Stellungnahme zu den Interviews mit den karlsruher Gemeinderatsparteien im QF

Wie die geneigten Querfunk Hörer*Innen wahrscheinlich schon verwundert mitbekommen bzw. gehört haben wurde der AfD im Vorfeld der Gemeinderatswahl in Karlsruhe eine Stunde Sendezeit in Form eines Interviews gewährt. Dies geschah im Rahmen mehrere Sendungen in denen alle Gemeinderatsparteien zu Wort kamen.
Nun ist das Entsetzen bei einigen groß. Auch ein anderes freies Radio hat sich schon zu Wort gemeldet und eine interne Diskussion ist entbrannt was denn da wohl schief gelaufen ist oder auch nicht. Wir als Radio-(A) distanzieren uns natürlich von dem AfD-Interview und halten es für gefährlich menschenverachtenden Inhalten Raum zu geben, wie gut er auch verpackt bzw. wie harmlos er rüber kommt.

Doch sollten wir uns erst einmal überlegen wie so etwas überhaupt möglich war.

Ein selbstverwaltetes Projekt wie der Querfunk lebt von der Beteiligung seiner Mitglieder. Also kann sich jede*r Sendungsmachende*r an den Entscheidungsfindungen und an der Umsetzung dieser Entscheidungen beteiligen. So sollten sich jetzt alle die empört aufschreien überlegen wo sie waren als bestimmte Entscheidungen getroffen und umgesetzt wurden. So auch wir!
Der Plan die Gemeinderatsparteien im Vorfeld der Wahlen zu befragen war durchaus bekannt und es hätte klar sein müssen, dass auch die AfD dazu gehört.
Auch wir waren in letzter Zeit nur spärlich auf den Redaktionsplena, haben uns nicht an Entscheidungen (die uns alle betreffen) und an deren Umsetzung beteiligt. Die, die dies getan haben, sind wie immer die Selben. Aus diesem Grund können wir keine formale Kritik an den Entscheidungen anbringen… aber eine Inhaltliche. Darum soll es im Folgenden gehen.
Wir sollten uns die Frage stellen, was ein Freies Radio ist, woher sie kommen und welche Aufgaben sie haben. Auch wenn uns das AfD-Interview besonders heftig aufgestoßen ist, wundern wir uns wieso überhaupt Parteien eine Plattform gegeben wurde. Sind Radios wie der Querfunk nicht eigentlich dafür da, Gruppierungen und Menschen die Möglichkeit zu geben sich zu artikulieren, die sonst ungehört blieben, die tendenziell in unserer Gesellschaft benachteiligt und ausgegrenzt, deren Meinung unterdrückt werden. Ähnliches steht auf Plakaten im Querfunk. Ebenso das diskriminierende Inhalte im Sender nix verloren haben. Dies sollte zumindest in den Selbstverständnissen jedes freien Radios stehen und tut es auch meist. Nimmt man einfach dies als Grundlage, wird einem*r schnell klar, dass die Diskussion um die Sendezeit des ollen AfD-Schmidt an der Sache vorbei geht. Unsere Kritik besteht nicht daran, sondern dass Parteien überhaupt zur Wahl Raum gegeben wurde.
Ein Fehler den die Verfechter*innen des liberalen, bürgerlichen Staates übersehen, ist der, dass dieser nicht neutral ist. Was ja schon an der Bezeichnung “bürgerlich” zu erkennen wäre. Also ein Staatsgebilde, dass auf bürgerlichen Weltanschauungen, also Ideologie beruht. Diese ist um einiges besser als Monarchie oder ähnliches, da sie zumindest eingeschränkte Teilhabe an politischen Entscheidungen, Meinungs-/ Pressefreiheit und individuelle Rechte gewährt. So weit der Anspruch! Doch gehören dazu auch die Trennung vom Öffentlichen und Privaten, was dazu führt, dass öffentliche Belange, die alle betrifft in die Politik ausgelagert werden und somit die Mitbestimmung der Bevölkerung auf das Abgeben ihrer Stimme reduziert. Weiter ist der Kapitalismus, also ein Wirtschaftssystem das auf der Ausbeutung durch Arbeit, auf Konkurrenz und auf einen sich durch Geisterhand regelnden Markt basiert, nicht von der bürgerlichen Gesellschaft zu trennen. Das erkennt mensch daran, welchen Stellenwert das Eigentum in dieser besitzt… Es ist besonders Schützenswert!
