Unser Redebeitrag zur heutigen “Spart’s euch!“-Demo in Karlsruhe
„Großes Ranking 2015: Karlsruhe unter den besten Städten Deutschlands“, so titelte KA-News am 01.06.2016. Oberbürgermeister Mentrup bezeichnet Karlsruhe als 4* plus Stadt. 4* plus, aber für wen eigentlich? Schauen wir uns an, was ausschlaggebend für die gute Platzierung Karlsruhes im Städteranking war.
Es wird als gut bewertet, dass in Karlsruhe weniger Menschen von Hartz IV abhängig sind, als in anderen Städten. Weitere Faktoren zeigen jedoch die Hässlichkeit dieses Rankings auf. So wird der Mangel an Wohnraum und das damit zusammenhängende hohe Mietniveau als positiv bewertet. Faktoren wie kulturelle Angebote hingegen finden in diesem Ranking der Wirtschaftswoche keine Bedeutung. Diese Bewertung ist aus einem sozialen und gesellschaftlichen Blickwinkel heraus betrachtet absurd. Um deren Logik zu verstehen betrachten wir die historische Entwicklung von Städten.
Die Stadt ist seit dem Mittelalter ein Ort wirtschaftlicher Verwertungs- und Produktionsweisen. Sie dient als Handelszentrum und Umschlagplatz von Gütern jeglicher Art. Die „Attraktivität“ einer Stadt orientiert sich an ihrer wirtschaftlichen Stärke. Positive Lebensbedingungen und kulturelle Angebote tragen nur zur Behauptung gegenüber der Standortkonkurrenz bei. So spielen soziale Fragen lediglich eine untergeordnete Rolle.
Durch die Industrialisierung wurden viele Menschen gezwungen vom Land in die Stadt zu ziehen. An den Außengrenzen entstanden die klassischen Arbeiter*innenviertel. Der Wunsch nach kurzen Arbeits- und Handelswegen bestimmte die weitere Entwicklung der Städte. Die Struktur der Städte zeigt bis heute die Bedeutung der Verwertungslogik durch die Einteilung in soziale Schichten und die Verdichtung von Raum und Zeit.
Die fortwährende Entwicklung und Beschleunigung der Ökonomie sorgt seit den 70er Jahren für sogenannte Gentrifizierungsprozesse. Gentrifizierung ist ein Prozess, der sich in mehreren Schritten vollzieht. Vorstadtviertel mit günstigem Wohnraum bieten eine gute Basis für Menschen mit niedrigem Einkommen und sogenannte Pioniere, wie Subkulturen, Künstler*innen, Studierende. Mit der kreativen Ausgestaltung der Viertel steigt ihre Popularität und der Zuwachs an eigenem Kapital. Durch Kneipen, kleine Geschäfte und sympathische Kunst steigt der Kultfaktor des Stadtteils. Er wird für Touristen attraktiv. Das Interesse an hochwertigem Wohnraum steigt und Investor*innen nutzen die Gelegenheit. Öffentlicher Raum wird deshalb nach und nach in privates Eigentum umgewandelt. Die Stadt fungiert zunehmend als wirtschaftliches Unternehmen. Günstiger Wohnraum wird durch Sanierung aufgewertet und dadurch für einige Bewohner*innen unbezahlbar. Dies führt zu einem sozialen und kulturellen Wandel des Viertels. Bestimmte Personengruppen sind im öffentlichen Raum plötzlich problematisch und unerwünscht. Eine stetig steigende Zahl an Zwangsräumungen und die Entwicklungen in der Südstadt und auf dem Areal C beispielsweise zeigen, dass auch Karlsruhe von diesem Prozess betroffen ist.
Die damit zusammenhängenden sozialen Probleme wie Erwerbslosigkeit oder Wohnungslosigkeit zwingen die Stadtpolitik zu einer Regulierung, um einen sozialen Kollaps langfristig zu vermeiden. Ihre Aufgabe sieht sie jedoch nicht darin sozialpolitisch nach Lösungen zu suchen. Die Abhängigkeit von der Konkurrenz gegenüber anderen Städten, lässt lediglich eine Verwaltung der Probleme zu, um den scheinbaren sozialen Frieden zu wahren.
Wenn wir heute die Sparmaßnahmen des Gemeinderats kritisieren, können wir nicht erwarten, dass er den Widerspruch zwischen kapitalistischer Verwertung und sozialer Verantwortung auflösen kann. Er verrennt sich in einem Spagat zwischen Neu-Investition, Reproduktion sozialer Zusammensetzung und dem Erhalt des scheinbar vorhandenen sozialen Friedens.
Stattdessen fordern wir einen Stopp der Privatisierung öffentlicher Räume!
Sie müssen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Es gibt viele Menschen, die diese brauchen und nutzen möchten. Der Abbau und das Ausspielen sozialer, kultureller und öffentlicher Einrichtungen muss sofort aufhören!
Gleichzeitig fordern wir, das Hauptaugenmerk auf Investitionen in die
soziale Sicherung zur Herstellung der Eigenständigkeit und
Handlungsfähigkeit aller Bewohner*innen zu lenken. Unsere Kritik darf sich jedoch nicht in Forderungen an den Gemeinderat erschöpfen.
Wenn wir uns zum Ziel setzen eine Stadt für Alle zu schaffen, eine
Stadt, welche sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, nicht an
der Vermehrung und der bestmöglichen Verwaltung des Kapitals, so müssen
wir uns diese Stadt selbst gestalten und erkämpfen. Die Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen überwindet die soziale
Spaltung. Solidarität widerspricht dem kapitalistischen
Konkurrenzprinzip, jedoch nicht dem Fortschritt moderner Technologie. Die solidarische Stadt ist das Produkt kollektiver Gestaltung aller
Bewohner*innen. Sie wird den unterschiedlichen Ansprüchen jedes
Individuums gerecht. Materielle, kulturelle und soziale Güter müssen für
Alle ausreichend zur Verfügung stehen und genutzt werden können.
Luxus für Alle! Für eine Leben, Lieben und Lernen in Freiheit!
Infos zur Spart’s euch! - Kampagne: Spart’s euch! | Demo am 26.07.16
Weitere Aktionen sind für den Herbst geplant.