Es ist keine Krise – es ist das System, Demo am 15. Oktober in Karlsruhe

In der griechischen Bevölkerung wächst die Wut: Demonstrationen,
Streiks, Besetzungen. Seit der Ankündigung der Sparmaßnahmen durch die
griechische Regierung und der EU traten zum wiederholten Male tausende
Menschen auf die Straße, um ihren Unmut darüber kund zu tun.

Im Gegensatz zu den Protesten 2008, die die Ermordung des 15-jährigen
Alexandros Grigoropoulos thematisierten, ist nun die Ausweitung der
Finanz- und Staatskrise deutlich zu erkennen. Der Schwerpunkt der
Teilnehmer_innen an den Protesten setzt sich jetzt nicht mehr nur aus
den prekarisierten und einkommensschwachen Bevölkerungsteilen
Griechenlands zusammen, sondern breitet sich längst über alle
gesellschaftlichen Schichten aus. Allein in Athen und Thessaloniki
protestierten rund 20.000 Menschen im Zuge des 24-stündigen
Generalstreiks am 11. Mai diesen Jahres gegen die geplante Erhöhung der
Arbeitszeiten, welche die Sparmaßnamen der Regierung vorsehen. Drei
Wochen später versammelten sich sogar 500.000 Menschen im Athener
Zentrum, um sich gegen Kürzungen bei Gehalt und Rente zu wehren.

Die “Krise” wird nicht von einzelnen Staaten verschuldet, denn sie
ist ein zyklisch auftretender fester Bestandteil des Kapitalismus:

“Als ökonomische Krise bezeichnet man schwere Störungen
der ökonomischen Reproduktion einer Gesellschaft. In einer
kapitalistischen Ökonomie heißt dies, dass ein großer Teil der
produzierten Warenmenge nicht mehr absetzbar ist: Nicht etwa weil kein
Bedürfnis für die entsprechenden Produkte bestehen würde, sondern weil
kein zahlungsfähiges Bedürfnis vorhanden ist. Das Warenkapital lässt
sich nicht mehr vollständig in Geldkapital verwandeln, sodass sich das
vorgeschossene Kapital immer schlechter verwertet und die Akkumulation
abnimmt. Damit vermindert sich die Nachfrage der kapitalistischen
Unternehmen nach den Elementen des produktiven Kapitals, also nach
Produktionsmitteln und Arbeitskräften. Massenarbeitslosigkeit und ein
Rückgang der Kaufkraft der Arbeitnehmer_innen sind die Folgen, was zu
einem weiteren Rückgang der Nachfrage führt und die Krise verschärft.

Der Kapitalismus ist zwar nicht die einzige Produktionsweise, in der
neben ungeheurem Reichtum riesige Armut existiert, er ist allerdings die
einzige Produktionsweise, in der der Überfluss an Gütern ein Problem
darstellt, unverkäufliche Güter zum Ruin ihrer Besitzer führen und es
gleichzeitig Menschen gibt, denen es am nötigsten fehlt und denen es
auch nicht gelingt, das einzige worüber sie verfügen – ihre Arbeitskraft
– zu verkaufen.“ (Nach Heinrich; “Kritik der politischen Ökonomie –
Eine Einführung” , theorie.org 2005)

Der griechische Staat wurde seit der Verkündung der
Staatsverschuldung im Oktober 2009 zum Spielball des Finanzsektors:
Rating-Agenturen stuften die Kreditwürdigkeit des Staates herunter. Dies
hat die Folge, dass Griechenland keine Möglichkeit mehr hat, günstig
Kredite für Wirtschaftsprogramme aufzunehmen. Gleichzeitig geht durch
die Wetten der Finanzspekulant_innen auf einen griechischen
Staatsbankrott das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit Griechenlands in
immer größerem Maße verloren. Die globale Kapitalismus- / Finanzkrise
2009 sorgt zugleich für eine andauernde Krise der griechischen
Realwirtschaft. Steigende Arbeitslosenzahlen sowie weiter ansteigende
Staatsschulden vergrößern den Vertrauensverlust an den Märkten.
Diese Abwärtsspirale hat zur Folge, dass sich Griechenland nur noch von
den EU-Staaten Geld zu überzogenen Zinsen leihen kann. Im Gegenzug
verlangen die Euroländer drastische Sparprogramme von der griechischen
Regierung.

