What the fuck!? 23.9 Vorabend-Demonstration gegen den Papstbesuch in Freiburg

Am 24. und 25. September 2011 kommt Joseph Ratzinger, besser bekannt
als Papst Benedikt XVI, nach Freiburg. Wir nehmen dies zum Anlass, um
unsere grundsätzliche Kritik an Religion, Kirche und den
gesellschaftlichen Verhältnissen zu äußern.

Das Märchen von Adam und Eva

Denn seit Jahrhunderten propagiert die katholische Kirche eine
zutiefst reaktionäre, wie restriktive Sexualmoral und stigmatisiert
alle, die nicht ihrem konservativen sowie heterosexuellen Familienbild
entsprechen, als Sünder_innen. Frauen werden – wenn es nach der
katholischen Kirche geht – einzig auf willige Gebärmaschinen reduziert.

Jedoch sind diese patriarchalen Zustände nicht nur ein Symptom einer
religiösen Gesellschaft und etwa durch einen säkularen Staat behebbar.
Vielmehr beeinflussen sich gesellschaftliche Verhältnisse und Religion
wechselseitig als Ideologie, welche fest in Form von Wertvorstellungen
und Rollenzuschreibungen in dieser Gesellschaft verankert ist.

Früh wurde eine restriktive zweigeschlechtliche Rollenverteilung
festgelegt, welche sich auch im Zuge der Industrialisierung in
Lohnverhältnissen manifestiert hat. Während weiblich sozialisierte
Menschen den reproduzierenden Part übernehmen, der generell nicht
entlohnt wird, sind es meist männlich sozialisierte Menschen, welche für
die Produktion zuständig sind und somit die „Versorgerrolle“
übernehmen. Das „Weibliche“ wird dem „Männlichen“ stets bei- oder
untergeordnet.

Diese klar definierte zweigeschlechtliche Rollenverteilung hat sich
in den letzten Jahrzehnten teilweise aufgeweicht. Bestimmte Werte,
Normen und Vorstellungen von „Moral“ (Heteronormativität, traditionelles
Familienbild, …) sind jedoch nach wie vor vorhanden und werden
verinnerlicht. Ohne die Möglichkeit, sie klar zu definieren und zu
benennen, sind sie schwer angreifbar und zu überwinden.

Unsere inzwischen säkulare Gesellschaft beinhaltet aber nach wie vor
Elemente einer christlich-kirchlichen Logik, die sich ganz konkret in
konservativer Familienpolitik oder restriktiven Abtreibungsgesetzen
äußern. Hier wird Menschen mit dem Verbot von Verhütung und
Schwangerschaftsabbruch die Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben
verweigert und eine effektive Prävention von HIV und anderen
Geschlechtskrankheiten verhindert.

Antijudaismus, Piusbruderschaft und deutsche Leitkultur

Schon früh entstand durch den Alleingeltungsanspruch des Christentums
eine antijudaistische Logik, in welcher Jüd_innen als „verstockte
Gottesmörder“ dämonisiert, und mit einer Vielzahl negativer
Eigenschaften belegt wurden: Sie galten als „Brunnenvergifter“,
„Kindesmörder“, „reich“, „geizig“ und „listig“. Das Bild des „jüdischen
Wucherers“ verfestigte sich früh, und wurde durch eine Tabuisierung
gewisser Berufszweige für Christ_innen verschärft.

Mit dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion wurde Heidentum
und Häresie zum Staatsverbrechen erklärt und Jüd_innen gezielt
gesellschaftlich ausgegrenzt. Antijudaismus wurde im Laufe der
Geschichte immer wieder im Kontext von Missständen, Kreuzzügen und
Epidemien von der Kirche aufgenommen, propagiert und durchgesetzt. Dies
äußerte sich unter anderem in Zwangstaufen, Verketzerung, Ausgrenzung,
Kriminalisierung, Stigmatisierung, Hassausbrüchen, Massakern bis hin zu
organisiertem Massenmord.

Religiöser Antijudaismus und ein auf einer Rassenideologie beruhender
Antisemitismus sind nicht gleichzusetzen, aber auch nicht voneinander
zu trennen: Sie sind historisch eng verwandt, bedingten einander und
wirkten zusammen bis hin zum Holocaust.

