Gǎi Dào Sonderausgabe: Solidarische Ökonomie

Direkt zur Ausgabe kommt ihr hier! Hallo alle, Eigentlich finden viele, dass es toll klingt: Demokratisierung aller Lebensbereiche; Selbstbestimmung; endlich mal etwas für die Sache selbst tun und nicht für deren Vermarktung; der Kontrolleur*in, dem Ordnungsamtsfutzi oder ähnlichem einfach mal den Mittelfinger vorzuhalten; Politiker*innen nach Hause zu schicken. Die Aufzählung ist endlos. Die uns durchfurchende Realität bringt immer wieder das Anarchische zum Vorschein, bis sie es bei Vielen unter tausenden Zentnern Erdreich verscharrt. Die schreien dann vor Angst und Frust nach den Göttern. Da muss mal jemand durchregieren. Wenn unsereins nicht, dann sollen die auch nicht… Wenn Sie sich besser verkauft hätte, dann …, aber so… hat sie halt Pech gehabt. Heutzutage macht auch jede*r, was er*sie will… Die Abwesenheit der Götter ruft verschiedene Reaktionen hervor. Manche stellen sich der Freiheit und Verantwortung, andere greinen nach Führung, manche schwingen sich auf und alle machen Kompromisse. Während soziale und ökologische Missstände und die kapitalistische Wirtschaftsweise untrennbar verknüpft sind, die Menschen darum wissen und die Zahl ideologischer Verfechter*innen des Kapitalismus sinkt, herrscht mehrheitlich Ratlosigkeit. Viele verhängen sich Denkverbote und fokussieren sich auf Privatleben, Familie und Hobbys, andere suchen nach „der guten alten Zeit“, wieder andere wiederholen die immer gleichen Phrasen und beruhigen ihr Gewissen. Der Erfolg emanzipatorischer Entwicklungswege, seien sie stetig, seien sie geprägt von Stürmen und Umbrüchen, steht und fällt mit der Beantwortung der Fragen des Ökonomischen. Reaktionen von Anarchist*innen und libertären Kommunist*innen auf diese Frage sind oft ausweichend. Mitunter wird sich auf das Bilderverbot berufen. Aus dem repressiven Kapitalismus und seinen Denkmustern heraus sei keine emanzipatorische Zukunft denkbar. Die freie Gesellschaft erwächst wahlweise aus dem Diskurs einer Massenmobilisierung oder den Ruinen der alten Ordnung. Die Menschen mögen jedoch nicht auf diese unsichere Karte setzen. Was im Kinosessel mit Popcorn zur guten Abendunterhaltung taugt, macht in der Realität Angst. Sicher sind die stürzenden Bürotürme aus der Vogelperspektive schön anzusehen, aber wie sieht es aus, wenn man unten steht, wenn man in ihren Trümmern nach Essbaren graben muss. Mit Schrecken haben höhere und untere Mittelschicht den freien Fall ihrer gesellschaftlichen Pendants in Südeuropa verfolgt. Es ist unklar, wie risikofreudig diese Gesellschaft leben will, aber dem reinen Versprechen nach dem schönen Leben für alle folgt sie nicht. Auch wenn auf die Frage der ökonomischen Alternative, der sozialen Sicherheit nicht mit dem Bilderverbot reagiert wird, kommt selten viel greifbares heraus: Irgendwie soll es nach dem Bedürfnisprinzip zugehen, statt Märkten wird sich irgendwie abgesprochen, gegenseitige Solidarität ersetzt den Tausch, das Geld ist abgeschafft, die Produktionsmittel sind in kollektiver Hand. Noch unklarer werden die Positionen, wenn es um die Frage des Transformation der globalisierten Wirtschaft von unten geht. Aus dem Bewusstsein der beschriebenen Unschärfe in unserer Bewegung entstanden im Jahre 2013 Diskussionen auf einem Föderationstreffen in Mannheim. Die gastgebende Gruppe hatte damals gerade mit einem Projekt, einer umfassenden Strategiedebatte, für einen anarchistischen Weg begonnen. Während die Anarchistische Gruppe Mannheim mehr in Richtung praktischer Projektentwicklung denkt, entstand als theoretischere Herangehensweise die Idee dieser Sonderausgabe. Seitdem rotierte das Karussell unserer Leben einige Umdrehungen weiter. Wir wissen jetzt ein Stück mehr und sind tiefer in die Thematik als gedacht eingestiegen. Das Ergebnis ist leider noch kein rundes Ding; ein kleiner Schritt voran – aber voran definitiv. Heraus kam kein Statement, aber auch kein phänomenologisches Mosaik, sondern ein Diskursbeitrag mit ordentlich Unterbau. Bei Feedback und Interesse wollen wir das Thema gerne geeignet weiterführen. Aber das ist Zukunftsmusik und zunächst freuen wir uns über die druckfrische Ausgabe in unseren Händen. Anfangs wollten wir die Theorie den Profis überlassen. Wir starteten sprach-übergreifend einen ausführlichen Call for Papers im akademischen Bereich. Leider war die Resonanz bescheiden. Wir können nur mutmaßen woran das liegen mag, aber sicher winkt bei uns weder Honorar noch akademischer Fame. In einem zweiten Teil der Ausgabe wollten wir konkreten Projekten Raum geben. Einige von uns zogen im Sommer 2014 los und stürzten sich in Feldforschung bei Kollektiven, Kooperativen und Kommunen. Sie kehrten mit umfassenden mehrstündigen Interviews zurück. Wir transkribierten uns die Finger wund. Schnell war klar, dass wir diese Interviews nicht abdrucken können. Viele Details sind zu intim. Außerdem: Welche Leser*innen wollen sich durch diese ewige Bleiwüste mündlicher Berichterstattung kämpfen? In Verbindung mit den Erfahrung aus dem flauen Theorieteil entschieden wir uns für eine Veränderung der Konzeption. Wir definierten Themenkomplexe, werteten die Interviews aus, stellten Thesen auf und starten eine eigene Textproduktion. Leider haben wir nicht jeden Themenkomplex, den wir uns vornahmen auch wirklich bearbeiten können. Aus Solidarität mit den Projekten zitieren wir keine Interviews, denn wir wollen nicht richtend Projekte nebeneinander stellen. Wir hoffen, dass sich die Projekte in den Artikeln wiederfinden und unsere Überlegungen ihre internen Diskussionsprozesse bereichern. Gerade auch von ihnen würden wir uns über Feedback freuen. Gespickt ist die Ausgabe mit Steckbriefen und Fotos der besuchten Projekte. Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, bei den Projekten, bei den Texter*innen, beim Lektorat, bei den Interviewer*innen, bei den Layouter*innen und natürlich allen, die mit uns diskutierten.

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