[Doku] Game Over? Lieber nicht!
Politisch aktiv, ohne kaputtzugehen
Im Mai 2012 hat die GruppeX (föderiert in der Anarchistischen Föderation Berlin AFB) die Dokumentation ihrer Veranstaltungsreihe “Politisch aktiv ohne kaputtzugehen” veröffentlicht. Uns hat diese Broschüre so sehr überzeugt, beeindruckt und inspiriert, dass wir sie euch auf keinen Fall vorenthalten möchten.
Vorwort
Dieses Dokument ist der Versuch einer Dokumentation der Ergebnisse der Veranstaltungsreihe „Politisch aktiv, ohne kaputtzugehen“, die vom 9. Mai bis zum 27. Juni 2011 in Berlin stattfand. Organisiert wurde die Reihe von einer Gruppe innerhalb der Anarchistischen Föderation Berlins (afb) in Kooperation mit dem Anarchistischen Infocafé in der New Yorck (Bethanien). Die Dokumentation entstand unter Mithilfe weiterer Teilnehmer*innen aus der Reihe.
Für die Interpretation der Ergebnisse und eine Einschätzung der Reihe an sich ist vermutlich zunächst eine Darstellung unserer Motivation und eine kurze Definition des Konzepts des „Kaputtgehens“ vonnöten. Weil das für alle weiteren Schritte, inkl. der Dokumentation selbst, von großer Bedeutung ist, sollten wir zunächst klarstellen, dass wir einen sehr starken Fokus auf die Entwicklung neuer Ideen und Lösungsansätze sowie auf das Festhalten so genannter „Best Practices“ legen woll(t)en – praktischen und positiven Erfahrungen, die für Andere hilfreich sein könnten. Daraus ergibt sich zugleich, dass wir keine große Analyse der aktuellen Situation betrieben haben, um uns nicht in Problembeschreibungen zu verlieren und die Zeit nur mit Jammern zu verbringen.
Grundsätzlich gingen wir von einem Prozess des körperlichen und psychischen Verschleißes aus, der mit der politischen Arbeit in der linksradikalen und anarchistischen „Szene“ einhergeht. Dieser Verschleiß – das Kaputtgehen – zeigt sich in unterschiedlichen Formen: „Kaputt gehen“ bedeutet für uns nicht (nur) die Niederlage im Straßenkampf gegen Nazis oder Repressionsorgane. Zu „kaputt“ zu sein, um weiter effektiv politisch tätig sein zu können, kann leider durch sehr viele Faktoren ausgelöst werden. Das kann Überarbeitung und Polit-Burn-Out sein, das Gefühl von Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit aller Bemühungen oder das starke Eingebundensein in Job und andere Alltags-Orga-Dinge. Auch der Blick auf die sich auftuenden Gräben zwischen Anspruch oder Utopie und Wirklichkeit können den Eindruck ver- mitteln, aufgeben zu müssen. Es gibt viele weitere Umstände, die die Polit-Aktivität erschweren und, wenn sie gehäuft oder über Jahre hinweg angesammelt auftreten, dazu führen können, dass mensch nicht mehr weiter machen kann oder will. Dazu gehören beispielsweise informelle Hierarchien, Kommunikationsprobleme, problematischer Umgang mit Konflikten, Entscheidungsprozesse, die den eigenen Ansprüchen nicht genügen, sowie die mangelnde Unterstützung des Politumfelds beim Umgang mit Kindern. „Kaputt gehen“ können wir auch, indem wir uns in Sackgassen verrennen. So können wir uns an einem Thema festbeißen, das keine Resonanz mehr erfährt, im Spezialist*innentum den Kontakt zu Interessierten verlieren, als Gruppe zerbrechen, keine Unterstützung für unsere Themen finden oder durch das Nicht-Reflektieren der eigenen Privilegien immer wieder in monokulturartiges Denken der weißen Mittelschicht verfallen.
DIE ORGA-GRUPPE
Wir, die Gruppe X, haben diese Reihe organisiert. Wir sind eine kleine Gruppe, die sich seit etwa zwei Jahren regelmäßig trifft und unterschiedliche Projekte durchführt. Dabei haben wir uns mit verschiedenen Themen wie Föderation, Mutualismus(kritik) und Kritik an der linken Szene beschäftigt. Wir führen auch Aktionen und Aktivitäten unter anderen Gruppennamen aus. gx ist also mehr ein Platzhaltername, den wir bei konkreten Projekten auch mal durch andere
Namen ersetzen. Das hat verschiedene, von Aktion zu Aktion unterschiedliche Gründe. Wir wollen häufig mehr die Aktion als die Gruppe in den Vordergrund stellen, dem Drang zum Labeling entgegenwirken, neue für die Aktion passende Namen finden und vielleicht auch etwas Verwirrung stiften.
Wir sind als Gruppe in der Anarchistischen Föderation Berlin (afb), http://afb.blogsport.de, föderiert. Das bedeutet, dass wir immer mal wieder jemanden von uns auf die Plena der afb schicken, um von unseren Aktivitäten zu berichten und von denen anderer föderierter Gruppen zu erfahren, die die afb in unterschiedlichen Dingen wie Stammtisch, Dokument A (Anarchistisches Jahrbuch Berlin), Büchertisch oder Vernetzungsangelegenheiten unterstützen und die Ressourcen der afb (Büro, Workshopmaterial, Blog, Infos und Erfahrung, …) mitnutzen können. Die afb ist übrigens ihrerseits wiederum im FdA föderiert, dem Forum deutschsprachiger Anarchist_innen. Und das FdA ist Teil der IFA, der Internationalen Anarchistischen Föderation. Also ein schönes, weit verzweigtes anarchistisches Netz mit vielen Möglichkeiten zum Austausch von Informationen und Erfahrungen und vernetzten Aktionen.
In unseren gx-Gruppentreffen gibt es auch einige „Best Practices“, die wir hier kurz mit euch teilen wollen: Wir starten mit einer Runde, in der alle kurz sagen, wie es ihnen geht und was sie seit dem letzten Mal Anarchistisches erlebt haben. Danach stellen wir meist die Punkte zusammen, die wir besprechen wollen, und halten fest, wie lange wir uns für die Punkte jeweils Zeit nehmen wollen. Bevor wir in Organisatorisches oder Inhaltliches aktueller Projekte einsteigen, gibt es meist noch ein kurzes Input von einer oder einem von uns zu einem Thema, das uns gerade beschäftigt. So können wir Wissen weitergeben und inspirieren uns gegenseitig. Wenn’s auch für andere in der afb föderierte Gruppen interessant sein könnte, geben wir die Infos auch gerne weiter.
Hier könnt ihr euch die Doku als pdf runterladen