Internationales Publikum beim Zrenjaniner Antifa-Festival
Mit einer ambitionierten Auswahl an Themen luden die Aktivist_innen aus der nord-serbischen Stadt Zrenjanin vom 30. September bis 2. Oktober zum diesjährigen Antifa-Festival nach Zrenjanin. Neben den Diskussionen und Podiumsdiskussionen, gab es eine anarchistische Büchermesse, sowie eine Musik-Festival und eine Party. Das alles wurde organisiert im zentral gelegenen öffentlichen Kulturzentrum der Stadt.
Laut Veranstalter_innen, war das diesjährige ZAF das bisher erfolgreichste mit Besuchern aus der ganzen Welt. So waren Gäste aus Deutschland, Österreich, Kroatien, Griechenland, Bulgarien, Italien, den USA und Australien dabei. Auch viele Jugendliche und Interessierte aus Zrenjanin nahmen an den politischen und kulturellen Veranstaltungen teil.
Neben den Aktivitäten der Antifa in Novi Sad, in Zagreb und Pula (Istrien) oder das jüngst auf die Beine gestellte Antifa-Festival in Mostar (Bosnien), ist das ZAF eines der wichtigsten Ereignisse alternativer und linksradikaler Kultur auf dem Balkan.
Der erste Tag begann mit der Vorstellung des Verlages Anarhija/blok 45 durch Aleks Golijanin. Dieses Kollektiv aus Belgrad bemüht sich internationale Literatur auf den serbischen Markt zu bringen, die sich kritisch mit dem Phänomen der Massengesellschaft und der Warenproduktion auseinandersetzt. Um die Spielregeln des kapitalistischen Normalbetriebs zu umgehen, werden die Publikationen zu einem Teil kostenfrei an die Leser_innen weitergegeben. Das Kollektiv bemüht sich darum alternative Distributionswege zu gehen und eine besondere Beziehung zur Leser_innenschaft aufzubauen. So soll die Reichweite der Publikationen erhöht werden, aber auch die alternative Distribution gangbar gemacht werden. Eine Publikationsliste mit freien Downloads der Texte auf Serbisch findet ihr unter der Adresse http://anarhija-blok45.net1zen.com/
Im Anschluss referierte ein Gast aus Deutschland über die bewegende Geschichte der radikalen Linken in der BRD und ihre ideologischen Wurzeln. Angefangen bei der antikommunistischen Vernichtungspolitik der Nazis und dem langsamen Wiederaufbau linksradikaler Organisationen und gesellschaftskritischer Wissenschaften in den frühen 50ern, bewegte sich das Referat über die Studentenbewegung der 68er, den SDS, die Entstehung des bewaffneten Kampfes und die Herausbildung eines alternativen, linksradikalen Milieus in der BRD. Das Phänomen der autonomen Linken war ebenfalls ein Thema, sowie die Entstehung einer antifaschistisch-autonomen Subkultur in den 1980ern und ihre Krise und Transformation in den 1990ern. Besonderes Interesse zeigten einige Teilnehmer am spezifisch deutschen Phänomen der antideutschen Bewegung.
Zum Abschluss des ersten Tages heizten fünf Bands den Gästen und hunderten Jugendlichen aus Zrenjanin und Umgebung nochmal richtig ein. Dabei spielten unter anderem Hardcore, Punk und Metal-Bands aus Serbien, Kroatien und Australien. Zur Zufriedenheit der Veranstalter kam es im Gegensatz zum vergangenen Jahr zu keinerlei Übergriffen von Nationalisten auf das Festival.
Am Samstag eröffnete die anarchistische Buchmesse mit Büchern, Readern, Plakaten, Buttons, Stickern, Shirts und Fanzines der anwesenden Gruppen und Gäste. Die Besucher_innen und Aussteller_innen bekamen dadurch die Möglichkeit miteinander in Kontakt zu treten und sich über die aktuelle Auswahl der Publikationen auszutauschen. So fanden sich neben Readern auf Italienisch, DIY-Broschüren und Romane auf Deutsch oder Kunstdrucke eines US-amerikanischen Künstler_innenkollektivs namens justseeds, die im Laufe des Tages ihre Arbeiten auch einem größeren Publikum vorstellten.
Diskutiert wurde auf dem Podium zunächst das Thema Fukushima und die Gefahren der Atomenergie. Ein Redakteur des gesellschaftskritischen serbischen Infoportals Kontrapunkt referierte zu dem Thema und stellte sich die Frage, wieso die Gefahren von den staatlichen Behörden verschwiegen werden und ob es so etwas wie ein ungefährliches Niveau radioaktiver Strahlung überhaupt gibt. Zudem ging er der Frage nach, welche langfristigen Folgen die Katastrophe in Fukushima haben wird. Die Seite des Infoportals findet ihr unter http://www.kontra-punkt.info/
Der nächste Beitrag der Belgrader Historikerin Vanda Perovic rückte die serbische Sozialistin Jelena Ilka Markovic in das Zentrum, die im 19. Jahrhundert ein Attentat gegen den damaligen König Serbiens Milan Obrenovic ausführte. Dabei versuchte Vanda Perovic neben einem biographischen Abriss Markovics die Reaktion der damaligen Öffentlichkeit aus einer feministischen Perspektive zu dekonstruieren, die sie durch monatelanger Recherche in Belgrader Archiven zusammengetragen hatte. So war s für die damalige Gesellschaft unvorstellbar, dass eine Frau ohne die Instruktion eines Mannes eine derartige Tat vollbringen konnte und zudem noch Genossinnen auf ihrer Seite hatte, die sie bei dem Attentat unterstützten. Im Anschluss an den Beitrag entfaltete sich eine Diskussion über die Frau als politische Attentäterin.
Im Anschluss wurde es wieder international: Gäste aus Griechenland versuchten einen aktuellen Blick auf die Krisenerscheinungen in Griechenland und weltweit zu geben mit Rückgriff auf marxistische und antikapitalistische Publikationen der letzten Jahre. Dabei ging es ihnen sowohl um die Aufdeckung gängiger Mythen den globalen Finanzmarkt betreffend, um den Versuch einer Metaanalyse kapitalistischer Krisenerscheinungen, als auch um eine Perspektive für die konkrete politische Praxis vor Ort. Wichtiger Ansatzpunkt für die Referenten dabei waren die sozialen und politischen Kämpfe der Migrant_innen in Griechenland. Zudem berichtete eine Gruppe aus aus Bulgarien über ihre Erfahrungen im Kampf gegen Antiziganismus und Rassismus und die Bedeutung und Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen in Bulgarien. Die bulgarische Indymedia-Seite findet ihr unter http://bulgaria.indymedia.org/
Der Abend endete mit basslastigen Rhythmen des Banathardkor-Kollektivs, welches seit Jahren erfolgreich versucht alternativen Musikern eine Plattform zu geben und Mitunterstützerin des ZAFs ist. Nach einem leckeren Mittagessen am Sonntag, mit vielen Kontakten in der Tasche und geschlossenen Freundschaften ging das Festival in Zrenjanin mit einem kleinen Plus in der Kasse zu Ende. Wir freuen uns jedenfalls schon auf nächstes Jahr.