungsaktion der Polizei in Chubut abgeführt und in einem Fahrzeug abtransportiert. Seitdem war er ohne jede Spur verschwunden, Aktivist*innen gingen jedoch davon aus, dass er von der Polizei ermordet wurde. Mittlerweile wurde eine Leiche gefunden und von seinem Bruder als seine identifiziert.
Hier kommst du zur Homepage des dezentralen Aktionstages der FdA
Dort gibt es weitere Infos auf deutsch und spanisch sowie den verteilten Flyer zum Download.
Der Tod von Santiago Maldonado
– eine Geschichte um Landraub und staatliche Repression
Der Kampf der Mapuche um ihr Land
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts annektierten die neu entstandenen Staaten Chile und Argentinien im Rahmen von „Befriedungskampagnen“ das Siedlungsgebiet der Mapuche und anderer indigener Völker beiderseits der Anden. Viele Indigene wurden ermordet, die Übrigen von ihrem Land vertrieben. In Patagonien schenkte der argentinische Staat dieses Land dann mehr als 50 englischen Unternehmen – die meisten mit Sitz in London – um es zu „kolonisieren“. Diese Unternehmen ließen das Land von einer gemeinsamen Gesellschaft verwalten, der „Compañía de tierras del Sud Argentino“.
Hundert Jahre später kaufte mit „Great Western“ ein argentinischer Konzern die Anteile der „Compañía“, bis diese schließlich 1991 von der italienischen Modefirma Benetton aufgekauft wurden. Insgesamt sind es mehr als 900.000 Hektar, die Benetton im Patagonien besitzt, eine Fläche, in die ganz Zypern passen würde. Der Konzern hält dort an die 280.000 Schafe, die jährlich 1.300.000 kg Wolle erzeugen. Benetton betreibt damit ganz klassisches Landgrabbing, bei dem (meist) ausländische Konzerne große Landflächen aufkaufen oder rauben, und damit die Ernährungssicherheit im jeweiligen Land gefährden sowie die Lebensweise und den Lebensunterhalt von indigenen Gruppen und Kleinbäuer*innen.
„Lof Cushamen“
Ein kleiner Teil des geraubten Landes in Patagonien wurde vor einigen Jahren von kämpferischen Mapuche-Gemeinschaften ganz praktisch wieder in Besitz genommen. Eine dieser Gemeinschaften ist „Lof Cushamen“, die in der Provinz Chubut gelegen ist. Seit der Rücknahme des Landes hatte die Gemeinschaft regelmäßig unter Polizeirazzien und -übergriffen zu leiden. Zum Teil wandten die Sicherheitskräfte dabei extreme Gewalt an und betrieben eine umfassende Desinformationskampagne, bei der den Mapuche zum Teil vorgeworfen wurde, von der kolumbianischen FARC-Guerilla finanziert zu werden.
Das Verschwinden von Santiago Maldonado
Santiago Maldonado war ein argentinischer Anarchist, der „Lof Cushamen“ gerade gegen diese Polizeirepression unterstützen wollte. Augenzeugenberichten zufolge wurde Santiago Maldonado im Zuge einer Razzia der Polizei am 1. August 2017 festgenommen und in einem Fahrzeug abtransportiert. Seitdem war er spurlos verschwunden. Die Polizei negierte, ihn mitgenommen zu haben, während Aktivist*innen davon ausgingen, dass er von der Polizei ermordet und verschwinden gelassen wurde. Angesichts der argentinischen Geschichte von ca. 30.000 Verschwundenen während der Militärdiktatur ist das Geschehen um Maldonado von besonderer Brisanz in der heutigen „Demokratie“. Tausende von Menschen gingen nicht nur in Argentinien auf die Straße, um Aufklärung über seinen Verbleib einzufordern.
Das Auftauchen seiner Leiche
Etwa eine Woche vor den Parlamentswahlen am 22. Oktober 2017 tauchte in Chubut eine Leiche auf, die erst vor wenigen Tagen von seiner Familie als Santiago Maldonado identifiziert wurde. Es gibt in der Geschichte um den Leichenfund noch sehr viele Ungereimtheiten, unter anderem, dass die Leiche an einem bereits mehrmals abgesuchten Ort aufgefunden worden sein soll.
Doch unabhängig davon, ob Santiago Maldonado nun ermordet wurde oder dieser ertrunken ist:
Fué el Estado – der Staat ist verantwortlich! Gerechtigkeit für Santiago Maldonado!
Der Beitrag Spontane und unangemeldete Kundgebung vor Benetton-Filiale in der Stuttgarter Königstraße erschien zuerst auf Libertäres Bündnis Ludwigsburg (LB)².