Da beginnt schon die Problematik. Dieses Eigentum ist ungleich verteilt! Dies führt dazu, dass Menschen die über kein oder wenig Eigentum/Kapital verfügen weniger Möglichkeiten der Teilhabe und der Aufstiegschancen haben. Da mögen jetzt wieder einige einwenden, dass es ja unterschiedliche Interessenvertretungsangebote in Form von Parteien gibt, die ja dann gewählt werden könnten, um die Interessen der sog. “kleinen Leute” zu vertreten. Dies hat vielleicht noch in Zeiten der Sytemkonkurenz zwischen kapitalistischem Westen und kommunistischem Osten funktioniert. Als die bürgerlichen demokratischen Staaten noch Angst haben mussten. Aber was steckt eigentlich hinter dieser Interessenvertretung und welche Interessen werden vertreten? Natürlich gibt es unterschiedliche Parteien, die unterschiedliche Menschen ansprechen. Doch bleibt ihr Handlungsrahmen immer auf das Regelwerk der bürgerlichen, kapitalistischen Gesellschaft beschränkt, was eine solidarische Verteilung der Ressourcen verunmöglicht. Wieso? Da diese Ressourcen, also das Eigentum, ungleich verteilt sind und diese Eigentumsverhältnisse per Grundgesetz geschützt sind. Dazu kommt, das spätestens nach dem Zusammenbruchs des “Ostblocks”, der schon in den 1970er und 80er Jahren erstarkende Neoliberalismus (eine radikale Form des Kapitalismus) den Siegeszug angetreten hat und in jeden Bereich unseres Lebens vorgedrungen ist.
Natürlich haben die Parteien noch einen gewissen Gestaltungsrahmen, der die Verwaltung des Bestehenden aber niemals überschreitet. Daher kann es schon sein, dass der Gang an die Wahlurne temporär zu Verbesserungen für einzelne Interessengruppen führen kann. Die Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen einer Gesellschaft (auch nicht annähernd) ist aber nicht möglich.
Was macht die AfD oder andere rechte Parteien nun aber so schlimm? Als erstes ist zu sagen, dass sie bestimmte bürgerliche Werte wie z.B. Eigentum, Nation, Familie und Staat nicht in Frage stellen. Was sie aber über Bord werfen sind liberale Werte, die dem Kapital, nur mal so angemerkt, sogar zugutekommen. Die AfD als aktuelles Beispiel in Deutschland vertritt eine neoliberale Wirtschaftspolitik, handelt aber ansonsten nach völkischer, nationalistischer Agenda, die die Interessenkonflikte innerhalb der deutschen Gesellschaft nach außen projizieren. Sie konstruieren ein einheitliches völkisches “Wir”, dass vor allem, was nicht als deutsch angesehen wird nach innen und außen geschützt werden muss.
Aber auch das macht die AfD nur in einer extremeren Form als das die bürgerlichen Parteien tun. Da sollte mensch auch nicht auf das Europagerede vor Europawahlen rein fallen. Politiker*innen aller Staaten vertreten da auch nur hauptsächlich nationale Interessen bzw. die der jeweiligen Wirtschaft. Wir sehen alltäglich wie die universellen Menschenrechte von den bürgerlichen Staaten überall auf der Welt übergangen werden. Sind es nun die Rechte der Menschen deren Lebensgrundlage durch die Wirtschaftspolitik der EU und somit auch Deutschlands beraubt werden oder die der Menschen, die nach einem menschenwürdigen Leben im Mittelmeer ertrinken. Mal davon abgesehen, dass bestimmte Bürgerrechte und die soziale Teilhabe und Sicherheit vieler in den Zentren des Kapitalismus auch immer weiter eingeschränkt werden (siehe neue Polizeigesetze in mehreren Bundesländern, Harz IV usw.).
