10 Jahre Haft für ein Graffiti – Freiheit für Giyas und Bayram
Ein aserbaidschanisches Gericht verurteilte den Aktivisten Giyas Ibrahimov am 25. Oktober zu 10 Jahren Gefängnis. Bayram und Giyas wird vorgeworfen, eine Statue des Expräsident beschmiert zu haben. Da es dafür maximal ein Jahr Gefängnis gibt, ist es in Aserbaidschan üblich, Oppositionellen und Aktivist*innen Drogen unterzuschieben – um sie zu längeren Haftstrafen verurteilen zu können. So auch im Fall der beiden Genossen. Bei Ihnen wurde eine größere Menge Heroin platziert um sie wegen Drogenhandel verhaften zu können. Der Prozess von Bayram steht noch aus. Aber es ist zu erwarten, dass sein Urteil ähnlich zwischen 8 und 12 Jahren Gefängnis ausfallen wird. Beide Anarchisten leiden unter erheblicher Repression und Folter im Knast.
Wir rufen zu Solidarität mit den beiden Betroffenen auf! Freiheit für für Bayram und Giyas! Freiheit für alle sozialen und politischen Gefangenen!
Zur Situation von Bayram und Qiyas im aserbaidschanischen Knast- und Foltersystem
Übersetzung eines Textes von Mammad Azizov aus der Gai Dào 71
Ich konnte drei Jahre lang nur Bücher lesen und Radio hören. Was hätte ich sonst in einer Zelle von 10 Quadratmetern tun können?! Nach meiner Festnahme dauerte das Gerichtsverfahren Monate – bis zu zwei Jahre. Ein Kräfte zehrendes Verfahren für eine 20-Jahre alte Person…
Ich möchte nicht über die aktuellen Isolationsbedingungen und Folterungen schreiben, jedoch kann ich folgendes mitteilen: Die Kreativität der aserbaidschanischen politischen Macht kennt bei Folterungen keine Grenzen. Im Allgemeinen wurden dort nicht viele politische Gefangene gesehen, die nicht in den Gefängnissen Aserbaidschans gefoltert worden waren. Isolationshaft, Folter – fast jede*r Gefangene auf der ganzen Welt rechnet damit, aber wenn du aus politischen Gründen in Aserbaidschan inhaftiert bist, solltest du es vorhersehen.
Zwang und Folter stellen grundlegendste Methoden zur Aufrechterhaltung des Staates dar. Politische Gefangene in Aserbaidschan wurden zusammen mit anderen Häftlingen festgehalten. Deshalb konnten wir sehen wie unterschiedlich und willkürlich die Behandlung zwischen politischen und anderen Gefangenen ist.
Wenn du aus politischen Gründen inhaftiert bist, fürchten sie sich manchmal vor dir, genauso wie es manchmal Familien und sogar Anwält*innen nicht erlaubt ist dich zu sehen. Ich erfuhr dies am eigenen Leib. Aktuell machen dies die inhaftierten Gefährt*innen, die anarchistischen Aktivist*innen Bayram Mammadov und Qiyas Ibrahimov durch. Es dauerte vier Monate bis es Bayram Mammadov erlaubt wurde seine Eltern zum ersten Mal nach der Verhaftung zu sehen.
Was Bayram und Qiyas taten stellte die meistumjubelte Aktion der letzten Jahre in Aserbaidschan dar. Beide wurden von den aserbaidschanischen Behörden wegen eines gesprühten Graffitis mit dem Text “Fuck the system” und “Fröhlicher Sklaventag”, sowie einem Anarchie-Symbol auf dem Denkmal des verstorbenen ehemaligen Präsidenten Heydar Aliyev, inhaftiert. Dies stellte eine Protesthandlung gegen die fortlaufenden Ungerechtigkeiten dar, die von den herrschenden Eliten aufrechterhalten wurden. Niemand konnte glauben, dass jemand das tun würde. Fast alle dachten, dass es ein Auftrag des Staates und eine Provokation sei.
