Rede auf der Kundgebung: Solidarität mit allen Streikenden am 14. November
Solidarität
– Europaweit, Global…
Wenn
heute in Spanien, Portugal, Malta und Zypern und übermorgen in
Griechenland und Italien Millionen von Menschen ihre Arbeit
niederlegen und gemeinsam mit Jenen, die bereits keine Arbeit mehr
haben, auf die Strassen und Plätze ihrer Städte ziehen werden, dann
ist das ein historischer Moment. Denn zum ersten Mal findet ein
Generalstreik in weiten Teilen Europas statt und endet damit nicht an
der Grenze eines Landes. Seit einiger Zeit schon nimmt der
soziale Protest europaweit zu. Ländern wie Griechenland, Portugal
oder Spanien werden diesselben Verarmungsprogramme diktiert, wie in
den Jahren zuvor den Ländern der sogenannten Dritten Welt.
Leidtragende sind stets und überall die breiten Massen der Unter-und
Mittelschicht. Die freie Journalistin, die keine Aufträge mehr
bekommt, die Personalchefin, die ihren Posten räumen muss, der
Fabrikarbeiter, der seit sechs Monaten auf seinen Lohn wartet – sie
Alle sehen nichts von den Milliarden, die in den Finanzsektor gepumpt
werden, um ihre Länder für die internationalen Investoren wieder
attraktiv zu machen. Stattdessen können sie sich dauerhaft in der
Armutsfalle einrichten, denn das Ziel der „Rettungsprogramme“ ist
es nicht, dass Leben der Menschen zu verbessern. Wichtig ist es, die
Märkte zu „beruhigen“, damit das anlagesuchende Kapital wieder
einen halbwegs sicheren Hafen anlaufen kann.
Auf der anderen Seite füllen
sich die Suppenküchen in Athen und Madrid, schnellen die
Selbstmordraten nach oben, können schwerkranke Menschen nicht mehr
behandelt werden, da es in den Hospitälern am Nötigsten mangelt.
Doch für uns sind diese Menschen die Verursacher dieser Krise. Wir
wissen plötzlich alle, wie faul die Südeuropäer doch sind und dass
nur am deutschen Wesen die Welt genesen kann. Abgrenzung und
Nationalismus sind wieder en vogue. Statt die Dinge wirklich zu
hinterfragen, lassen wir uns von den Medien und der Politik vor den
neoliberalen Karren spannen. Müßig ist es dabei zu erklären, dass
die Wochenarbeitszeit griechischer Arbeitnehmer deutlich über dem
deutschen Durchschnitt, Renten und Löhne aber klar unter dem
deutschen Niveau liegen. Letzten Endes kommt es darauf aber auch gar
nicht an. Die Frage ist doch eher, wie lange wir es noch akzeptieren
können, dass weltweit und nun auch mitten in Europa die Leben vieler
Menschen zerstört werden, nur damit ein kaputtes Wirtschaftssystem
am Laufen gehalten werden kann. Welchen Grad an Elend benötigt es,
damit auch die Menschen hierzulande die Geduld verlieren und damit
anfangen, dass zu tun, was die Menschen in Südeuropa bereits tun.
Nämlich mit direkten Aktionen Widerstand zu leisten, Plätze und
Fabriken zu besetzen, sich in Nachbarschaftsversammlungen zu
organisieren und sich untereinander zu helfen. Kurz: Zusammen zu
stehen! Von der angeblichen Agonie, von der uns die Regierenden immer
wieder erzählen wollen, ist unter diesen Menschen nichts zu spüren.
Wer Desinteresse und Agonie erleben möchte, sollte sich in deutsche
Einkaufsstrassen begeben…
Klar
ist, dass Staat und Kapital diesen Widerstand nicht hinnehmen können.
