8. März: Auf zum Frauen*knast in Chemnitz!
Was machen wir so am diesjährigen Feministischen Kampftag?
Wir gehen zum Chemnitzer Frauen*knast, zusammen mit Genoss_innen der Gefangenen-Gewerkschaft GG/BO -Soligruppe Jena. In eben diesem Chemnitzer Gefängnis hat sich vor kurzem eine Sektion der GG/BO gegründet, was wir sehr begrüßen. Die gefangenen Mitglieder der Sektion sind Mitorganisator_innen der Demo. Wir demonstrieren gemeinsam für den gesetzlichen Mindestlohn für die Inhaftierten, volle Einbeziehung in die Sozialversicherungen und komplette Gewerkschaftsfreiheit auch hinter Gittern.
Wir als Dresdner FAU fügen hinzu: Das ist wohl das Mindeste. Darüber hinaus gehören langfristig Knäste überwunden, die durch gewaltsames Wegsperren von Menschen und deren krasse ökonomische Ausbeutung vor allem dazu dienen, die bestehende Gesellschaftsform zu befestigen. (‚Warum der Knast scheiße ist‚)
Es ist an uns, Alternativen zum herrschenden Knastsystem (z.B. Ansätze, gemeinschaftlich verantwortlich mit Gewalt umzugehen) zu diskutieren und zu erproben. Solange aber Menschen in Knäste gesteckt werden, müssen wenigstens grundlegende Rechte eingeklagt werden.
Warum diese Demo am Feministischen Kampftag? Weil der 8. März nicht nur dazu da ist, sich über Gleichstellungserfolge zu freuen oder Frauenquoten in Aufsichtsräten zu fordern. Weil die Situationen der Gefangenen auf verschiedene Weisen mit patriarchaler Gewalt zusammenhängen (siehe Aufruf). Weil Blumen schön sind, aber eben nicht reichen. Weil die Gefangenen vermutlich nicht mal die kriegen. Weil der 8.März ein feministischer Kampftag ist, an dem es um alle geht.
Wir kämpfen für ein Ende der Gewalt gegen Frauen* und Queers – egal auf welcher Seite der Gitterstäbe. Bis diese Gitterstäbe endlich überwunden sind.
https://cistemfailure.bandcamp.com/track/tear-apart-the-walls
Schließt euch gern an. Zur gemeinsamen Anreise gibt es einen Zugtreffpunkt:
13:30 Hauptbahnhof, Eingang Wiener Platz/Nordseite (zum Gruppentickets kaufen, also seid bitte pünktlich)
Ans Herz legen möchten wir euch weiterhin den Aufruf zum Internationalen Frauen*Streik.
Bis im deutschsprachigen Bereich eine kritische Masse für so etwas zustande kommt, müssen wir uns noch ordentlich ranhalten mit der feministisch-gewerkschaftlich Organisierung. Die Demo in Chemnitz ist auch als Beitrag dazu zu verstehen.
Wenn ihr nicht kommen könnt, aber den Inhaftierten oder den Demoteilnehmer_innen was sagen wollt, können wir gern Grußworte übermitteln.
Hier folgt nun der Aufruf aus Jena/Chemnitz – sehr lesenswert!
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Solidarität mit den inhaftierten Frauen* und Gewerkschafterinnen!
Frauen*kampftags-Demo der Gefangenengewerkschaft zum Frauen*knast von Chemnitz
Am achten März, dem „Internationalen Frauentag“ wird alljährlich dazu aufgerufen, Frauen Blumen zu schenken. An unsere inhaftierten Kolleginnen und Genossinnen denkt dabei keiner. Wir wollen aber auch gar nicht, dass man ihnen Blumen schenkt, sondern wir wollen den gesetzlichen Mindestlohn für die Inhaftierten, volle Einbeziehung in die Sozialversicherungen und komplette Gewerkschaftsfreiheit auch hinter Gittern sowie ein Ende der Gewalt gegen Frauen*!
Diese Anliegen werden wir am Frauenkampftag in Chemnitz auf die Straße tragen. Wir werden vom Hauptbahnhof zur JVA Chemnitz ziehen und damit unsere Solidarität mit der frischgegründeten GG/BO-Sektion in der Frauen*haftanstalt zum Ausdruck bringen.
