Solidarität mit dem geräumten Wagenplatzkollektiv Kommando Rhino
Eine Antwort auf den am 05.08. in der Badischen Zeitung veröffentlichten Artikel "Wie viele Freiräume braucht die Gesellschaft?" von Thomas Hauser.
"Wie viel Egoismus muss sich eine Gesellschaft gefallen lassen?" schrieb Herr Hauser zu Beginn seines Artikels. Ja, das fragen wir uns auch… nur stellt sich uns die Frage, ob Sie, Herr Hauser, den Begriff Egoismus richtig verstanden haben.
Falls Sie sich einmal mit dem Wagenplatzkollektiv Kommando Rhino ernsthaft auseinandergesetzt hätten, würden Sie merken, dass die Lebensweisen, die Ziele und die Aktivitäten der Wagenburgbewohner_Innen keineswegs egoistisch waren. Neben bezahlbarem Lebensraum und alternativer Kultur abseits kapitalistischer Verwertungslogik konnte im Kommando Rhino ein alternatives Miteinander und eine politische Entscheidungsfindung, die möglichst alle (Bewohner_Innen und Besucher_Innen) mit ihren Stärken, Schwächen und Bedürfnissen wahrnahm, erprobt werden. Davon hätte die Stadt Freiburg profitieren können… wollte sie aber nicht. Wieso auch? Es widerspricht einer Gesellschaft, die durch Konkurrenz, Leistungs- und Steigerungszwang gekennzeichnet ist, ernst gemeinte Experimente, die Alternativen aufzuzeigen versuchen, ein Bewusstsein für ein möglicherweise besseres Leben schaffen wollen und nicht auf ein Herumdoktern am falschen Ganzen warten, zu akzeptieren. Ja wieso nicht? Es lässt sich nicht ökonomisch verwerten.
Wenn Sie jetzt damit kommen wollten, das wir ja in einem Sozialstaat leben, in dem die Gemeinschaft für die Schwächeren aufkommt und fragten, wo da der Egoismus sei, könnten wir nur schmunzeln. Viele würden Ihnen hier aber recht geben und sagen: „Ja zum Glück gibt es noch den Staat. Der versucht wenigstens Regelungen zu schaffen, die die Wirtschaft für uns nutzbar macht. Er wird uns auffangen, wenn wir es nicht mehr schaffen.“ Dies ist ein weit verbreiteter Irrglaube (ähnlich wie dieser: „Geht es der Wirtschaft gut, geht es allen gut.“). Die Aufgabe des Staats ist es, Regelungen zu schaffen, die die Wirtschaft am Laufen halten. Er befindet sich in wechselseitiger Abhängigkeit zum Kapitalismus. Der Kapitalismus braucht den Staat, da dieser dafür sorgt, dass die wirtschaftlichen Prozesse reibungslos ablaufen, das private Eigentum geschützt ist und immer genügend billige Arbeitskräfte vorhanden sind. Es wäre, kapitalistisch gedacht, ein Fehler, der Bevölkerung zu viele Freiheiten oder zu viel Grundversorgung zukommen zu lassen. Er, der Staat, steht ja in Konkurrenz mit anderen Staaten oder Wirtschaftsräumen. Also muss er, besonders in „Krisenzeiten“, die sozialen Errungenschaften einschränken und Maßnahmen, wie Hartz IV, Studiengebühren, Privatisierung usw., ergreifen. Diese wiederum steigern die Konkurrenz in der Gesellschaft und somit den Egoismus der Bevölkerung.
Aber lassen wir das mit dem Egoismus. Gehen wir noch auf ein paar andere Punkte von Ihnen ein, die belegen sollen wie dreist und gefährlich die Rhinos seien.
Sie schreiben, dass die Diskussion um Freiräume von vermummten Randalierern beendet worden sei. Vielleicht liegen uns andere Informationen vor oder wir lesen andere Zeitungen und Internetseiten, aber unseres Wissens war es doch die Stadt, die gesagt hat, es gäbe genügend Freiräume in Freiburg und die den Wagenplatz, ohne ernsthaft Alternativen zu suchen, räumen ließ. Es gebe genügend Freiräume in Freiburg, scheint auch nicht so recht zu stimmen. Wieso gibt es denn sonst eine so starke und heterogene Freiraum-Bewegung in Freiburg? Wenn Sie die Meldungen in den Nachrichten der letzten Jahre aufmerksam verfolgt haben, müssten Sie wissen, dass immer wieder Aktionen zum Thema stattfinden, an denen sich Menschen aus allen möglichen Schichten der Gesellschaft beteiligen.
