Kein Hospital? – Nein, Deutschland
Die Schweiz als Handlanger Deutschlands als Handlanger der Türkei
Im Juli des vergangenen Jahres wurde der kurdische Aktivist Metin Aydin während einer Reise in die Schweiz von dortigen Sicherheitskräften festgenommen. Der Grund für seine Festnahme blieb längere Zeit unklar, schließlich ist Aydin, der in Frankreich lebt, dort anerkannter, politischer Flüchtling, was unter anderem bedeutet das er sich innerhalb der EU frei bewegen kann.
Sein Status, als politisch verfolgter Aktivist in der Türkei, sollte schlussendlich auch die Begründung für seine Festnahme sein. Die deutsche Staatsanwaltschaft wirft ihm vor für die kurdische Arbeiterpartei PKK, bzw. deren Jugendorganisation KCK junge Kurden als Freiheitskämpfer angeworben und ausgebildet zu haben. Dies fällt unter den, wohlgemerkt deutschen, Paragraphen 129b, also Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer ausländischen, terroristischen Vereinigung. Die Schweiz, in der kein vergleichbarer Straftatbestand existiert, also die Handlungen die Aydin vorgeworfen werden de facto nicht strafbar sind, kam dem Interpol-Haftbefehl Deutschlands bereitwillig nach und bewilligte nach dessen Verhaftung am 24. Februar 2012 die Auslieferung nach Deutschland.
In den folgenden Monaten versuchte Aydin, sein Anwalt Marcel Bosonnet, sowie ein breiter Unterstützer*innenkreis aus kurdischen, antirassistischen und anarchistischen Gruppen und Organisationen, mit juristischen Einsprüchen, Petitionen, Kundgebungen und Demonstrationen die Auslieferung zu verhindern. Während der gesamten 16 Monate befand sich Aydin in Isolationshaft, die mit dem schwammigen Argument begründet wurde, das die Auslieferungsformalitäten noch in Bearbeitung seien, aber diese ja bald durchgeführt würde.
Nachdem der Widerspruch vor dem schweizerischen Bundesstrafgericht am 4. September schlussendlich abgelehnt wurde, entschloss sich Aydin wenige Tage darauf in den Hungerstreik zu treten, um seine Auslieferung nach Deutschland zu verhindern. Am 29. September wurde er aufgrund seines sich rapide verschlechterten Gesundheitszustandes ins Universitätsspital Zürich verlegt. Am 30. Oktober, also am 50. Tag seines Hungerstreiks beschloss er darüber hinaus zum sogenannten Todesfasten überzugehen.
Trotz seines kritischen Gesundheitszustandes wurde Aydin am 1. November in einer Nacht und Nebel Aktion mit einem Krankentransport in das Gefängniskrankenhaus der JVA Stuttgart überstellt. Sein Anwalt wurde über die vollzogene Auslieferung erst nach deren Vollendung informiert. Nachfragen, wieso er vor vollendete Tatsachen gestellt werde, wurde lapidar mit der Bemerkung abgewiesen, die Beschwerde, die Bosonnet gegen den Auslieferungsentscheid beim Bundesgericht Lausanne gestellt habe, sei abgewiesen worden und er werde den schriftlichen Entscheid ja noch erhalten.
Am 4. November beendete Aydin, auf Wunsch seiner Verwandten und Freunde den Hungerstreik, von dem er sich glücklicherweise vergleichsweise gut erholt hat. Dennoch ist es ihm immer noch nicht gestattet Besuch von Freund*innen oder Verwandten zu empfangen. Der einzige Kontakt zur Außenwelt besteht zur Zeit durch seinen neuen Anwalt in Deutschland.
Doch auch in Deutschland wird der Protest gegenüber dem skandalösen Verhalten der schweizerischen und deutschen Sicherheitsbehörden fortgesetzt. Vor dem Gefängniskrankenhaus fand kurz nach seiner Überstellung eine unangemeldete Solidaritätskundgebung statt, bei der zwei kurdische Jugendliche verhaftet wurden. Am 10. November demonstrierten mehrere Dutzend Menschen in Stuttgart für die sofortige Freilassung von Metin Aydin und in Solidarität mit dem gleichzeitig stattfindenden Hungerstreik von mehreren tausend Kurd*innen in türkischen Gefängnissen. Vor einigen Wochen hat sich in der Region Stuttgart ein Solikomitee, wiederum aus linken und anarchistischen Gruppen und Einzelpersonen gegründet, die den Protest in den kommenden Wochen und Monaten aufrecht erhalten wollen.
Aktuell sitzt Aydin in der JVA Schwäbisch Hall und wartet dort auf seinen Prozess. Dieser wird aller Voraussicht nach im Februar 2013 beginnen. Dieser Termin fußt auf der Anklageschrift, die laut seinem Anwalt immer noch nicht vollendet ist, obwohl ein Auslieferungsgesuch eigentlich auf einer solchen beruhen muss. Dennoch drohen ihm im Fall einer Verurteilung mehrere Jahre Haft in Deutschland, sowie eine anschließende Ausweisung in die Türkei. Was ihn dort erwartet, ist durch eine Vielzahl vorheriger Abschiebungen und die Praxis der türkischen Sicherheitskräfte ausreichend bekannt: Gefängnis, Folter, Mord.
Kommentare sind deaktiviert.