Bücher lesen: Die Klimakrise und der Global Green New Deal
Noam Chomsky, Robert Pollin und C.J. Polychroniou gehen in dem 2021 beim Unrast Verlag erschienenen Buch Die Klimakrise und der Global Green New Deal der Frage nach, wie die Klimakatastrophe anhand eines weltweiten Umbaus der Energiewirtschaft aufgehalten werden kann.
Das 145 Seiten umfassende Buch ist ein Interview, in dem der Politikwissenschaftler und Volkswirt Polychroniou dem Anarchisten Chomsky und dem Wirtschaftswissenschaftler und Sozialisten Pollin Fragen zum Thema Klimakrise und zu Pollins Vorschlag zu einem Global Green New Deal stellt.
Pollin stellt seinen Vorschlag gründlich und gut verständlich dar. Dieser Vorschlag ist weder radikal noch antikapitalistisch sondern nüchtern und pragmatisch immer unter der Prämisse, dass wir nur noch wenig Zeit haben, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Weder fordert er eine sofortige Abkehr vom Kapitalismus noch die soziale Weltrevolution in den nächsten zehn Jahren. Ich halte das für zielführend und die globale Lage für realistisch einschätzend: Wir werden in der uns verbleibenden Zeit weder den Kapitalismus überwinden noch die Weltrevolution erleben. Darum müssen wir, wenn wir wollen, dass die Menschheit überlebt und eines Tages in freien Gesellschaften leben kann, pragmatisch handeln. Und das auf globaler Ebene so schnell wie möglich. Das ist schon schwer genug.
Chomskys Beiträge beschränken sich eher auf unterstützende Ergänzungen, die aber immer wieder Pollins Ausführungen ins Gesamtbild einordnen. Natürlich kommen die seit Jahrzehnten von ihm bekannten, aber deswegen nicht falschen Kritikpunkte an der Innen- und Außenpolitik der USA zum Tragen.
Pollin zeigt, dass es rein monetär betrachtet einen lächerlich geringen Betrag der jährlichen globalen Geldmengen braucht, um die Weltwirtschaft auf erneuerbare Energien umzustellen. Und hier liegt auch ein Hauptaugenmerk des Deals: Die Weltwirtschaft muss ihre benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren, ihre kohleverbrennenden Kraftwerke und ihre gasbetriebenen Heizungen auf eine Energiegewinnung umstellen, die zu hundert Prozent auf Wind-, Sonnen- und Wasserkraft basiert. Das liest sich erstmal nüchtern und könnte so auch auf einem x-beliebigen Parteitag irgendeiner halbwegs grünen oder sozialdemokratischen Partei vorgetragen werden, zumal das alles letztenendes Forderungen an Regierungen sind, entsprechende Gesetze zu schaffen. Aber zum Glück bleibt Pollin, sekundiert von Chomsky, nicht dabei stehen: Beide sehen, dass „Klimaschutz“ allein nicht genug ist und dass Klimagerechtigkeit ein maßgeblicher Bestandteil aller Bestrebungen sein muss, die Klimakatastrophe aufzuhalten. Desweiteren sehen sie in den Folgen dieses globalen Umbaus eine Chance für die Weiterentwicklung der Gesellschaft hin zu einer freieren, dezentraleren, gerechteren, ökologischeren Weltgesellschaft. Ich kann ihnen da nur beipflichten und kam in meinem Text System Change, not Climate Change? Die befreite Gesellschaft und die kommende Klimakatastrophe in Teilen zu ähnlichen Gedanken.
Der Kampf muss – und kann – an allen Fronten geführt werden.
Noam Chomsky
Im ersten Kapitel gehen Chomsky und Pollin auf das Wesen und die Auswirkungen der Klimakatastrophe ein und machen deutlich, dass sie die größte Bedrohung für die Existenz der Menschheit seit der atomaren Aufrüstung ist.
Im zweiten Kapitel zeigen sie deutlich auf, dass der Kapitalismus im Gewand des Neoliberalismus gepaart mit irrationalen Entscheidungen der Herrschenden die Ursache für die Misere ist. Hier wird der us-amerikanischen Schwurbler*innen-Partei die Republikaner eine besondere Bedeutung beigemessen.
Das dritte Kapitel skizziert dann den Global Green New Deal Pollins und jongliert mit gut belegten Zahlen zu Emissionswerten, Geldmengen etc. Hier wird deutlich, dass das Ganze Hand und Fuß hat und mit politischem Willen umsetzbar wäre. Es wird auch auf die Ideen der Degrowth-Bewegung eingegangen und solidarische Kritik an ihr geübt.
Wie es geschafft werden kann, Menschen für die Rettung des Planeten zu gewinnen, wird im vierten Kapitel behandelt. Leider ist dieser Teil, der meiner Meinung nach der wichtigste ist, auch der kürzeste und bleibt eher allgemein. Dennoch endet das Buch mit positiven Beispielen von sowohl graswurzlerischen Bewegungen wie auch staatlichen Maßnahmen.
Mir gefällt an diesem Buch, dass Pollin und Chomsky alle Menschen mitnehmen wollen und sehr darauf bedacht sind, dass der Umbau hin zu einer Null-Emissions-Wirtschaftsweise immer unter dem Gesichtspunkt der Klimagerechtigkeit und der Gerechtigkeit allgemein geschehen muss: Er erkennt die Lebensrealitäten der Menschen an, die in den allermeisten Fällen von Lohnarbeit, Prekariat und Armut geprägt sind. Besonders in den Ländern, die am wenigsten zur Klimakatastrophe beitragen aber schon jetzt am meisten unter ihr leiden. Bei aller Nüchternheit des Textes enthält er dennoch eine gute Prise Utopie – Ausblicke auf eine gute Zukunft für alle – und das macht mir Mut. Und Mut brauchen wir alle, mich verlässt er immer wieder seit den Coronajahren und der immer greifbarer werdenden Klimakatastrophe und dann bin ich froh, so ein Buch zu lesen.
Der Green New Deal ist meiner Ansicht nach der einzige Ansatz zur Klimastabilisierung , der auch in der Lage ist, den anstieg der Ungleichheit umzukehren und damit den globalen Neoliberalismus und den aufsteigenden Neofaschismus zu bezwingen.
Robert Pollin
C.J. Polychroniou (Hrsg.), Noam Chomsky und Robert Pollin Die Klimakrise und der Global Green New Deal 145 Seiten ISBN: 978-3-89771-298-0 14,00 € Unrast Verlag