[Lichtenhagen]“Das Problem heißt Rassismus – 20 Jahre nach den Pogromen”
Pressemitteilung des gleichnamigen Bündisses
Das Bündnis “20 Jahre nach den Pogromen – Das Problem heißt Rassismus” wertet den antirassistischen Gedenk- und Aktionstag am 25.08.2012 als großen Erfolg. Nach intensiver Mobilisierung in Rostock und im gesamten Bundesgebiet wurde auf der Kundgebung am Rostocker Rathaus, der Bündnisdemonstration in Rostock-Lichtenhagen und dem abschließenden Konzert am Sonnenblumenhaus ein entschlossenes Zeichen gegen gesellschaftlichen Rassismus gesetzt. Tausende Demonstrant_innen waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Das politische Anliegen des Bündnisses konnte deutlich vermittelt werden. Dazu erklärt das Bündnis:
“Das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen war kein Betriebsunfall der Nachwendezeit. Dumpfe Ressentiments und rassistische Sondergesetze bestimmen noch heute den Alltag von Asylsuchenden und Migrant_innen. Der Kampf gegen gesellschaftlichen und staatlichen Rassismus geht weiter!”
Auf der KUNDGEBUNG am Neuen Markt versammelten sich ab 11 Uhr ca. 2.500 Menschen. In einer eindrucksvollen Rede schilderte Abou Bacar Sy seine Erfahrungen im Mecklenburg-Vorpommerschen Erstaufnahmelager Horst und unter dem die systematisch Menschenwürde verletzenden deutschen Asylregime – mit Lagerunterbringung, Residenzpflicht, Gutscheinsystem, dauerhaft unsicherem Aufenthaltsstatus, ständigen Polizeikontrollen und rassistischen Bemerkungen im Alltag. Dazu erklärt das Bündnis: “Nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen wurde das Asylrecht faktisch abgeschafft. Seither werden Flüchtlinge systematisch diskriminiert. Der rechte Mob hat seinen Willen bekommen – bis heute. Das ist der Skandal dieses Jahrestags.”
Im Rahmen einer antirassistischen Kundgebung am Rostocker Neuen Markt konnten Vertreter_innen der ‘Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes’ (VVN) ein Replikat jener GEDENKTAFEL am Rostocker Rathaus anbringen, die unmittelbar nach dem Pogrom 1992 von den aus Frankreich angereisten Gruppe ‘Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs’ um Beate Klarsfeld anzubringen versucht wurde. Die Stadt Rostock hatte die Tafel seinerzeit umgehend entfernt, 43 Aktivistinnen und Aktivisten wurden festgenommen. Die Stadt Rostock hat bis zuletzt gezögert, die Anbringung zuzulassen. Eine in letzter Minute vorgeschlagene Übergabe des Replikats an die Stadt wurde vom Bündnis abgelehnt. Angesichts der Entschlossenheit des Bündnisses hat die Stadt schlussendlich doch eine Befestigungsmöglichkeit neben dem Haupteingang des Rathauses vorbereitet.
Dazu erklärt das Bündnis: “Mit unserer entschlossenen Aktion haben wir 20 Jahre nach dem Pogrom das erste Gedenkzeichen in Rostock durchgesetzt. Noch immer wird Rassismus verdrängt oder in verharmlosende Gedenkrituale gepresst.”
An der DEMONSTRATION am Nachmittag durch Rostock-Lichtenhagen beteiligten sich 6.500 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet. Auf der Auftaktkundgebung am S-Bahnhof Lütten Klein, zwei Zwischenkundgebungen und der Abschlusskundgebung am Sonnenblumenhaus sprachen mehr als 20 antirassistische und antifaschistische Initiativen sowie ein Vertreter der ver.di Jugend. Der kilometerlange, entschlossene Demonstrationszug setzte damit ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Neofaschismus im Alltag.
Dazu erklärt Bündnissprecher Jochen Thelo: “Rassismus ist kein Randphänomen, er wächst in der Mitte der Gesellschaft. Klar ist aber auch: Wo immer rassistische Gewalt aufbricht, müssen und werden wir entschlossen einschreiten.”
Nach der Abschlusskundgebung am Sonnenblumenhaus ging die Demonstration vor Ort in eine KUNDGEBUNG samt KONZERT über. Die Theatergruppe ‘Bühne für Menschenrechte’ präsentierte das Stück ‘Asylmonologe’, das auf Erfahrungsberichten von Flüchtlingen im deutschen Asylregime beruht. Das Berlin Boom Orchestra, Kobito, Frittenbude und die Rostocker Band FeineSahneFischfilet brachten Tausende zum tanzen.
Zum für heute geplanten Gedenkakt der Stadt mit Bundespräsident Joachim Gauck erklärt Bündnissprecher Thelo: “Stadt und Staat behaupten, sie hätten aus den Pogromen “gelernt”. Gleichzeitig läuft die Abschiebemaschinerie reibungslos, und Ressentiments sind alltäglich, heute insbesondere der antimuslimische Rassismus. Dass im Andenken an das deutsche Pogrom von Lichtenhagen ausgerechnet eine deutsch Eiche gepflanzt werden soll, offenbart die politische Ignoranz der Volksvertreter.