Unser Redebeitrag beim 1.Mai 2018
Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag bei der revolutionären 1.Mai-Demonstration 2018 in Stuttgart:
Im letzten Jahr haben wir uns vor allem damit befasst solidarische Perspektiven in unserem Alltag zu entwickeln – bewusst auch abseits von Szenestrukturen. Im Zusammenspiel mit Menschen und Initiativen außerhalb der linksradikalen Bewegung, konnten wir mehrere Projekte etablieren: Projekte wie eine Solidarische Landwirtschaft für Ludwigsburg, wie Umsonstflohmärkte oder Umsonstküchen. All diese Projekte für sich genommen sind reformistisch. Sie alle tragen jedoch anarchistische Ideen in sich. Sie alle machen die Erfahrung von Solidarität unmittelbar spürbar und die Erfahrung kollektiver Organisierung der Alltagsbedürfnisse – gerade für Menschen außerhalb der linksradikalen Bewegung.
Um unserem Ziel einer befreiten Gesellschaft näher zu kommen, brauchen wir diese Räume des solidarischen Ausprobierens. Aber auch Räume des Kampfes um konkrete Verbesserungen für unser Leben. Wie lassen sich Menschen am wirksamsten von der Notwendigkeit der befreiten Gesellschaft überzeugen? Indem sie schon heute konkrete Verbesserungen in ihrem Alltag durch gemeinsame anarchistische Praxis erleben können. Indem sie schon heute erleben, dass sie durch gemeinsame Kämpfe kleine Erfolge erreichen können. Indem gelebte und gespürte Solidarität mehr Sicherheit und Kraft gibt als die reaktionären Forderungen nach Ausgrenzung.
Mit diesem Gedanken im Kopf wollen wir an die Ursprünge des 1.Mai anknüpfen: Damals kämpften die Arbeiter*innen für das große Ziel: Die Überwindung des Kapitalismus. Und sie kämpften als kleinen Schritt dahin für den 8-Stunden-Tag. Auch wir treten ein für eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit. Als einen konkreten Schritt in Richtung befreiter Gesellschaft: Für den 4-Stunden-Tag – bei vollem Lohnausgleich und vollständiger Personalaufstockung! Zahlen muss das Kapital!
Denn der 4-Stunden-Tag ist nicht nur notwendig für ein besseres Leben, sondern auch möglich: Er ist notwendig, weil weniger Lohnarbeit die Lebensqualität aller Menschen spürbar steigert. Er wirkt Leistungsdruck und Ausgrenzung entgegen; Neue Räume eröffnen sich: Mehr Zeit für sich und die Mitmenschen; eine gerechtere Aufteilung der reproduktiven Tätigkeiten wie Haushalt, Erziehung und Pflege; und mehr Zeit für die kollektive Selbstverwaltung unserer Bedürfnisse, für das kollektive Erproben von Organisierung, Bildung und Mitbestimmung. Und der 4-Stunden-Tag ist möglich, weil dank des technischen Fortschritts immer weniger Menschen benötigt werden um die erforderlichen Bedarfsgüter für alle zu produzieren.
Um die soziale Revolution zu verwirklichen, müssen wir zwei Fallstricke vermeiden: Erstens bei Reformen stehen zu bleiben, sich mit kleinen Verbesserungen innerhalb des Kapitalismus zu begnügen. Das wäre lediglich Reformismus und führt am Ende zu einer Stärkung des Kapitalismus. Der zweite Fallstrick besteht darin, sich nur noch auf die große Aufgabe “Revolution” zu beziehen und dabei konkrete Verbesserungen im Alltag als sinnlos zu betrachten. Diese “reine Lehre” des “Alles oder nichts” bringt uns der Revolution keinen Schritt näher heran. Indem wir die kleinen Reformen mit dem großen Ziel der Überwindung des Kapitalismus zusammen bringen und im Alltag verbreiten, können wir schon heute unsere Ideen im kleinen zusammen mit vielen anderen Menschen umsetzen; wir können die Menschen von einem Leben in Selbstverwaltung und Solidarität nach dem Kapitalismus anstecken; wir können von- und miteinander lernen, Vertrauen aufbauen; und wir können gemeinsam Kräfte sammeln um in sozialen Kämpfen schrittweise den Herrschenden immer mehr abzutrotzen auf dem Weg zur sozialen Revolution und dem Aufbau einer egalitären, klassenlosen Gesellschaft. Denn dies ist und bleibt unser Ziel: Die Verwirklichung einer anarchistische Welt.
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