Stuttgart goes Ende Gelände!

Aktionstage von Ende Gelände, Rheinisches Braunkohlerevier – Kohle stoppen. Systemwandel jetzt!

23 – 28. September 2020

Die Gruppen aus dem Bündnis Kesselbambule haben sich dazu entschieden gemeinsam für Ende Gelände zu mobilisieren und eine gemeinsame Anfahrt zu organisieren. In einer Massenaktion des zivilen Ungehorsams werden wir Ende September für das Bestehen der Dörfer, eine ernsthafte Klimagerechtigkeit und einen echten Systemwandel einstehen.

Mit einer Infoveranstaltung waren wir am Samstag 12.9. ab Nachmittags im Schlosspark in Stuttgart anzutreffen. 5 unterschiedliche Gruppen des Bündnisses haben sich vorgestellt und Inputs rund um das Thema Klimakrise/Klimagerechtigkeit gehalten. Es gab unter Anderem “Klimekrise aus feministischer Perspektive”, “Klimakrise und Generationenfrage”, “Klimakrise und Klassenfrage”, “Klimakrise und (Neo-)Kolonialismus” sowie “Herrschaft und Ökologie”. Unseren Input zu „Herrschaft und Ökologie könnt ihr weiter unten Im Text nachlesen.

Am 19.9. gibt es noch ein Aktionstraining zur Vorbereitung für die Aktionstage. Hier erfahrt ihr auch alles weitere zu möglichen rechtlichen Folgen, sowie zur An- und Abreise.

Tickets für die Busfahrt zu den Aktionstagen im Rheinland gibts in der Raupe Immersatt und im Lilo Herrmann Haus.

Auf gehts! Ab gehts! Ende Gelände!

 

 

 

 

Input von (LB)² zu „Herrschaft und Ökologie“

Hei Leute, wir sind das libertäre Bündnis aus Ludwigsburg. Wir sind eine anarchistische Gruppe und wir sind hier weil wir gerade alle lachend in ne Kreissäge rennen und diese Kreissäge ist die Klimakatastrophe. Wir haben uns die Frage gestellt, was hat Herrschaft eigentlich mit Ökologie und der Klimakrise zu tun hat? Unser gegenwärtiges System macht es möglich, dass wenige ihre Profitinteressen gewaltsam durchsetzen können und dadurch Mensch und Umwelt beherrschen. Darum ist für uns der Kampf um Klimagerechtigkeit auch ein Kampf für eine herrschaftsfreiere Welt ohne kapitalistische Zwänge und der damit einhergehenden Ausbeutung von Mensch und Natur.

Kritik an Herrschaftsverhältnissen

Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass der Mensch kapiert, dass sein Versuch die Natur zu beherrschen, ja zu unterjochen, zum Scheitern verdammt ist. Kein anderes Lebewesen zeigt die Tendenz die Naur systematisch und allumfassend zu unterwerfen. Zu allem Überfluss sorgen die Macht- und Profitinteressen dafür, dass die meisten Menschen sich nicht mehr als Teil des großen Ganzen begreifen. Uns ist bewusst, dass es in der Natur Hierarchien gibt, nur funktioniert diese nicht nach dem Prinzip der Unterwerfung aller Strukturen unter eine Einzige. Der Kapitalismus, mit seinen Herrschaftsstrukturen über alles andere, zerstört das Gleichgewicht der Natur. Er zwingt zu Wachstum und Konkurrenzabwehr und lässt kein moralisches oder ökologisches Verhalten zu, da dies zum Wettbewerbsnachteil und Niederlage auf dem Markt führen würde. Der Kapitalismus ist damit strukturell unmoralisch und anti-ökologisch.

