Bericht vom FdA-Treffen in Ludwigsburg 2015
Ende Januar fand im Demokratischen Zentrum (DemoZ)
Ludwigsburg das erste von in der Regel drei FdA-Treffen pro Jahr statt. Zum
zweiten Mal (nach 2012) wurde das Treffen vom Libertären Bündnis Ludwigsburg
(im Folgenden (LB)² abgekürzt) ausgerichtet. Da das vorherige Treffen im
September 2014 in Berlin stattfand, konnte mit Ludwigsburg wieder ein Ort in
einer anderen geographischen Region gewonnen werden. Dies spielt vor allem für
die Einladung von Gästegruppen eine Rolle. Dementsprechend kamen vor allem
(aber nicht nur) Gruppen aus dem südlicheren deutschsprachigen Raum zum
Treffen, die nicht Mitglied in der FdA sind. Neben Aktiven der Libertären
Aktion Winterthur und der Anarchistischen Initiative Ortenau, die schon bei
früheren FdA-Treffen als Gäste anwesend waren, konnten wir als neue Gäste
Vertreter*innen der Anarchistischen Gruppe Dortmund, der Libertären Antifa
München und Auf der Suche Nürnberg begrüßen. Vor allem die beiden
letztgenannten Gruppen wurden mit großer Freude und Spannung empfangen, gab es
doch bisher wenig Austausch mit organisierten Zusammenschlüssen aus Bayern auf
FdA-Ebene.
Insgesamt nahmen ca. 35 Personen aus 15 verschiedenen Gruppen
am Treffen teil. Ein Großteil davon fand sich bereits Freitag Abend im DemoZ
Ludwigsburg ein. Da die erste Plenumsphase erst für Samstagmorgen vorgesehen
war, blieb am Freitagabend genug Zeit, um in Ruhe anzukommen, sich kennenzulernen
oder an vergangene Begegnungen anzuknüpfen. Zwei Infotische von (LB)² und dem
Infoladen Karlsruhe versorgten alle Interessierten mit lesenswerter Literatur,
Fahnen, Aufnäher, Sticker und Buttons. Auf dem weiten Weg aus Berlin wurde eine
(gefühlte) LKW-Ladung an Broschüren mitgebracht, unter anderem der aktuelle
CrimethInc-Aufruf „Alles verändern“ und die frisch gedruckte Neuauflage der
Broschüre „Anarchismus – Eine Einleitung“ des Anarchistischen Netzwerks
Südwest*. So fand ein reger Austausch von Materialien zwischen den Städten
statt.
Ebenfalls auf Interesse stieß die im DemoZ gerade zu sehende
Ausstellung „Salz und Brot“ von Peter Schmidt. Eine über zwei Meter hohe
Installation, bestehend aus einer nachempfundenen Packung Salz sowie einem Laib
Brot auf einem Holztisch, bildet die traditionelle Geste des Willkommens ab. In
die Rückseite der Salzpackung sind mehrere Installationen im Modellbaumaßstab
1:87 wie Schubladen übereinander eingebaut. Zu sehen sind Szenen der
Unterstützung von Flüchtlingen (z.B. das Refugee-Camp auf dem Oranienplatz),
aber auch deren Ablehnung, der Umgang mit ihnen und die Auseinandersetzungen um
sie und mit ihnen. Das Spannungsfeld der sogenannten Willkommenskultur und der
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland ist Thema der Ausstellung. Alle Szenen
sind als große Fotografien im DemoZ-Kneipenraum nochmal abgebildet.
Sehr anschaulich bekamen die Besucher*innen so einen kleinen Eindruck der
kulturellen Vielfalt des DemoZ. Die Veranstaltungen und Aktivitäten im DemoZ
reichen von Vorträgen, Filmvorführungen, praktischen Workshops über
Ausstellungen, Voküs, Konzerte und (Frauen-)Discos bis hin zu
Kampfsporttraining oder Zeichenkurse. Als selbstverwaltetes,
nicht-kommerzielles Zentrum setzt das DemoZ auf eine „Kultur von unten“, die eine
Gegenposition zu diskriminierenden gesellschaftlichen Entwicklungen einnimmt.
Das Zentrum besteht schon seit 1980. Maßgeblich an der Gründung und dem Aufbau
des Zentrums beteiligt waren die sozialen Bewegungen der 70/80er Jahre, vor
allem die lokale Anti-AKW-Bewegung.
Obwohl sich die geselligen Gespräche am Freitagabend noch
sehr lange in die Nacht zogen (und ebenso die Anreise einiger Personen – die
letzten kamen um halb vier Uhr nachts an), begann das erste Gesamtplenum
pünktlich am nächsten Morgen. Nach der offiziellen Begrüßung und Vorstellung
aller Teilnehmenden wurden allen neuen und interessierten Personen in einem
Extraraum die FdA, ihre Strukturen und Arbeitsweisen vorgestellt und Raum für
Fragen gegeben.