Wir sehen den Faschismus als Krisenideologie des Kapitalismus an. Also als eine Ideologie die besonders in Zeiten der im Kapitalismus inne wohnenden Krisen Zulauf erhält. Im Faschismus werden bestimmte bürgerliche Werte pervertiert und sich dessen liberalen Gehalt entledigt.
Spätestens während der “Finanzkrise” ab 2008 und den verlorenen linken Abwehrkämpfen, z.B. in Griechenland, sind rechtspopulistische Parteien erstarkt.
Gegen dieses Erstarken fanden die bürgerlichen Parteien, von links bis rechts, kein Mittel. Wie sollten sie auch. Sie müssten ihre eigene Weltanschauung radikal in Frage stellen. Im Gegenteil verstärkten sie diese Entwicklung durch die Beibehaltung des Status Quo und die Übernahme rechter Forderungen. Auf der anderen Seite scheint sich aus Verunsicherung eine radikale Systemkonformität bis weit in die, sich auch mal radikal gebende, Linke. So wird versucht mit den falschen altbekannten Mitteln das falsche Ganze vor der Barbarei zu retten, anstatt endlich an der Befriedigung der Bedürfnisse aller Menschen zu arbeiten.
Dies ist unserer Meinung nur dadurch möglich, dass die Menschen anfangen ihre Interessen selbst zu vertreten und sich mit Anderen, mit ähnlichen Interessen zu Interessengemeinschaften zusammenzuschließen, um sich um ihre Angelegenheiten selbst zu kümmern. Ihr Leben also selbst zu verwalten!
Hier kommen wir auch endlich dazu, was das nun alles mit dem Querfunk zu tun hat (einem selbstverwalteten Radio). Auch hier scheint die Verunsicherung und der Drang sich an dem beschriebenen Spektakel zu beteiligen so groß zu sein, dass wir als Radio unser eigentliches anliegen vergessen. Kritisch dem gegenüber zu stehen was uns versucht wird “zu verkaufen”, selbstbestimmt unser Leben, in dem Fall Radio zu machen, zu gestalten. Alternativen aufzuzeigen und solidarisch, pluralistisch zu streiten… also Wege zu bestreiten, die vielleicht auch einmal über das bestehende hinausweisen. Statt dessen tragen wir vor lauter Neutralität unbeabsichtigt dazu bei, menschenverachtendes Gedankengut als legitime Meinung zu etablieren.
Wir möchten den Menschen, die die Interviews mit den Vertreter*innen der Gemeinderatsparteien beschlossen und durchgeführt haben aber keine Vorwürfe machen und erst recht nichts unterstellen. Wir gehen davon aus dass dies alles getan wurde um den Querfunk bekannter und beliebter zu machen. Ein erst einmal positives Anliegen, dass aber unserer Meinung nach mit den falschen Mitteln versucht wurde. Wir halten es für kontraproduktiv Parteien, bei rechten Parteien sogar für gefährlich, eine Plattform zu geben und dies sollte nie wieder vorkommen!
Hier sehen wir besonders die Redaktionen des Querfunks in der Bringschuld die sich nun beschweren, aber sich nicht an den Strukturen beteiligen. Andererseits geschieht hier im Querfunk das gleiche wie überall in der Gesellschaft. Aus Angst oder Unsicherheit werden die, die das Bestehende kritisieren als gefährlich oder intolerant angesehen, während Rechten aus falsch verstandener Toleranz der rote Teppich ausgerollt wird.

Lasst uns zwar kritisch, aber auch solidarisch streiten und austauschen!
Lasst uns nach neuen Wegen des Miteinanders suchen!
Hier brauchen wir keine Chefs, Parlamente und keine Konkurrenz!
Lasst uns den Querfunk wieder zu einem Ort werden in dem die Alternative des solidarischen Miteinanders nach außen strahlen kann!

Redaktion von Radio-(A) Juni 2019
(Radio AG der Libertären Gruppe Karlsruhe)

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