Die Ursache der ökologischen Krise gründet in der Herrschaft des Menschen über die Natur, die eng verbunden ist mit der Herrschaft des Menschen über den Menschen. Ökologische Probleme entstehen aus tiefgreifenden sozialen Problemen. Im Kapitalismus wird nicht nur die Natur und die Rohstoffe für Profitinteressen beherrscht, sondern auch der Mensch selbst zur Ware. Nicht nur die Natur leidet unter der westlich-geprägte Lebensweise. Unser Wirtschaften und unsere Lebensweise sind von globalen Hierarchien und Herrschaftmechanismen durchzogen. Menschen in ehemals kolonialisierten Ländern werden ausgebeutet. Deren Lebensgrundlage für Spottpreise zerstört, nur damit wir uns bei Kik Krocks für 3 Euro, jedes Jahr ein neues Handy und 2 Autos pro Haushalt leisten können. Zudem tragen Menschen in ehemals kolonialisierten Ländern am wenigsten zur Klimakrise beit, sind allerdings am stärksten von deren Folgen betroffen. Wir wollen damit nicht sagen, dass unser Konsumverhalten der Grund, noch die Lösung für die ganze Scheiße wäre, aber wollen wir unseren Lebensstandard wirklich weiterhin auf ein solch blutiges und ausbeuterisches System bauen? Unserer Meinung nach ist es besser Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen über unsere Lebensweise nicht der Bürokratie oder dem Markt zu überlassen.

Wie schon gesagt, wir dürfen nicht dem Irrglauben verfallen, dass die Wahl des ‚ökologischeren‘ Spülmittels oder der Kauf von CO2-Ausgleichszertifikaten beim nächsten Flug nach Malle, die Lösung irgendeines Problemes wären – ganz im Gegenteil: sie können die Findung einer ökologischen Alternative lähmen indem Menschen sich drauf ausruhen, vermeintlich genügend getan zu haben. Was wir stattdessen brauchen sind Ansätze, welche die Wurzeln der Probleme anpacken, wir brauchen also ein radikales Umdenken. Aber so dürfen wir auch nicht in unserer radikalen Kritik steckenbleiben, nein, wir müssen unsere Theorien in die Praxis führen, ohne in umweltschützlerischen Reformismus zu verfallen. Was wir brauchen sind vorgelebte Beispiele, in welchen wir nicht müde werden dürfen zu betonen, dass Ökonomie, Ökologie, und soziale Organisation miteinander verknüpft sind: z.B. effektives Arbeiten ohne Chefs, gegenseitige Hilfe, sowie demokratische, also selbstbestimmte Organisation aller Lebensbereiche. In unserer Überzeugung sind diese Ansätze dazu geeignet Hierarchien, überflüssigen Ressourcenverbrach und schielßlich die Herrschaft von Menschen über Menschen aufzulösen. Dies hat unserer Ansicht nach mit Ökologie weitaus mehr zu tun als die Wahl des ökologischeren Spülmittels. Wie der Botaniker Jürgen Dahl schon sagte: „Es geht nicht mehr um die Raperatur der Maschinen, sondern um die Schließung der Fabrik.“

Alternative Konzepte

Unsere Vorstellung von einer ökologischen Welt strebt ist eine ohne Kapitalismus und Nationalstaat. Sie strebt die Neustrukturierung der Gesellschaft auf eine dezentrale, gemeinschaftliche Weise an, damit für alle ein ausgefülltes öffentliches und privates Leben möglich ist. Unserer Ansicht nach können wir alle im Hier und Jetzt beginnen gesellschaftliche Verhältnisse zu ändern. Daher ist es notwendig mit Beispielen voran zu gehen und zu zeigen, dass ein anderes Miteinander möglich ist. Es ist wichtig, dass neue Ansätze von unten gebildet werden und so an den realen Problemen und Bedürfnissen der Menschen ansetzen. Dezentrale Entscheidungsbefugnisse, die die Betroffenen zu (selbstbestimmenden) AkteurInnen machen, können einer komplexen Gesellschaft und ökologischen Notwendigkeiten gerecht werden. Oder wie der Dichter Erich Mühsam schon sagte: „Wirklichkeit wächst aus Verwirklichung“.

Uns ist klar, dass wir mit unseren kleinen Projektchen voll mit utopistischen Spinnern nicht die Avengers oder so sind, die mal eben so den Planeten retten. Natürlich haben unsere Ansätze auch Schwächen, ganz abgesehen von ihrer Begrenztheit. Aber der springende Punkt ist doch, dass die meisten tiefen Umwälzungen irgendwann einmal ganz klein angefangen haben und von vielen Mitmenschen bestenfalls belächelt wurden. Denn was wäre z.B. die parlamentarische Demokratie ohne konspirative Humanistenzirkel von vor 200 Jahren mit ihren praktischen Kleinstexperimenten?

Konkrete Beispiele

Auch Hier und Heute gibt es solche praktischen Experimente, wie zum Beispiel die Freie Arbeiter*innen Union (FAU) als anarcho-syndikalistische Basisgewerkschaft oder, als umweltspezifisches Projekt, die Besetzung des Dannenröder Waldes.