Dies könnte in verschiedenen Ländern als ein gewöhnliches Ereignis gesehen werden. Aber es ist so ungewöhnlich, wie das Vorhandensein des Denkmals, welches von Polizei und Kameras von allen Seiten geschützt wird. Niemand dachte auch nur daran, was Bayram und Qiyas taten. Wenn du unter den Skulpturverehrer*innen lebst, erfordert es ernsthaften Mut sich nicht zu fügen. Bayram und Qiyas wurden aktiv um die Symbole der Macht zu beleidigen.
Lass mich jetzt kurz die Geschichte für diejenigen erzählen, welche sie nicht wissen.
Die Aktion wurde am Vorabend von Heydar Aliyevs Geburtstag durchgeführt – am 10. Mai 2016, der jährlich von der Regierung auf verschwenderische Weise gefeiert wird. Angesichts eines unumschränkten Personenkults um Aliyev wurde solch eine Tat auf schwerste Weise von der Regierung (unter der Führung dessen Sohnes Ilham Aliyev) verurteilt und die Aktivist*innen wurden am 10. Mai 2016 verhaftet. Die Polizei deponierte Drogen bei ihnen um zu vermeiden, dass sie auf Grundlage von Hooliganismus angeklagt werden.
Das letztere wird mit einer Haftstrafe von lediglich bis zu einem Jahr verfolgt (was für das Aliyev-Regime als Bestrafung “zu milde” ist), während die Anklage auf illegalen Besitz von Heroin mit bis zu zwölf Jahren Haftstrafe lautet. Die Tatsache, dass die Polizei fast drei Kilogramm Heroin bei jedem der Häftlinge zum Zeitpunkt der Verhaftung entdeckt hat, beweist die Tatsache, dass die Angelegenheit erfunden ist. Wie auch immer – falls sie verurteilt werden, droht ihnen eine Haftstrafe bis zu zwölf Jahren. Bayram und Qiyas wurden beide schwer gefoltert, vor und nach der richterlichen Anhörung. Ihr anwaltlicher Beistand Elchin Sadigov teilte mittels Facebook Bayrams ausführliche Stellungnahme über andauernde Folterungen an ihm im zwölften Polizeirevier in Baku und städtischen Polizeirevier. Ich werde einige Stellen aus seinem Brief zitieren:
“… dann brachten sie mich zum Hauptbüro und sagten mir, dass “wenn du Blumen vor die Statue legst und zu AzTV (dem Staatsfernsehsender) sprichst, dich bei der Statue entschuldigst, wirst du freigelassen”… Ich verweigerte dies, dann schlugen sie wieder auf mich ein”.
“… Nach der richterlichen Anhörung am 12. Mai brachten sie mich zum TDC Hauptrevier. Dort waren zwei Leute in Zivilkleidung. Sie befahlen mir, ich solle ein paar Namen nennen und sie beschuldigen mit mir zusammenzuarbeiten. Sie befahlen mir, dass ich Blumen vor die Statue legen soll, zu AzTV sprechen soll und sie würden mich freilassen bis es nicht zu spät sei. Ich verweigerte dies und sie riefen jemanden an und sagten der Person “pass eine Weile auf ihn auf”. Sie brachten mich in weiter unten gelegene Stockwerke. Ich war in Handschellen und sie schlugen mich mit Fäusten, Tritten und Gummiknüppeln. Sie fesselten sogar meine Beine, sie knebelten mich, so dass niemand mich hören konnte während sie mich schlugen…”
“… Sie legten mich auf den Fußboden, eine*r von ihnen hielt meinen Fuß während die andere Person mit dem Schlagstock auf meine Fußsohle schlug. Danach hoben sie mich in die Höhe und ließen mich plötzlich fallen. Sie ließen mich mehrere Male fallen. Nach dem 4.oder 5. Mal wurde das Klebeband weggerissen und dieses Mal begannen sie meine Hände mit ihren Beinen zu zerquetschen…”
Es war offensichtlich, dass die Gefährt*innen Bayram und Qiyas einen hohen Preis für die Übergabe von “Geburtstagsgeschenken” für Heydar Aliyevs Statue bezahlen werden.
