Kurze Zusammenfassung der Antifademo und Antinaziproteste am 11.03.2017 in KA – Redebeitrag der Libertären Gruppe Karlsruhe
Für den 11.03.2017 haben verschiedene antifaschistische und linksradikale Gruppen zu einer antifaschistischen Demonstration in Karlsruhe aufgerufen.
Anlass für diese Demonstration sind die seit über zwei Jahren regelmäßig statt findenden Naziaufmärsche und der damit verbundene Umgang der Stadt Karlsruhe mit rechten Umtrieben. Mehr als einhundert Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen wurden im Jahr 2016 in Karlsruhe dokumentiert. Dabei sind Aktivitäten von AfD und ähnlichen rechtspopulistischen Gruppierungen nicht berücksichtigt.
An der antifaschistischen Demonstration am 11.03.2017 nahmen bis zu zweihundertfünfzig Personen teil. Nach einer Startkundgebung auf dem Kronenplatz zog die Demonstration durch die gut besuchte Karlsruher Innenstadt zum Stephanplatz.
Auf dem Marktplatz kam es zu einem kurzen Zwischenfall, als eine Person, die Parole „frei, sozial und national“ -rufend auf die Demo zu lief. Da die Polizei ein Einschreiten für nicht geboten sah, wurde der Person von mehreren Antifaschist*innen einen Platzverweis erteilt. Dies hatte drei vorübergehende Ingewahrsamnahmen und einen polizeigeschützten Abzug des Nazis zur Folge.
Auf zwei Zwischenkundgebungen am Marktplatz und auf dem Ludwigsplatz folgten weitere Redebeiträge. Diese beschäftigten sich hauptsächlich mit den rechten Umtrieben vor Ort, die gesellschaftlichen Zusammenhänge und dem Tag der deutschen Zukunft, welcher am 03.06.2017 in Karlsruhe stattfinden soll.
Die Demonstration wurde von der Karlsruher Bevölkerung interessiert verfolgt und trotz ihres eher radikalen Erscheinungsbildes positiv aufgenommen.
Alle Antifaschist*innen schlossen sich im Anschluss den Protesten gegen den Naziaufmarsch von „Karlsruhe wehrt sich“ an. Dank des lauten Gegenprotestes konnten sich die Nazis außerhalb ihrer eigenen Kundgebung kein Verhör verschaffen. Ihr Aufmarsch wurde durch eine antifaschistische Spontandemo begleitet und vor dem Bundesverfassungsgericht gestoppt.
Die öffentlichen Diskussionen um den Polizeieinsatz am 17.02.2017 und der Umgang der Stadt mit den Naziprotesten dürften ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass die Nazis nicht direkt vor das BVG ziehen sollten. Damit wurde unter anderem auf den Einsatz der Reiterstaffel verzichtet.
Ester Seitz war mit diesem Umstand nicht glücklich. Ihrer Aufforderung die antifaschistische Spontankundgebung aufzulösen kam die Polizei nicht wie gewohnt nach. In ihrem Zorn verweilten die Nazis vor dem Amtsgericht bis die Polizei ihre Demonstration gegen 22 Uhr auflöste. So verwehrten sie sich selbst einen Rückmarsch mit eventueller Abschlusskundgebung.
Im Bezug auf den antifaschistischen Protest rief die Libertäre Gruppe Karlsruhe im Vorfeld zu einer anarchistischen Beteiligung auf.
Ein Hochtransparent mit der Aufschrift „Solidarische Perspektiven entwickeln – rechte Umtriebe stoppen!“ zierte den hinteren Teil der Demonstration. Das Motto deutet auf eine Kampagne der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen hin, welche mit Blick auf die Bundestagswahl in Kürze starten wird. Diese wird in den kommenden Monaten auch in Karlsruhe präsent sein.
Die Zwischenkundgebung auf dem Marktplatz füllte die Libertäre Gruppe mit einem Redebeitrag, welcher sich ebenfalls an die Kampagne anschließt und im Folgenden dokumentiert wird:
Neuer Kapitalismus, neuer Faschismus, alte Probleme
Antifaschismus in die Offensive!
Immer mehr rutschen wir in die Anonymität und Individualität ab, statt ein gemeinschaftliches und kollektives Leben zu führen.
Denn: Wir leben im Kapitalismus. Und damit in einer Ellenbogengesellschaft, die von einem ständigen Konkurrenzkampf geprägt ist. Während uns unser Konkurrenzdenken dazu bringt, nach unten zu treten, buckeln wir nach oben.
