Eine Alternative zur Bürgerlichen "Demokratie"

Anarchistische Theorien bieten viele alternative Ansätze, wie eine freie Gesellschaft ohne eine Parlamentarische Demokratie organisiert werden könnte. So vielfältig die Bewegung mit all ihren Strömungen und Ideen ist, so sind es auch die Lösungs-ansätze...

Um nicht immer nur zu meckern und alles zu kritisieren, ohne eine Alternative zu liefern, findet ihr hier einen möglichen Ansatz zur libertären Meinungsfindung und gesellschaftlichen Organisation.

Natürlich erhebt dieser Text keinen Anspruch darauf, eine vollständig ausgearbeitete Alternative zu bieten und schon gar nicht die einzig wahre Lösung zu enthalten.

Es sollen nur einige Denkansätze und Ideen vorgestellt werden.

Libertärer Föderalismus

Was liegt näher als die Lösung dahingehend zu suchen, Entscheidungsprozesse zu dezentralisieren. Warum sollen Abgesandte in Berlin oder gar Brüssel über regionale und kommunale Belange entscheiden?

Ein Model in dem diejenigen, die die Belange betreffen auch darüber entscheiden, ist für eine wahre Emanzipation der Menschheit unabdingbar.

So wäre es durchaus denkbar, von der kleinsten Ebene an echte Demokratie zu organisieren.

Wichtig dabei ist, dass die Organisation der Gesellschaft nicht, wie bei staatsförmigen Strukturen üblich, von „oben nach unten" erfolgt, sondern genau umgekehrt; also dass die kleinste Einheit am meisten Gewicht bei der Entscheidungsfindung hat.

Beginnen müssten wir dabei mit der Bildung eines Haus- oder Nachbarschafts-Plenums, bei dem die direkten, das Haus und die Menschen betreffenden Themen und Probleme gelöst werden. Eine Stadtteil- oder Dorfversammlung würde gemeinsame Belange wie öffentliche Sicherheit, Kollektivierung, Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln, sowie eine Grundversorgung mit Technik, Strom und Informationen regeln.

Das Prinzip dieser Versammlungen ist dann beliebig auf höhere Ebenen übertragbar, sobald überregionale Probleme gelöst werden müssen. Natürlich sind ab einem gewissen Punkt Delegierte nötig. Dabei ist es wichtig, dass diese jederzeit von der vorangegangen Vollversammlung absetzbar sind und nur deren Meinung vertreten.

Es muss dabei nicht immer nur um Entscheidungsfindungen gehen, sondern auch darum, den Austausch von Erfahrungen auf lokaler Ebene und die gegenseitige Unterstützung zu organisieren.

Konsensfindung

Geprägt durch ihre Erziehung leiden viele Menschen unter einem Abstimmungs-reflex. Nach einer kurzen Erörterung eines Themas folgt üblicherweise die Aufforderung: Stimmen wir jetzt ab!

Dieses Phänomen ist oft bei unerfahrenen AktivistInnen zu beobachten. Diese müssen ebenso wie auch die Menschen in unserem Modell erst lernen, Entscheidungen im Einvernehmen aller zu treffen und solange zu diskutieren, bis alle zufrieden sind. Problematisch dabei ist natürlich die Tatsache, dass vielleicht einige weniger rhetorisch begabte Menschen in der Konsensfindung untergehen, gutmütige Menschen zu schnell nachgeben und dominantere Personen versuchen, eine Versammlung zu bestimmen.

All dies hängt mit dem Umstand zusammen, wie stark uns unser bisheriges Zusammenleben beeinflusste. Die Ellenbogengesellschaft des Kapitalismus hinterlässt tiefe Spuren in unserer sozialen Kompetenz. So bekommen wir von klein auf eingetrichtert, immer zuerst an uns selbst und unsere eigenen Belange zu denken. Dieser Umstand muss intensiv thematisiert und an ihm gearbeitet werden.

Sowohl zurückhaltende, defensivere als auch rhetorisch dominante Menschen müssen sich dieser Problematik stellen, lernen damit umzugehen und sich gegenseitig anzunähern.

Die Macht klein halten

Vor allem am Anfang, nach der Überwindung des Kapitalismus und der bürgerlichen Demokratie, wird es natürlich problematisch für uns alle sein, sich an diese neue Form des Zusammenlebens zu gewöhnen; da es bei Versammlungen immer Menschen geben wird, die dominanter auftreten als andere, mehr Verantwortung übernehmen und mehr Einfluss besitzen, ist es wichtig, diesen Einfluss einzelner so klein wie möglich zu halten. Solange eine Person nur in einer Stadtteilversammlung tätig ist, kann sie nicht viel Macht an sich reißen vor allem gibt es im direkten Umfeld immer eine Art soziale Kontrolle durch NachbarInnen und FreundInnen.

Rotationsprinzipe, also das rotieren von Delegierte ist sicherlich auch sehr hilfreich um Korruption und Filz zu verhindern. In Chiapas beispielsweiße, wird dieses Prinzip erfolgreich zur Selbstverwaltung der autonomen indigenen Gemeinden eingesetzt.

Betriebe

Das Betriebe selbstverwaltet und herrschaftsfrei funktionieren können, beweißen viele Beispiele aus Lateinamerika, wo ArbeiterInnen ohne Chefs erfolgreich Betreibe organisieren.

Schon im spanischen Bürgerkrieg hatte sich gezeigt, dass diese Form der Produktion äußerst Effektiv ist. Zum einen, da ein großer Teil unnötiger Verwaltung wegfällt und zum Anderen, da durch die Identifizierung mit dem Betrieb eine höhere Motivation bei den ArbeiterInnen vorhanden ist. Im spanischen Bürgerkrieg funktionierten die von der anarchosyndikalistischen CNT kollektivierten Betriebe so gut, dass nicht nur die Produktion aufrecht erhalten werden konnte, sondern trotz des Krieges die Produktion sogar ausgebaut und modernisiert werden konnten.

Allerdings funktionierte die Kollektivierung und gesellschaftliche Organisation nur wegen der intensiven und jahrelangen Vorbereitungen, der guten Strukturierung und der vielen Mitglieder der CNT. Zuletzt war auch das Klassenbewusstsein im Gegensatz zu heute unter den Menschen viel ausgeprägter.

Mehr Zeit für Wichtigeres

Durch den Abbau von Bürokratie und einer gerechteren Verteilung der Arbeit unter den Menschen wäre es uns möglich, mehr Zeit und Energie für ein soziales Miteinander aufzubringen. Es würde uns eine intensivere Auseinandersetzung mit unserer Umwelt, der Politik, Gesellschaft und der Organisation eines selbstbestimmten und freien Zusammenlebens ermöglichen.

Das ganze ist natürlich nur ein kurzer Anriss, wie solch eine gesellschaftliche Alternative aussehen könnte. Aber die Flexibilität dieser Idee ist natürlich kompatibel zu ähnlichen Konzepten und es können verschiedene Modelle nebeneinander existieren, von einander lernen und profitieren.

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