Free Pussy Riot!

Am Freitag, den 20. Juli 2012, wurde die Untersuchungshaft für die seit März inhaftierten Aktivist*innen Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljochina und Jekaterina Samutzewitsch bis Januar 2013 verlängert.
Die drei Frauen wurden als vermeintliche Mitglieder*innen des Kollektivs „Pussy Riot“ und Beteiligte an der Punk-Andacht in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau Anfang diesen Jahres verhaftet und sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Dort haben sie bisher jegliche Aussage verweigert.

Gegen sie wird nach Artikel 213/2 („besonders schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung, organisiert als Gruppe, Aufhetzen gegen religiöse Lehren“) ermittelt, der angedrohte Strafrahmen beläuft sich auf bis zu sieben Jahre Knast. Es ist neu, dass dieser Artikel nun in der Verfolgung politisch motivierter Aktivist*innen eingesetzt wird, womit diese Vorgehensweise eine neue Repressionsqualität darstellt. Anscheinend soll ein Exempel statuiert werden – bisher wurde üblicherweise der „Extremismus“-Paragraph (bis zu zwei Jahre) herangezogen, um politische Gegner*innen ins Gefängnis zu bringen. Die Gefangenen traten eine zeitlang in Hungerstreik, um gegen ihre rechtswidrige Inhaftierung und die Kriminalisierung von politischem Aktivismus zu protestieren.

Im Oktober 2011 tauchten erstmals Aktivist*innen des Kollektivs „Pussy Riot“ auf den Straßen Russlands auf. Sie nutzen den öffentlichen Raum als Bühne für ihre politischen Kunstperformances, wobei sie die anwesenden Menschen – das Publikum – in ihre Auftritte miteinbeziehen, sei es im Bus, in der Metro, vor dem Moskauer Knast, vor dem Roten Platz in Sichtweite des Kremls, oder wie zuletzt im Februar in der Christ-Erlöser-Kathedrale.

Ihre Kritik richtet sich gegen die enge Zusammenarbeit – sowohl auf ideologischer, als auch politischer Ebene – von Kirche und Staat, sie sind explizit feministisch, antisexistisch und positionieren sich klar gegen Homophobie und Rassismus.

Dabei treten die Aktivist*innen unerwartet, anonym und zahlreich auf, sie sind laut, schrill und tragen bunte selbstgemachte Stricksturmhauben, für die mediale Verbreitung sorgen eigene Videoaufnahmen, Fotographien und vertrauenswürdige Journalist*innen.
Es geht um die (Wieder-)Aneignung des öffentlichen Raumes durch politischen Protest und gegen die Kriminalisierung verschiedener Spektren, wobei die LGBT Bewegung und die Repression gegen aktive Feminist*innen besonders hervorgehoben wird.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Anfang dieses Jahres in St. Petersburg ein homophobes Gesetz „gegen homosexuelle und pädophile Propaganda“ angenommen wurde und bereits in Kraft ist. Ausserdem sind queere Aktivist*innen immer wieder, wie beispielsweise bei den Gay Pride Paraden oder anderen Aktionen zur Gleichbehandlung, mit massiver Gewalt und Unterdrückung durch die Sicherheitsorgane konfrontiert und müssen sich gegen die Übergriffe von Nazis wehren.

Mit ihren klaren Statements richten sich Pussy Riot gegen die herrschenden Zustände, in provokanten Texten rufen sie zum Aufstand gegen das patriarchale System und die orthodoxe Kirche auf.

Nach ihrem Auftritt in der Christ-Erlöser-Kathedrale, bei dem sie vor der Ikonostase, dem Ort der nur den Priestern und Diakonen vorbehalten ist, dafür beteten, dass die Jungfrau Maria sich endlich emanzipieren und sie von Putin erlösen solle, setzte eine Welle von Medienhetze ein, die sich quer durch die bürgerliche Presse zog.
Die russisch-orthodoxe Kirche wurde aktiv und forderte von der Justiz ein hartes Vorgehen. Ende Februar wurde vermeldet, dass gegen die Aktivist*innen wegen „Rowdytums“ ermittelt wird, was im schlimmsten Fall bis zu sieben Jahre Knast bedeuten kann.

Anfang März folgten die ersten Verhaftungen, drei der Festgenommenen sitzen seitdem in Untersuchungshaft, da angeblich Fluchtgefahr bestehe. Eine Farce, angesichts der Tatsache, dass zwei der drei Inhaftierten kleine Kinder haben. Diese Untersuchungshaft wurde nun um ein halbes Jahr verlängert. Nach den vorläufigen Anhörungen wird das Datum des eigentlichen Prozessbeginns genannt und festgelegt, in welcher Form der Prozess stattfindet. Inzwischen hat Amnesty International die Aktivist*innen als politische Häftlinge anerkannt.

Die inhaftierten Aktivist*innen brauchen eine laute und umfassende Unterstützung!

Wir solidarisieren uns daher mit Pussy Riot und ihren subversiven Aktionen gegen das herrschende System in Russland. Lasst uns die Möglichkeit dazu nutzen, um mit ihnen zusammen auf die Unzumutbarkeiten aufmerksam zu machen.

Wir verurteilen die Repression des russischen Staates gegen die Inhaftierten und fordern ihre sofortige Freilassung!
Wir fordern weiter die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen, die sich für eine Gesellschaft ohne Kapitalismus, Rassismus, Krieg, Patriarchat, Heteronormativität und staatlicher Herrschaft eingesetzt haben, in Russland und anderswo!

Für eine befreite Gesellschaft!
In Russland und überall!

Fight Repression!
Free Pussy Riot!

mehr...

Zum Originalbeitrag