Gewerkschaftlicher Kampf hinter Gittern
Seit Mai 2014 organisieren sich Gefangene in der Gefangenengewerkschaft. Was in der JVA Tegel versuchsweise begann, weitete sich schnell in Haftanstalten in der ganzen Republik und wenig später auch in Österreich aus. Die Mehrheit der Mitglieder sind Männer. Das liegt unter anderem daran, dass der Großteil der Inhaftierten männlich ist. Doch schon im Juli 2015 gründete sich in der Frauenhaftanstalt Willich II die erste GG/BO Sektion in einem Frauenknast und nun ist Chemnitz dazugekommen.
Die heutige JVA für Frauen Chemnitz wurde 1969 in Plattenbauweise am Stadtrand von Chemnitz errichtet. Als 2001 der DDR-Frauenknast Stollberg geschlossen wurde, wurden die Frauen in die JVA Chemnitz verlegt. Heute werden über 250 Frauen aus Thüringen und Sachsen hier festgehalten. Davon entfallen 14 Haftplätze auf den Jugendarrest und 5 auf die Mutter-Kind-Station. Bis zum Alter von drei können inhaftierte Frauen ihre Kinder mit in die JVA nehmen. In der Regel gibt es auf der Mutter-Kind-Stationen zu wenig Plätze, um den Bedarf zu decken. Die Arbeitssituation der weiblichen Inhaftierten unterscheidet sich nur unwesentlich von der ihrer männlichen Kollegen. Wie in allen JVAs werden auch die Frauen in Chemnitz unter einem Zwangsarbeitsregime zu Löhnen von ca. 1 bis 2 Euro die Stunde ohne Sozialversicherungszahlungen in anstaltseigenen und externen Unternehmerbetrieben ausgebeutet.
Eine Kollegin von drinnen schreibt dazu: „Ne Menge Baustellen gibt’s natürlich immer noch. Was mir persönlich ein Dorn im Auge ist, sind natürlich die Personalprobleme und der damit verbundene Einschluss, dann die Bestrafungsaktionen bei Nichtarbeit. Hab selbst gerade Fasching [Streß] wegen Betriebswechsel. Es gibt aber auch Mädels, denen geht’s noch nicht gut. Die werdeneinfach ner Arbeit zugewiesen und wenn se nicht gehen, gibt’s kein Taschengeld, Einschluss usw.“ In vielen Betrieben ist die Arbeitsbelastung so hoch, dass die Gesundheit der Frauen erheblich darunter leidet: „Die Arbeitsbedingungen sind halt echt krass, weil sie IMMER NOCH der Norm der Männer, die seit 2008 nicht mehr da sind, angepasst sind. Hab das damals in dem Betrieb, wo es echt keine leichte Arbeit ist, schon etwas drosseln können, aber ist immer noch ne heftige Anforderung. Ich hatte 7 Sehnenscheidenentzündungen + Bandscheibenvorfall dadurch. Da weißte, was geht. Komplettierung ist auch heftiger Zeitstress. War da bis vor 2 Wochen: ganzen Tag stehen und ja keine Sekunde nachhängen. Hab och gewechselt deshalb.“
Stoppen wir die Gewalt gegen Frauen*!
Gerade die inhaftierten Frauen in Chemnitz und anderswo haben schlimme Gewalterfahrungen gemacht. Eine Kollegin von drinnen schrieb zu unserer „Schnapsidee“, in Chemnitz eine Demo zu machen: „Finde deine „Schnapsidee“ gar nicht so schnapsig. Im Gegenteil, war regelrecht baff über so ne Idee. Gerade an einem Ort wie hier, wo viele Frauen aufeinandertreffen und sich viel erzählen, weil sie zum ersten Mal ohne Angst reden können, merkt man eigentlich, wie allgegenwärtig diese Themen wie häusliche Gewalt, Verstümmelungen, Vergewaltigungen, alleinige Kindererziehung usw. sind. Ich denke aber auch, dass es ein sehr schwieriges Thema ist. Weißte, ich hab auch schon so oft bis zur Notaufnahme in die Fresse bekommen und erst im Knast mitbekommen, wie Vielen es eigentlich genauso geht, aber dagegen vorgegangen bin ich nie! Ich denke, dass – egal in welchen Fällen – die Angst da überwiegt. Hab mich heute lange aufm Hof mit einer unterhalten. Sie findet so eine Idee auch echt ne mega gute Sache. Sich hier drin zusammenzuschließen ist aber eine Sache. Was ist aber draußen? Viele müssen zu ihren Typen zurück und haben von niemandem Rückhalt und haben halt Angst, dass, wenn sie rauskommen und so’n Typ erfährt, dass sie in Haft den Mund aufgemacht