Wir erleben die wachsende Anzahl von Leuten, die sich für Anarchismus in Aserbaidschan auf eine wohlwollende Weise interessieren nachdem Bayram und Qiyas verhaftet worden sind. Tatsächlich ist Anarchismus für Baku historisch gesehen nicht unbekannt. Vor der Sowjetunion war Baku eine der meistaktiven Städte in Bezug auf die anarchistische Bewegungen. Es gab “Anarchie”, “Borba” (Das Gefecht), “Bunt” (Die Auflehnung), “Die Schwarze Krähe”, “Der Aufstand”, “Land und Freiheit”, “Azad” (Frei) und viele andere anarchistischen Gewerkschaften in Baku während der Zeitspanne von 1904-1910. Nach 1910 gibt es über sie keine Informationen. Unter der sowjetischen Herrschaft war Anarchismus Staatsfeind wie andere oppositionelle Ideologien.
Der Aufstand von Kronstadt vom 7. März 1921 verdeutlicht bereits vollständig was Revolution für die Sowjets bedeutet. Wenn wir es deshalb von diesem Gesichtspunkt aus betrachten, stellt Anarchismus eine neue Anschauung für die Gesellschaft Aserbaidschans dar. Seit Beginn der 2000er Jahre erschienen dort zum Anarchismus verwandte Texte und Diskussionen kamen unter der jungen Generation auf.
Es scheint, dass unsere Anzahl sich parallel zu den steigenden Verhaftungszahlen vergrößert.
Kämpft – bis zu unserer Revolution, bis zu unserer Freiheit, bis alle Gefängniszellen zerstört sind!
10 years imprisonment for a graffiti – freedom for Giyas and Bayram
On the 25th of october an Azerbaijanian court sentenced the activist Giyas Ibrahimov to 10 years in prison. Bayram and Giyas are accused to have smeared a statue of the former president. Because the sentence for this is just one year in prison, it is usual in Azerbaijan to plant drugs on opposition members and activists to be able to sentence them stronger. This was the case for the two comrades, too. One kilogram of heroin was planted on them to arrest them for drug traffic. Bayrams trial is still outstanding. But it is to be expected that his sentence will be between eight and twelve years imprisonment. Both anarchists suffer heavy repression and torture in the prison.
We call for solidarity with the both concerned comrades! Freedom for Bayram and Giyas! Freedom for all social and political prisoners!
Azerbaijani leftists call for solidarity with Bayram Mammadov and Qiyas Ibrahimov, anarchist activists that have been detained by the Azerbaijani authorities for painting a graffiti, saying “Fuck the system” and “Happy slaves’ day”, on the monument to the deceased former president Heydar Aliyev in an act of protest against the continued injustices perpetuated by the ruling elites. This was done on the eve of Heydar Aliyev’s birthday on May 10, 2016, which is annually being celebrated by the government in a wasteful manner. Given an absolute personality cult of Aliyev, such an act was severely condemned by the government (under the leadership of his son Ilham Aliyev) and the activists were arrested on May 10, 2016. Police have planted drugs on them to avoid charging them on the grounds of hooliganism.