In den Polizeistationen Athens und Thessaloniki werden Festgenommene
mit Elektroschocks gefoltert, erniedrigt und mit fingierten Anzeigen
überzogen. Die Zusammenarbeit der griechischen Polizei mit Neonazis
ist ein offenes Geheimnis. Der spanische Staat reagiert ebenfalls
zunehmend repressiv. Im April wurde eine drastische Verschärfung des
Demonstrationsrechts beschlossen. Jetzt kann auch passiver Widerstand
als Angriff gegen die Staatsgewalt gewertet und mit einer
Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden. Des Weiteren
werden Aufrufe zu zivilem Ungehorsam genauso geahndet, wie die
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Demonstrationen,
welche die öffentliche Ordnung stören, sollen als Straftaten
behandelt werden. Gewerkschaften, Parteien und alle politischen
Gruppen, die zu Protestaktionen aufrufen, werden damit bereits im
Vorfeld kriminalisiert.
Wie absurd die Vorgehensweise
des spanische Staates ist, zeigt das folgende Beispiel: Am 24. April
2012 wurde die Organisationssekretärin der anarchosyndikalistischen
Gewerkschaft CGT Barcelona – Laura Gomez – auf dem Weg zur Arbeit
von einer Spezialeinheit der Polizei festgenommen. Grund der
Festnahme war eine symbolische Aktion während des Generalstreiks am
29. März, bei der vor der Barceloneser Börse Banknotenimitate in
einem Pappkarton verbrannt wurden. Bei der Aktion waren sowohl
PressevertreterInnen als auch die Polizei anwesend. Laura Gomez wurde
infolgedessen wegen Brandstiftung angeklagt. Nach internationalen
Protesten und Solidaritätskundgebungen sowie einem Schreiben von
einhundert spanischen AnwältInnen, die dieses Vorgehen als
ungesetzlich anprangerten, wurde sie am 17. Mai gegen eine Kaution
von 6.000 Euro wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft
fordert indes eine Gefängnisstrafe von bis zu 36 (!) Jahren.
AktivistInnen nehmen mittlerweile an, dass es „Schwarze Listen“
mit GewerkschafterInnen gibt, die kalt gestellt werden sollen.
Das Alles ist ein Vorgeschmack
darauf, was uns auch hierzulande erwarten könnte. Denn die
kapitalistische Krise war bis vor wenigen Jahren noch weit weit weg,
fern von hier in den Ländern der sogenannten Dritten Welt. Nun hat
sie den Sprung über das Mittelmeer geschafft und steht in den
südlichen Teilen Europas. Von da aus ist ein Katzensprung nach
Zentraleuropa. Aller wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen zum Trotz,
nimmt auch hierzulande die Armut weiter zu. Über 25% aller
Erwerbstätigen arbeiten im Niedriglohnsektor und kommen mit ihrem
Geld kaum über die Runden. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
bleibt ihnen verwehrt. Doch statt diesen und anderen Menschen zu
helfen, werden lieber die Investoren unterstützt und die Bundeswehr
zu einer Interventionsarmee aufgerüstet. In unser aller Interesse,
versteht sich. Oder vielleicht doch nicht?
Machen wir uns nichts vor: Die
Krise ist mittlerweile kapitalistischer Normalzustand. Die Politik
dient letztlich nur dazu, dieses Wirtschaftssystem am Laufen zu
halten. Die Bevölkerung stört im Zweifelsfall nur, wobei es egal
ist, um welches Land es sich hierbei handelt. Allzu durchsichtig ist
der Versuch, den Standortnationalismus zu befeuern und die Menschen
gegeneinander aufzuhetzen.
Beginnen wir also, die Dinge zu
hinterfragen und nehmen wir uns ein Beispiel an den Millionen
Menschen in Spanien, Portugal, Malta, und Zypern, die heute die
Plätze ihrer Städte füllen und ein erstes eindrucksvolles Zeichen
europaweiter Solidarität aussenden.
Für
grenzenlose Solidarität statt beschränktem Nationalismus!!!