haben, sie dann gleich wieder alles ausbaden müssen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Frauenhäuser, Polizei, die auch nur ein Annäherungsverbot aussprechen, oder andere Einrichtungen keine wirkliche Lösung sind und man alles andere als sicher ist, wenn man überhaupt bis dahin kommt. Du siehst, es ist ein schwieriges Thema. Wenn wir uns hier zusammentun zwecks Arbeitsbedigungen und allgemeine Haftverbesserung sind da echt viele dabei, aber ich denke, das sind zwei ganz gravierende Baustellen. Persönlich sehe ich deine Idee positiv, weil man ja gerade, wenn man sieht „hey, da gehen welche extra auf die Straße, die sich für solche Dinge stark machen“ man vielleicht auch Mut schöpft und sagt „Ich will das nicht nochmal!““
Bei den Frauen* in der JVA Chemnitz verschränken sich die ökonomische Ausbeutung von und männliche Gewalt gegen Frauen*. Auch bei uns in der BRD werden vor allem Menschen aus der Unterschicht und den ärmsten Teilen der Arbeiter_innenklasse im gefängnis-industriellen Komplex festgehalten und ausgebeutet. Das trifft auch auf die Frauen* in der JVA Chemnitz zu. Aufgrund dieser Klassenlage sind sie ökonomisch oft in besonders hohem Maße von ihren Partnern abhängig und damit der männlichen Gewalt ausgeliefert. Viele Frauen müssen nach dem Knastaufenthalt zu denselben Männern zurück, die sie schlagen, misshandeln und erniedrigen. Wie die Kollegin schreibt, ist der Staat nicht in der Lage, den betroffenen Frauen wirklich zu helfen. Deswegen ist es wichtig, selbstorganisierte und autonome Strukturen und Netzwerke aufzubauen, in denen Betroffene Unterstützung finden und gemeinsam für die Verbesserung ihrer Lage kämpfen können. Die Gefangenengewerkschaft ist eine solche Organisation, vor allem in Bezug auf die Arbeits- und Haftbedingungen. Darüber hinaus freuen wir uns über Zusammenarbeit mit und Unterstützung von feministischen Gruppen und können zwischen ihnen und drinnen vermitteln.
Unterstützen wir queere Menschen im Widerstand gegen den Knast
Das Gefängnis ist ein Ort strengster Geschlechtertrennung. Menschen, die nicht in die starre Geschlechterordnung von Mann und Frau passen, z.B. queere¹,Trans-² und Interpersonen³, haben keine Wahl, in welchen Knast sie gesteckt werden, sondern werden je nach dem Geschlecht im Personalausweis zugeteilt. Dort werden sie oft diskriminiert und sind nicht selten besonderer Gewalt ausgesetzt. So werden beispielsweise Trans-Frauen in den Männerknast gesteckt und müssen dort gegen die Trans-Feindschaft und Übergriffe der Wärter und Mithäftlinge ankämpfen. Das betrifft z.B. die Gefangenen Kara Wild in Frankreich, Tolga Erkuşan, Mahmut Yavuz und Esra Arıkan in der Türkei, Marius Mason, Niara, Chelsea Manning und Ky Peterson in den USA.
Kommt Alle am 8. März nach Chemnitz!
Beginn der Kundgebung am 8. März 2017 um 15:00 Uhr am Hauptbahnhof Chemnitz!
In Solidarität!
Nancy Rheinländer, GG/BO-Sprecherin der JVA Chemnitz
GG/BO-Soligruppe Jena
* mit dem Sternchen soll sowohl darauf hingewiesen werden, dass Frauen nicht als Frauen geboren, sondern dazu gemacht werden als auch dass sich verschiedenste Menschen als Frau begreifen und/oder als solche behandelt werden, z.B. Trans-Frauen, Inter-Personen und andere.
¹ queer ist eine Sammelbezeichnung für alle Menschen, die nicht in das klassische Mann-Frau-Schema passen, u.a. Schwule, Lesben, Bisexuelle, Trans- und Interpersonen.
² Trans sind Menschen, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, als ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde.
³ Interpersonen sind Menschen, die nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, also z.B. anatomische Merkmale beider anerkannter Geschlechter aufweisen. Sie werden oft noch als Säuglinge zwangsoperiert, um sie klar einem Geschlecht zuordnen zu können, und dabei verstümmelt.