Aktion gegen Lohnarbeit und die Traurigkeit des kapitalistischen Alltags
Am 13. September haben wir das erste Mal unsere Aktion gegen Lohnarbeit im Dortmunder Hauptbahnhof und am Nordausgang des Hauptbahnhofs durchgeführt. Ab circa 6.00 Uhr morgens trafen wir uns im Bahnhof und bauten unseren Stand auf. Wir verteilten vegane Mettbrötchen und Kaffee an die Horden von (wie jeden morgen) nicht so glücklich wirkenden Menschen, welche zur Arbeit hasten, dazu reichten wir circa 600 Stück von unseren “Guten Morgen” Flyern. Ein großes gelbes Transparent fragte die vorbei Eilenden “Warum bist du zufrieden mit deinem Job?”. Zu Beginn der Aktion kam recht schnell die Bahn Security zu uns und klärte erst mal sehr entspannt ab, was wir denn da so machen. Als wir ihnen mitteilten, dass unsere Aktion bewusst nicht angemeldet ist, schlugen sie uns vor, uns stattdessen direkt vorm Bahnhof am Nordausgang zu positionieren. In diesem Fall ließen wir uns darauf ein, weil wir von der Qualität unseres Standorts keinen Unterschied sahen. Das erwies sich im Nachhinein auch als richtige Einschätzung. Am Nordausgang konnten wir viele Menschen erreichen, welche oft etwas weniger gehetzt waren und auch Zeit für ein Gespräch mitbrachten, was im Bahnhof so eher weniger der Fall war. Mit circa 4 Stunden ungestörter und unangemeldeter Aktion sind wir mehr als zufrieden. Die gesamte Aktion war ein riesiger Erfolg, unser Konzept ist voll aufgegangen. Wir wollten auf einer niedrigschwelligen Ebene alle Menschen erreichen, die von Lohnarbeit direkt oder indirekt betroffen sind (also fast alle Menschen). Außerdem war es uns wichtig, dass mensch unsere Aktion auf den ersten Blick nicht einer bestimmten Gruppe zuordnen kann, so dass erst einmal eine neutrale Betrachtung unserer Inhalte und Aktion zustande kommen kann. So konnten wir interessante Gespräche führen und unsere Inhalte transportieren. Unser Anliegen war vor allem auch, den Lohnabhängigen einfach etwas Gutes zu tun: Ein netter Start in den Tag mit gratis Kaffee und Brötchen.
Wir sind überwältigt von der Masse an Feedback, welches im ersten Moment bis auf die üblichen Vorbeiziehenden durchweg positiv war. Klar hat sich dann im zweiten Satz der eine oder andere eher national gesinnte deutsche Mensch enttarnt, der versuchte seine Lebenssituation auf “die Ausländer” zu schieben. Was aber besonders erfreulich war: aus beinahe allen sozialen und beruflichen Hintergründen haben wir Zuspruch für die Aktion bekommen, von der leicht rebellischen Arbeitsvermittlerin aus dem Jobcenter, zu dem Bauarbeiter von der Baustelle nebenan, zu dem zufällig vorbei laufenden Genossen, bis hin zu zwei Polizist*innen, welche (obwohl deutlich war, dass wir Anarchist*innen sind) die Aktion positiv bemerkten, ohne auch nur eine Frage darüber zu verlieren, ob wir für das, was wir hier gerade tun, eine Genehmigung haben.
Für uns hat diese Aktion deutlich gemacht, dass alle Lohnabhängigen in bestimmten Bereichen der Lohnarbeits-Realität Erfahrungen teilen und auch ein Problembewusstsein dafür aufweisen. Natürlich ist uns das nicht neu – aber es ist schon etwas Besonderes, das so klar von der Straße zu hören. Es ist einfach bewegend, wenn sich die Krankenpflegekraft, welche sich seit Jahrzehnten kaputt schuftet, unseren Text durchliest und danach sagt, dass es genau das sei, was sie umtreibt, genau das sei, was sie berührt.
Klar ist zwar auch, dass wir oft keine Antwort wussten, wenn wir gefragt wurden, was unsere konkrete Alternative sei. Gewerkschaftliche Organisierung und Kollektivbetriebe sind nun mal aus verschiedensten Gründen für viele Menschen nicht so naheliegende Lösungsansätze, wenn es darum geht, die dringendsten Alltagsprobleme zu bewältigen. Es gibt nun mal oft keine einfachen Antworten und zwischen schnell einen Kaffee holen und dann zur Bahn hasten ist es schwer unsere Alternativen rüber zu bringen. Wichtig ist aber, dass wir als Anarchist*innen wahrnehmbar sind, dass wir draußen sind auf der Straße. Dass wir einen kleinen tropfen Farbe in den grauen Morgen einiger Menschen träufeln konnten. Auf dass noch viel viel mehr Menschen mit Anarchismus nicht mehr Chaos und Bomben werfen verstehen, sondern das Anarchismus etwas Positives, Erfahrbares ist. Sei es nur durch die Erfahrung, das erste Mal veganes Mett gegessen zu haben oder eben dass wir keine Monster, sondern die netten hilfsbereiten Menschen aus der Nachbarschaft sind.
Raus aus dem Szenetrott – es geht voran!