Kundgebung 09.09. in Kassel: Für einen radikalen Feminismus. Keine halben Sachen.

Das neu gegründete Bündnis drift – feminist alliance for communism ruft zu einer wichtigen Kundgebung am 09. September in Kassel auf. Wir teilen hier den Aufruf – auch wenn ihr es nicht zur Kundgebung schafft lohnt sich die Lektüre:


Für einen radikalen Feminismus.
Keine halben Sachen.
Fight nationalism! Fight islamism!

Kassel – irgendwo in Deutschland, irgendwo in Europa.

In Kassel findet derzeit zum 14. Mal die documenta statt. Obwohl es in der diesjährigen documenta viel um Rassismus und Sexismus geht, bleibt das politische Klima in der Stadt selbst für die BesucherInnen quasi unsichtbar: Der reibungslose Ausstellungsbesuch ist wichtiger als Stadtpolitik – daran ändern auch Sparziergänge durch Kassel nichts, die erstmals Teil der documenta sind. Zwar thematisieren sie „Vertreibung und Migration“ oder „Verstrickung von Kunst, Politik und Wirtschaft“, doch gehen sie auf die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort nicht ein.

Nur eine bedeutende Ausnahme gibt es: Das Projekt „Gesellschaft der Freund_innen von Halit“ beschäftigt sich im Rahmen der documenta mit der Ermordung Halit Yozgats durch den NSU. Es skandalisiert auch den strukturellen Rassismus der Behörden und dass der Verfassungsschutz tief in den NSU-Komplex verstrickt ist. Rassismus in Kassel bleibt wenigstens hier nicht unerwähnt!

Das ist wichtig, denn Rassismus ist in Kassel – wie andernorts – Alltag und völkischen Nationalismus gibt es hier in vielen Formen: Burschenschaften, die im Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert sind und damit offen zu einem geschichtsrevisionistischen, deutschnationalen und rassistischen Club gehören. Rechte KSV-Fans, die im Staditon und außerhalb immer wieder Leute angreifen, die sie für Linke halten. Christliche FundamentalistInnen, die immer wieder zu Events einladen, bei denen sie offen ihre antifeministischen, homophoben und reaktionären Positionen gegen Abtreibung verbreiten. Der Pegida-Ableger, der seit Ende 2014 unter dem Namen Kagida in seiner Hochzeit bis zu 200 Nazis, VerschwörungsideologInnen und andere „besorgte BürgerInnen“ zu seinen rassistischen Kundgebungen mobilisierte. Sie alle sind in Kassel heimisch.

Da wundert es auch nicht, dass die AfD im März 2016 mit elf Prozent in die Stadtverordnetenversammlung einzog. Das ist ein Ausdruck der Kassler Verhältnisse und da gibt’s auch nichts schönzureden: Ein großer Teil der Kassler_innen wählt eine sexistische und rassistische Partei.

Eine unversöhnliche Perspektive

Als Feminist_innen sind wir notwendig Gegner_innen des völkischen Nationalismus, der immer sexistisch ist, egal ob von christlichen LebenschützerInnen, Neonazis oder der AfD: Weil er sich die Nation als einen „Volkskörper“ vorstellt, der verletzt und bedroht werden kann, ist im völkischen Nationalismus ganz klar, was die Rollen von Frauen* und Männern sein müssen:

Frauen* sollen für den Erhalt dieses „Volkes“ sorgen, indem sie möglichst viele und „deutsche“ Kinder bekommen. Die oft erhobene Forderung danach, die „eigene deutsche Frau“ vor „dem schwarzen Mann“ zu beschützen, ist seit dem Kolonialismus tief in den rassistischen Alltag eingeschrieben. So was wie Selbstbestimmung von Frauen* über ihren Körper, mühsam von den Frauenbewegungen erkämpft, bekämpfen völkische NationalistInnen deshalb.

Für Männer hingegen gilt ein männerbündisches Ideal der kämpferischen Kameradschaft, das man aus urschenschaften und Hooligan-Cliquen kennt.
Die Härte, die da gepflegt wird, richtet sich im Endeffekt gewalttätig gegen Frauen*, Lesben, Schwulen und alle, die von Geschlechternormen abweichen.