Diese Freiräume dienen Ihrer Meinung nach nur einer Minderheit und unsere „Demokratie“ ist dafür da, die Meinung der Mehrheit zu vertreten. Es gibt sogar ein Recht, das Minderheiten Freiräume zugesteht, weshalb die, die gegen besseren Wissens (wohl das Wissen der Mehrheit?!) noch mehr Freiräume fordern, aufhören sollen. Die, die immer noch mehr Freiräume wollen oder die schon in einem leben, sind ja elitär und undemokratisch, sie stellen das Gewaltmonopol des Staats in Frage und sogar den Staat an sich. Es benötige aber nun mal den Staat damit kein „Mord und Totschlag“ auf der Welt herrsche. Hier müssen wir Ihnen wieder widersprechen. Wieso? Wir denken, dass wir die Antwort oben schon ausreichend ausgeführt haben. Aber gehen wir doch noch auf dieses „Mord und Totschlag“ ein. Diese Welt voller Staaten ist geprägt von “Mord und Totschlag”. Dem könnten sie vielleicht zustimmen. Was Sie aber bestreiten werden, ist die Tatsache, dass die meisten „Morde und Totschläge“, sowie Raub, Diebstahl und andere zivilgesellschaftliche „Straftaten“ nicht aus reiner Boshaftigkeit begangen werden, sondern meist deswegen, da es in unserer Gesellschaft bestimmte Vorstellungen von Besitz gibt, der, logischerweise, da Kapitalismus, ungleich verteilt ist. D.h., dass Menschen, aus Mangel oder da es Ihnen eingeredet wurde, mehr besitzen zu müssen (Stichwörter: Ansehen, Werbung usw.), dazu getrieben werden, sich über die „Besitzrechte“ anderer hinweg zu setzen. Und was macht der Staat? Er reagiert mit Repression gegen die, die von ihm und vom Kapitalismus in die „Illegalität“ getrieben werden. Anstatt die Probleme, die durch das kapitalistische Wirtschaften entstehen, anzugehen, bestraft er die, die als Verlierer_Innen aus diesem hervorgehen und natürlich die, die versuchen, die Ursachen kritisch zu hinterfragen und zu überwinden. Wie wir oben beschrieben haben, ist auch nichts anderes von ihm zu erwarten.
Wir möchten auch noch einmal über Ihre sogenannte Mehrheit reden, die ja notwendig sei, um Veränderungen zu legitimieren. Mal davon abgesehen, dass, wie wir aus der Vergangenheit gelernt haben müssten, die Mehrheit nicht unbedingt Recht hat, möchten wir darauf eingehen, was die Mehrheit in unserer schönen Demokratie zu sagen hat. Das geht recht schnell: die Bürger_Innen dürfen alle paar Jahre wählen, welche Partei das Sagen hat. Also die Partei oder Parteien, die die Mehrheit an Stimmen bekommen, darf bzw. dürfen sagen, wie es zu laufen hat. Nur leider vertreten diese Parteien die Interessen der Wähler_Innen nur bedingt. Sie sind, als Vertreter_Innen des Staates, von der Wirtschaft beeinflusst. Die Wirtschaft hat nämlich die stärkste Lobby (Interessenvertretung). Lobbys sind aber auch nichts Böses. Jede_r die/der sich mit unserem politischen System auseinandergesetzt hat, wird wissen, dass diese zur politischen Gestaltung dazu gehören und jede Gruppierung das Recht hat, sich durch eine Lobby vertreten zu lassen. Nur tritt hier das Problem auf, dass nicht jede Interessengruppe die gleichen Ressourcen hat, ihre Anliegen zu vertreten. Die Problematik und was dies alles mit dem Konflikt um Kommando Rhino zu tun hat, müsste klar sein.
Es
müsste nun klar geworden sein, wieso es wichtig ist, die
bestehenden Regeln und Verhältnisse zu hinterfragen und wieso es
einige Menschen für angebracht halten, dies auch ohne die Mehrheit
im Rücken zu tun.
Wir hoffen auch, dass klar geworden ist, dass
wenn von gewaltsamem Widerstand geredet wird, auch die
systematische Gewalt des Staates, des Kapitalismus und der
Polizei berücksichtigt werden muss… egal wie die/der Einzelne zu
„gewaltsamen“ Protestformen steht, sollte dies bei der
Beurteilung der Geschehnisse immer berücksichtigt werden, um die
Heuchelei der Offiziellen und Medien zu durchschauen.
Zum Abschluss möchten wir noch auf einige Fehlermeldungen aufmerksam machen, die zum größten Teil, wenn überhaupt, nur spärlich richtig gestellt wurden: Der angeblich verprügelte Porschefahrer, die angeblich mit Molotovcocktail angegriffene Feuerwehr und Polizei usw.. Einiges dazu zb. hier: linksunten.indymedia.org/de/node/44926
In diesem Sinne:
Solidarität mit Kommando Rhino und allen autonomen Plätzen weltweit!
Für ein schönes, solidarisches und freies Leben aller, ohne Hierarchie und Leistungszwang!
Gegen staatliche und mediale Hetze!
Gegen Staat und Kapitalismus!
Für die Anarchie!
Eure freundlichen Anarchisten_Innen des Anarchistischen Netzwerk Südwest*
Ps.: Auf die Verlinkung des am 05.08. in der Badischen Zeitung veröffentlichten Artikel „Wie viele Freiräume braucht die Gesellschaft?“ von Thomas Hauser haben wir bewusst verzichtet.