Als alle sich wieder im Großplenum versammelt hatten (der
Rest hatte inzwischen Organisatorisches besprochen) sah die Tagesordnung eine
erste AG-Phase vor. Unter anderem sollte in einer AG ein Austausch der Gruppen
über die Planungen der 1. Mai-Aktivitäten stattfinden. Leute aus dem Ruhrgebiet
gaben bekannt, dass dieses Jahr eine anarchistische 1. Mai-Demonstration in
Dortmund geplant sei, was auf positive Resonanz stieß. Diskutiert wurden Formen
der Unterstützung durch die FdA bzw. föderierte Gruppen außerhalb des
Ruhrgebiets. Die Frage einer zentralen Mobilisierung am 1. Mai nach Dortmund
wurde kontrovers diskutiert. Letztlich hatte bei einigen Gruppen, welche in
eigenen 1. Mai-Bündnissen involviert sind, die Teilnahme vor Ort Priorität.
Gruppen, welche nicht in lokale 1. Mai-Bündnisse eingebunden sind, werden
voraussichtlich auf die Anarchistische 1. Mai-Demonstration nach Dortmund
mobilisieren.
Eine Person vom Anarchistischen Radio Berlin stellte das das
Projekt „Radio aktiv“ vor – ein interaktives Projekt, welches von
anarchistischen Radio-Gruppen in Brasilien schon umgesetzt wird. Dabei handelt
es sich um eine gestreamte Radio-Livesendung. Ein extra dafür eingerichteter
Online-Chat gibt den Zuhörer*innen die Möglichkeit schon während der
Radio-Sendung Rückmeldung zu geben oder eigene Ideen und Inhalte einfließen zu
lassen und damit die Radiosendung mitzugestalten. Nachdem dieses Konzept
vorgestellt wurde fand eine produktive Diskussion statt über potentielle
Umsetzungsformen, Grenzen und Hürden sowie Unterstützungsmöglichkeiten des
Projekts durch andere FdA-Gruppen. Ob und wie das Projekt (testweise) umgesetzt
wird, ist noch offen – ihr dürft gespannt sein.
Emma Goldmans Autobiographie „Gelebtes Leben“ (Originaltitel
“Living my life”, 1931 erschienen) gibt es in der deutschen Übersetzung schon seit
Ende der 1970er Jahre. Ins Russische (der Geburtssprache Emma Goldmans) wurde
das Buch bisher jedoch aus verschiedenen Gründen nicht übersetzt. Ein
russisches Übersetzungskollektiv (RTP) findet ihr Buch immer noch so
lesenswert, aktuell und wichtig, dass sie es in die russische Sprache
übersetzen wollen. Da ein erster Finanzierungsversuch über Crowdfunding in
Russland nicht funktionierte, wurde an eine Person in der FdA die Bitte nach
Unterstützung der Finanzierung herangetragen. Hier ist wichtig zu wissen, dass
das Übersetzungskollektiv als wirtschaftlicher Zusammenhang mit Löhnen
funktioniert. Eine Schätzung geht davon aus, dass für die Übersetzung der fast
1000 Seiten (im Original) etwa 8000€ benötigt werden. Als
Finanzierungsmöglichkeit sollen Postkarten mit Zitaten von Emma Goldman
gedruckt und verkauft werden. Weitere Unterstützungsmöglichkeiten durch die FdA
wurden im Plenum gesammelt. Ein Spendenkonto wird eingerichtet, es werden durch
verschiedene FdA-Gruppen Veranstaltungen stattfinden.
In einer weiteren AG-Phase fand am Nachmittag unter anderem
ein Erfahrungsaustausch über den Aufbau von Lokalföderationen bzw.
Lokalvernetzungen statt. Zunächst stellten Personen der Anarchistischen
Föderation Rhein-Ruhr (AFRR) ihr Konzept des offenen anarchistischen
Organisierungstreffens vor sowie den Ablauf und die Entwicklung, wie die AFRR
entstanden ist. In Dortmund wurden von der lokalen Anarchistischen Gruppe 2
offene Organisierungstreffen veranstaltet. Hier hatten Leute, welche noch nicht
in (anarchistischen oder lokalen) Gruppen aktiv sind, die Möglichkeit
miteinander und mit aktive Leute von lokalen anarchistischen/libertären
Projekte ins Gespräch zu kommen und Anschluss zu finden. Die bisher bestehenden
Projekte stellten sich kurz vor und im weiteren Lauf des Treffens wurden die
Interessengebiete der Interessierten gesammelt. Die Interessierten konnten so
mit Gleichgesinnten verschiedene thematische Arbeitsgruppen bilden und sich mit
den schon bestehenden Initiativen vernetzen. So entstanden beim 1. offenen
Organisierungstreffen in Dortmund 9 AGs, unter anderem zu den Themen
Anarcha-Feminismus, Bildung & Jugend oder eine Lesekreis-AG. In der
anschließenden Diskussion wurde die Übertragbarkeit dieses Konzepts auf
Regionen mit anderen Rahmenbedingungen (z. B. ländliche Region anstatt
großstädtischem Ballungsraum) diskutiert, aber auch Aspekte wie Offenheit für
Repressionsorgane.