Einem Gesellschaftsentwurf, in dem der männliche Körper eine Waffe und der weibliche Gebärmaschine sein soll, in dem jede sexuelle Lust, die nicht dem „Erhalt des Volkes“ gilt, unterdrückt und in dem ein dauernder Kampf gegen die inneren und äußeren FeindInnen geführt wird, stellen wir uns entschieden entgegen!

Neben seinen repressiven Geschlechternomen war (völkischer) Nationalismus immer auch rassistisch und antisemitisch. Rassismus drückt sich heute allerdings meistens in der Chiffre der „Islamkritik“ aus. So lassen sich unter dem Label stumpfe Ressentiments von „den Fremden“ pflegen, die nicht mehr als unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Interessen erscheinen.

Ein Neidverhältnis

Wir meinen: In diesem Mechanismus ähneln sich völkischer Nationalismus und Islamismus, obwohl sie einander so sehr verachten. Beide sind patriarchale Vergemeinschaftungsideologien, die eine männerbündische Herrschaft über Frauen* versprechen und individuelle Befreiung bekämpfen.

Beide sind kein Rückfall in vergangene Zeiten, sondern Produkte der kapitalistischen Verhältnisse, in denen wir leben. Beide bieten das Versprechen auf eine sinnstiftende Gemeinschaft, die ökonomische und soziale Krisenerfahrungen der Moderne abfedern soll.

Der europäische Islamismus wird dabei vorrangig im direkten sozialen Umfeld politisch wirksam, tritt in Form von Infoständen und Aktionen im Alltag in Erscheinung oder orientiert sich in Richtung Naher Osten: Aus Kassel schlossen sich mehrere Personen dem Islamischen Staat an und reisten nach Syrien. Und nicht zuletzt geht vom Europäischen Islamismus die permanente Gefahr von Terroranschlägen aus.

Der völkische Nationalismus kämpft darum, seine Begriffe in sozialen Netzwerken und anderen Medien zu etablieren. Er agiert gewalttätig auf den Straßen und verbreitet alltäglich mit Brandanschlägen auf Unterkünfte für Geflüchtete rassistischen Terror. Durch kontinuierliche Vernetzung, Lobby- und Kampagnenarbeit sowie durch einen aggressiven Wahlkampf drängt der völkische Nationalismus in die staatlichen Institutionen. So schickt sich die AfD an, als parlamentarische Vertretung des völkischen Nationalismus in das deutsche Parlament einzuziehen.

Mit ihren verschiedenen Ideologien und Strategien sind sowohl der Islamismus als auch der völkische Nationalismus eine Bedrohung für alle, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie beide sind eine Bedrohung für unsere Idee einer befreiten Gesellschaft. Deswegen wollen wir ihnen entschlossen entgegentreten!

Eine Einladung

Weil wir die Aufmerksamkeit der documenta nutzen wollen, um auf die Strukturen der hiesigen völkischen Rechten und des örtlichen Islamismus aufmerksam zu machen, und weil bald Bundestagswahlen sind, wollen wir als Bündnis drift – feminist alliance für communism mit unserer Kundgebung genau diese zum Thema machen!

Wir rufen auf, am 9. September an unserer Kundgebung Für einen radikalen Feminismus! Keine halben Sachen! Fight nationalism! Fight islamism! teilzunehmen!

Wir wollen uns gegen völkischen Nationalismus und Islamismus wenden, die wir als zwei Spielarten der Antimoderne begreifen. Wir wollen eine Diskussion über feministische und queere Gesellschaftskritik voranbringen. Und wir wollen dabei der documenta einen Vorschlag zu einem Spaziergang entgegenstellen, der deutlich macht, dass in einer Stadt wie Kassel FeindInnen der Emanzipation aller Couleur zu finden sind.

Kommt daher am 9. September nach Kassel!

Kundgebung: 14:00 Uhr Opernplatz / Kassel

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