Unter der Führung von Ratzinger kam es wieder zu einem Aufleben des
katholischen Antijudaismus, der sich unter anderem in der Wiederaufnahme
der Bischöfe der klerikal-faschistischen Piusbruderschaft samt des
Holocaustleugners Williamson in die katholische Kirche äußerte: „Die
Juden erfanden den Holocaust, damit wir demütig auf Knien ihren neuen
Staat Israel genehmigen […] Protestanten bekommen Befehle vom Teufel,
und der Vatikan hat seine Seele dem Liberalismus verkauft.“ (Richard
Williamson im April 1989).

Antisemitismus auf der Basis des christlichen Antijudaismus war und
ist Teil der deutschen Leitkultur. Dass eine solche Ideologie im Rahmen
eines Großevents von Zehntausenden abgefeiert, von den Medien jubelnd
beworben, sowie von der Stadt mit Millionen Euro gefördert wird, ist
erschreckend, aber nicht weiter verwunderlich.

„Opium des Volkes“

Religion beinhaltet für ihre Gläubigen ein „himmlisches“
Emanzipationsversprechen von diesem weltlichen Elend. Dabei dient das
Versprechen auf Erlösung und die Hoffnung auf ein Paradies als Ausflucht
aus der weltlichen Unterdrückung, Ausbeutung und sozialer
Ungerechtigkeit. Das illusorische Glück der Gläubigen ist dabei der
Ausdruck ihrer Unfähigkeit und Machtlosigkeit, die weltlichen und
sozialen Gründe ihres Elends zu fassen und praktisch zu überwinden.

Gleichzeitig ist Religion jedoch nicht nur Ausdruck des Elends,
sondern reproduziert dieses sogar teilweise verschärft, indem Gläubige
in ihr feste Verhaltensregeln vorgesetzt bekommen, die einem
emanzipatorischen Anspruch klar entgegenstehen. Die Angst um
Sterblichkeit und „irdische“ Existenz wird Grundlage für ein moralisches
Regelwerk, welches Herrschaft über den Menschen – weit über sein
materielles Dasein hinaus – ausübt und legitimiert. Bei einem Verstoß
gegen die „Spielregeln“ und Gebote drohen nicht allein materielle
Konsequenzen und Strafe, sondern auch eine Bestrafung des Immateriellen –
„der Seele“ – im Jenseits.

Vor Allem in ihrer institutionalisierten Form, wie z.B. in der
katholischen Kirche fallen die vermittelten Wert- und Moralvorstellungen
daher oft selbst hinter die gängigen Vorstellungen in der bürgerlichen
Gesellschaft zurück.

Die von der katholischen Kirche aufgestellten Regeln sind aber
keinesfalls ewig und unveränderlich, wie es ihr Absolutheitsanspruch
nahelegt, sondern werden ab und an vom Nachfolger Petri – dem Papst –
willkürlich neu festgelegt (vgl. Abschaffung der Vorhölle für ungetaufte
Neugeborene) und umdefiniert.

Paradise now!

Die Kirche ist also keine karikative Seelsorgeinstitution für
Individuen, sondern ein Machtinstrument, welches weltliche Macht und
Ungleichheitsverhältnisse legitimiert und ausbaut. Kritik an Religion
ist für uns die Voraussetzung für die Kritik an einer Gesellschaft, die
Jahrhundertelang maßgeblich durch die Einflüsse der christlichen Kirchen
gestaltet wurde.

Als emanzipatorische Linke dürfen wir aber nicht bei der Kritik an
Kirche und Religion stehenbleiben, sondern müssen die herrschenden
Verhältnisse umfassend analysieren und kritisieren, um sie eines Tages
überwinden zu können. Wir streben eine Gesellschaft an, in der die
Bedürfnisse des Menschen, und nicht eine religiöse Verblendung und eine
nach Profitmaximierung ausgerichtete Verwertung aller Lebensbereiche, im
Vordergrund stehen.

Anstatt auf das Paradies als „Wiedergutmachung“ sozialer
Ungerechtigkeit auf Erden zu warten, haben wir den Anspruch, eine
solidarische, respektvolle, gewalt- und herrschaftsfreie, also eine
emanzipatorische Gesellschaft aufzubauen.

Antisemitismus – Patriarchat – Kapitalismus – WHAT THE FUCK?!
Für die befreite Gesellschaft!

Demo | Freitag, 23.09.2011 | 18:30 Uhr | Siegesdenkmal, Freiburg
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