Danach wurde der Gründungsprozess des Anarchistischen Netzwerks Südwest*
(A-Netz Südwest*) von daran beteiligten Personen vorgestellt. Im Gegensatz zu
der AFRR, welche erst eine übergeordnete Kommunikations- und Austauschstruktur
aufgebaut hat um danach die Voraussetzungen für eine lokale Gruppenbildung zu
schaffen, verlief dieser Prozess beim A-Netz Südwest* genau andersherum: Es bestanden
schon anarchistische Gruppen in verschiedenen Städten im Südwesten*, bevor
erste Vernetzungstreffen zwischen den Lokalgruppen stattfanden. Das Netzwerk
bildete sich nach einer ersten gemeinsam organisierten
Veranstaltungsreihe/Kampagne. Nach fast 5-jährigem Bestehen blickten die
Beteiligten außerdem kritisch auf Möglichkeiten, Entwicklungen, aber auch
Probleme einer regionalen Vernetzung. Der gesamte Erfahrungsaustausch innerhalb
der AG wurde von den Teilnehmenden interessiert aufgenommen, insbesondere da es
auch in anderen Regionen im deutschsprachigen Raum Ideen und Pläne für eine
(formellere) Vernetzung von Lokalgruppen gibt.
Nach den offiziellen Plenum und der Diskussion weiterer
Themen verlief der Samstagabend entspannt bei geselliger Atmosphäre zwischen
den anwesenden Personen.
Am Sonntag gab es noch zwei große Arbeitsgruppen: Zur
Föderationszeitung Gaidao sowie zur internationalen Vernetzung und speziell zur
Internationalen der Anarchistischen Föderationen (IFA).
Neben regelmäßig zu besprechenden Themen in der Gaidao-AG wie beispielsweise
die Aufgabenverteilung bei der Erstellung der Gaidao oder Werbemaßnahmen,
wurden auch mögliche Neuerungen besprochen. So gibt es die Idee für die
Audio-Version der Gaidao ausgewählte Texte von realen Sprecher*innen vorlesen
zu lassen (in der aktuellen Audio-Version geschieht dies durch eine
Computerstimme). Dies würde die Qualität der Audio-Version deutlich steigern,
ist jedoch eine Frage der Beteiligung und der verfügbaren Kapazitäten. Außerdem
wird es bei der Anarchistischen Buchmesse im April in Mannheim wieder einen
Gaidao-Stand geben. Und auch dieses Jahr sind wieder ein bis zwei
Gaidao-Sonderausgaben geplant.
Die AG Internationales diskutierte unter anderem die Themen
für das kommende Delegiertentreffen der IFA (siehe dazu den Erfahrungsbericht
der CRIFA in Paris in diesem Heft). Ebenfalls besprochen wurde das
anarchistische Mittelmeertreffen, das im Oktober in Athen stattfinden soll. In
Vorbereitung dazu wird es bereits im März ein Vortreffen in Tunesien geben.
Hierfür will die FdA finanzielle Unterstützung leisten.
Nach einem ausführlichen Feedback der Teilnehmenden zum
Treffen ging zumindest der offizielle Teil des Treffens dem Ende entgegen. Als
Fazit bleibt festzuhalten:
Sowohl die hohe Anzahl an Teilnehmer*innen als auch die Vielzahl an vertretenen
Gruppen/Städten (inklusive 5 Gästegruppen) zeigen, dass es ein großes Interesse
gibt an Austausch und Vernetzung im Allgemeinen sowie an der FdA im Speziellen.
So konnten sich in den drei Tagen des Treffens persönliche Kontakte entwickeln.
Aber es ist auch konkrete Zusammenarbeit an verschiedenen Projekten geplant
worden, die für die Zukunft ein in Austausch bleiben fördern werden.
Insgesamt beinhaltete das FdA-Treffen in Ludwigsburg eine spannende und
gelungene Mischung aus Informations- und Erfahrungsaustausch, konkreter
praktischer Planung und Raum für informelles Miteinander.