Doch während in der Vergangenheit vor allem die wohlhabenderen und
reichen Schichten der griechischen Bevölkerung von der staatlichen
Steuerpolitik profitierten, gleichzeitig Steuern in großem Stile
hinterzogen – und damit die Grundlage für das hohe griechische
Staatsdefizit legten – sind durch die Sparprogramme vor allem die
einkommensschwächeren Bevölkerungsteile betroffen: Steuererhöhungen,
Lohn- und Rentenkürzungen, verminderter Kündigungsschutz sorgen für eine
Prekarisierung ganzer Bevölkerungsteile. Zudem sollen u.a. wichtige
Grundversorgungssysteme wie die Wasserversorgung, Eisenbahn, Häfen oder
Elektrizitätswerke (teil-) privatisiert werden. Dadurch drohen weitere
Kostensteigerungen für die griechische Bevölkerung.
Die griechischen Sparmaßnahmen bedeuten faktisch eine Umverteilung der
Staatsschulden zu Lasten der Arbeitnehmer_innen, Migrant_innen,
Schüler_innen, Student_innen und Erwerbslosen.

An die Stelle der einstmals vorrangigen Idee eines freiheitlichen
Zusammenschlusses Europas auf demokratischer Ebene treten die nationalen
Wirtschaftsinteressen einzelner Mitgliedsstaaten. Seiner Souveränität
beraubt, wird Griechenland nun von den wirtschaftlich starken
EU-Mitgliederstaaten dazu gezwungen, unmenschliche und demokratisch
nicht durchsetzbare Sparpakete durch die Troika (EU-Kommission,
Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank) umzusetzen.

Aber Griechenland ist kein Einzelfall, wenn es darum geht, staatliche
Haushaltsdefizite und Schulden auf Kosten der weniger wohlhabenden
Bevölkerungsteilen abzubauen. Auch in anderen EU-Ländern haben die
Regierungen drastische und unsoziale Sparmaßnahmen durch die
Parlamente gedrückt: Neben Griechenland wurden in Spanien, Portugal,
Italien, Großbritannien, Irland und auch in Deutschland radikale
Sparpakete beschlossen.

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik kann sich
bei einem Großteil der (beispielsweise in Deutschland lebenden)
Bevölkerung nicht entwickeln, da sich die meisten Medien darauf
beschränken, gewinnbringende Schlagzeilen zu veröffentlichen. Geschürt
werden rassistische Ressentiments und eindeutige Schuldzuweisungen. Das
harte Eingreifen der deutschen Regierung wird somit gegenüber der
Bevölkerung legitimiert und als Schutzmechanismus zur Stabilisierung der
eigenen Märkte gefordert.

Der überall stattfindende Konkurrenzkampf, wieder einmal deutlich
geworden durch die anhaltende Krise, ist grundsätzlicher Bestandteil des
Kapitalismus. Er ist täglich von jedem Menschen erlebbar im
existenziellen Kampf um Bildung und Arbeit. Klein- und Großunternehmen
konkurrieren ständig untereinander um Wettbewerbsfähigkeit. Durch den
Neoliberalismus bedingt findet dieser Kampf nicht mehr nur auf
regionaler und nationaler Ebene statt sondern weltweit.
Diesem Beißreflex wollen wir uns sichtbar entgegenstellen! Als
Menschen, die einander jenseits von Nationalgrenzen begegnen möchten,
fühlen wir uns dem Humanismus und somit den Prinzipien der Freiheit,
Selbstbestimmung, Gleichheit und Solidarität aller Menschen
verpflichtet.

Deshalb rufen wir am 15. Oktober 2011 zu einer Protest- und
Solidaritätsdemonstration
in Karlsruhe auf! Lasst uns gemeinsam wie in
vielen anderen europäischen Städten an diesem dezentralen europäischen
Aktionstag unseren Unmut über die derzeitige Systemkrise zum Ausdruck
bringen.

Lasst uns gemeinsam ein sichtbares Zeichen setzen: Für die
Entmachtung der Finanzmärkte – Für eine breite Solidarität zwischen den
europäischen Bürger_innen – Für ein neues Gesellschaftssystem, dass
den Bedürfnissen aller Menschen gerecht wird!

“Es ist nicht die Krise – es ist das System!”
“Grenzenlose Solidarität statt kapitalistischem Überlebenskampf!”
15. Oktober 2011 – 16 Uhr
Karlsruhe – Werderplatz


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