Dabei sind die, die treten selbst auch schon auf der Strecke des kapitalistischen Systems geblieben. Die „Abgehängten“, die „Protestwähler“, die keinen anderen Ausweg mehr sehen als rechte Parteien wie die AfD zu wählen und sich auf Seiten der Pegida zu stellen.
Doch der Schwache muss sich immer den Schwächeren suchen. Die Ausländer, die Geflüchteten, die Anderen.
Wie konnte es dazu kommen?
Die Ungleichverteilung von Macht und Wohlstand stellt ein großes Problem dar - weltweit - auch in Deutschland. Heute leben in Deutschland über 15 Prozent der Bevölkerung an der Armutsgrenze. Das sind 13 Millionen Menschen. Während sich bei einigen wenigen immer mehr Reichtum anhäuft.
Wir, die einfachen Bürger, werden entmündigt und entmachtet. Während Hunger herrscht, werden Lebensmittel einfach weggeworfen.
Oder um es mit K.I.Z. zu sagen: „Vornem prallgefüllten Schaufenster an Hunger krepieren, wegen bedrucktem Papier. (Das ist Geld)“
In ganz Deutschland, wie auch hier in Karlsruhe, wurden soziale Probleme jahrelang
vernachlässigt. Vor allem dieses Jahr wurden massive Kürzungen im kulturellen, sowie im sozialen Bereich vorgenommen. Auch im Bildungssystem treten die Probleme immer deutlicher hervor. Forschung und Lehre haben schon längst das Ideal eines freien Erkenntnisgewinns verlassen. Stattdessen wurde das Bildungssystem umgebaut im Sinne des kapitalistischen Verwertungsgedankens. Die Bildung dient nur noch der wirtschaftlichen Verwertung des Menschen.
Die Ungleichverteilung von Macht und Wohlstand teilt die Gesellschaft in oben und unten, in arm und reich, in beherrscht und herrschend. Dabei werden immer mehr Menschen abgehängt und in die Armut gedrängt. Soziale Probleme werden lediglich verwaltet, statt angegangen. Durch diese reine Verwaltung sozialer Probleme, droht ein unkontrollierbarer sozialer Konflikt.
Doch aus diesem sozialen
Konflikt wird derzeit ein nationaler Konflikt gemacht. Nation und
Volk werden zum Gegenstand der Debatte gemacht. Diese Begriffe
(Nation und Volk) sollen im Bewusstsein der Bevölkerung verankert
werden. Diese Etablierung eines völkischen Ideals führt zu einer
noch strikteren Abgrenzung von anderen Nationen. Diese zunehmende
Identifikation der Menschen mit Nation und Volk stärkt das
Gemeinschaftsgefühl innerhalb einer Nation. Und durch dieses
Gemeinschaftsgefühl findet ein Perspektivenwechsel statt. Von den
sozialen Problemen innerhalb der eigenen Gesellschaft, wandert der
suchende Blick nach den Schuldigen nach außen. Die inneren sozialen
Probleme treten in den Hintergrund.
Statt dem Arbeitgeber oder dem Staat sind plötzlich Geflüchtete oder bis vor Kurzem “die Griechen” der Grund für die eigene schlechte Lage. Die Identifikation mit Nation und Volk lässt Ausbeutungsverhältnisse und soziale Ungleichheit vermeintlich erträglicher erscheinen.
Der Kapitalismus führt uns immer wieder in Krisen und bewaffnete Konflikte weltweit. Die Profite für die Wirtschaft durch Rüstung, Krieg und Wiederaufbau lassen sich nicht abstreiten. Kriege und Krisen dienen dem Kapitalismus als Treibstoff. Vielleicht ist so auch zu erklären, dass noch immer Krieg als Mittel zur Lösung sozialer Konflikte gesehen wird.
Dies erleben wir heute im mittleren Osten.
Alternative
Unsere Aufgabe als Antifaschisten ist es nicht nur Kritik aufzuzeigen und unerbittlich den Finger in die Wunde zu legen, sondern auch Alternativen aufzuzeigen. Unsere Welt muss nicht so aussehen wie sie es aktuell tut.
Wir streben eine Welt ohne Nation, Kapitalismus und ohne Patriarchat an.
Diese Welt soll frei von Rassismus, Sexismus, Homo-, Trans- & Biphobie sein. Wir wollen die aktuell vorherrschenden Machtverhältnisse aufbrechen.
Es liegt an uns eine neue Welt zu gestalten. In eigener Verantwortung zu leben, ohne regiert zu werden.
Die solidarische Selbstverwaltung ist unser Ziel. Dazu braucht es selbstorganisierte
Versammlungen, Räte und Deligiertenversammlungen.
Werdet aktiv in eurer Stadt!