Seit rund einem Jahr besetzen rund 100 Aktivist*innen diesen uralten Mischwald in Hessen, um gegen dessen Zerstörung durch einen Autobahnbau zu protestieren. Sie organisieren sich in insgesamt sechs Dörfern aus selbstgebauten Baumhäusern und erproben dort ihren Entwurf einer hierarchiefreien Gesallschaft. Hierbei geht es natürlich, abgesehen von gelebter Utopie, um eine radikale Widerstandskultur gegen den Bau eines durch und durch zerstörerischen Betondenkmals einer Gesellschaft, die ihre SUVs als wichtiger erachtet, als die Natur von der sie abhängt. Dies ist eine direkte Aktion gegen den Bau von noch mehr Schwachsinn, in einer Welt in der Wahlen, Demonstrationen, Petitionen, Klagen und Appelle an politische Entscheidungsträger*innen so bedeutungslos erscheinen, wie ein Furz im Wind. Dieses wunderbare Projekt steht jedoch kurz vor der Räumung. Am 01.10. beginnt die Rodungssaison, bis dahin sollen die Besetzer*innen verschwunden sein. Deshalb rufen wir euch auch dazu auf, Unterstützung zu leisten, fahrt hin, bringt den Leuten im Danni Nahrung, Verpflegung, Kraft und Solidarität. Und achtet darauf, dass dabei Mund und Nase bedeckt bleiben.

Auch die anarchistische Waldbesetzung des Hambacher Forst hat eine enorme mediale und soziopolitische Reichweite in die Öffentlichkeit und kann Hier und Heute ein Beispiel für den Versuch eines hierarchiefreieren und selbstbestimmteren Zusammenlebens zu geben.

Ende Gelände

Doch warum finden wir Ende Gelände gut und gehn da hin?

Ende Gelände ist eine Graswurzelbewegung und gelebter Widerstand von Unten. Die Organisation erfolgt in kleinen Gruppen von Menschen, die gemeinsam in die Aktion gehen und aufeinander Acht geben. Diese Bezugsgruppen ermöglichen, dass die Menschen in Ihnen selbst festlegen können, wie sie Entscheidungen treffen und wie Aufgaben verteilt werden. Auch können dadurch die Anliegen der Beteiligten besser in die Aktion einbezogen werden.

Unser Ziel ist es als Teil von Ende Gelände mit Hilfe von zivilem Ungehorsam zerstörerische Grenzen bewusst zu überschreiten und diese damit ein für alle mal zu verschieben. Damit meinen wir, dass ziviler Ungehorsam wie ein Brennglas wirken kann und einen Diskurs über Klimagerechtigkeit und allgemein eine gerechtere Welt befeuern kann. Unschlüssige, zerstörerische Praktiken geraten in den Fokus der Aufmerksamkeit, was längst überfällig ist. Damit können wir ein Zeichen setzen, dass wir uns nicht länger damit abfinden dass solche klimaschädlichen Verfahren weiterhin Praxis bleiben. Denn auch wenn Scheiße legal ist, bleibt es immernoch Scheiße. Oder war es nicht auch mal legal Frauen* das Autofahren und die Berufsausübung zu verwehren und Homosexualität zu kriminalisieren? Wir müssen kritisch reflektieren, was in dieser Gesellschaft als legal gilt und einschreiten wenn wir zu dem Schluss kommen, dass das Unsinn ist!

Schluss

Wir sehen also, dass es möglich ist alternative Lebensweisen und Organisationsstrukturen zu erproben und realisieren, die weitaus umfassender sind als alle Bambuszahnbürsten dieser Welt. Ja, dass wir das sogar müssen, wenn wir wollen sich hier grundlegend was ändert, oder wie Bookchin sagte: „Wenn wir nicht das Unmögliche zuwege bringen wird das Undenkbare eintreten“.

Alle Wurzeln der ökologischen Krise liegen in unserem absurden Wirtschafts- und Politiksystem. Die Art und Weise wie wir Menschen mit Natur und Umwelt umgehen, unser Leben auf Ausbeutung aufbauen, ist nur die Konsequenz aus dieser Absurdität. Genau deshalb verstehen wir uns nicht etwa als „auch ökologisch“, sondern als „notwendigerweise ökologisch“.

Unser Weg kann nur an den Wurzeln ansetzen.

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