The latter is punishable by imprisonment only up to a year (which for the Aliyev’s regime is “too mild” of a punishment), while the charges on illegal possession of heroin are punishable by up to twelve years of imprisonment. The fact that the police have “discovered” nearly three kg of heroin in each of the detainee’s possession at the moment of arrest testifies to the fact that the case has been fabricated (a sane person wouldn’t be hanging around the city with that much heroin hidden in pockets, would he?). On May 12, a court ordered their detention for a period of four months. However, if convicted they face up to twelve years of imprisonment. Bayram and Qiyas have been severely tortured both before and after the court hearing. Their lawyer Elchin Sadigov has shared via Facebook Bayram’s detailed statement on tortures continuously faced by him at the 12th Police Department in Baku and the Baku City Police Center. Below is the translation of Bayram’s statement:
“On 10 may 2016, around 14-15:00 3 person with civilian outfits forced me to get on white “Jeep” model car and took me to 12th Police Department. They brought me to chief officer’s office. There were 7-8 officers in civilian outfit. They immediately began to punch, slap and kick me. They were asking me why I took picture of graffity, who is my associate and so on. However, I weren’t able to answer their questions as I lost my consciousness. They brought me to Baku City Police Center by an unknown car. I’ve been beaten again and told to accept the narcotic related charges. I told them that I’ve never seen narcotics in my life and you can’t arrest me for taking a photo, this caused them to beat me harder and demand to accept the charges. They were cursing and insulting me. They took my pants off and threatened me with using baton “immorally” on me, that’s why I had to accept the charges. And I had to “confess” a testament what they wanted.
Then, they brought me to a general’s office and told me that “if you put flowers in front of state and talk to AzTV, apoligize to statue you will be released”.
I refused this, then they beat me again. They brought me to Narimanov TDC (Temporary Detention Center). On 11 May morning, chief officer ordered me to clean the yard, pick up the cigarette butts. I refused and he started to beat me with punching and slapping. I refused again and he ordered his men to pick up a baton and force it into me and then took photo. I had to agree again. They gave me a broom and a dustpan, took my photo. These beatings began to be daily.
After court hearing in 12 May, they took me to TDC chief’s office. There were 2 people in civilian clothes, they told me to spell some names and accuse them to work with me. They told me to put flowers in front of statue, talk to AzTV and they would release me until it’s not too late. I refused this and they phoned someone and told him “take care of him for a while”. They took me to lower floors. I was handcuffed as they were beating me with punches, kicks and batons.
They even shackled my foots, they tamed my mouth so no one would hear me while they beating.
They saw that handcuffes and shackles made a torture sign on me, so they taped my hands and legs to my back. They put me on ground, one of them was holding my foot while the other one was making bastinado. Then they took me higher and releasing me suddenly, causing me to fall several times. After 4 or 5 times, tapes were torn apart and this time they started to rumple on my hands with their legs. Other one was still foot whipping me. Then they punched my chest and knees with back of a baton. I was losing my consciense and they put me down. They were tired too. They put a white paper on me and told me that if they see this one falling they will beat me again. They did so afterwards.
After a while, they demanded from me to clean the toilet. When I refused this, they started to beat me more harder, this time while filming me with a camera.
I lost my consciousness after that, they woke me up by pouring water on me. They took me to my cell while I was barefooted. Right now I have many bruises on my arms, legs and knees because of torture. Open bruises are on my hands and wrist. I still have head trauma. I have open wounds on my legs too. My urine is mostly with blood, my mouth causes me heavy pain while I eat, my chest, ribs, arms, legs… every part of me hurts.”
It is not the first time that the authorities are demanding from the activists in Azerbaijan to apologize for their acts in front of Heydar Aliyev’s monuments and lay flowers to it. As James Scott has mentioned “Remorse, apologies, asking forgiveness, and generally, making symbolic amends are a more vital element in almost any process of domination than punishment itself… What all these actors offer (through the apology) is a SHOW of discursive affirmation from below, which is all the more valuable since it contributes to the impression that the symbolic order is willingly accepted by its least advantaged members.” The Aliyevs have been impoverishing the nation and exploiting the people as well as the country’s resources for their own benefit for more than two decades. Meanwhile they have been intolerant of any political dissent, severely oppressing the dissenters through their massive security apparatus.
We call on our comrades in Europe and elsewhere to stand for solidarity with Bayram and Qiyas and protest against their illegal imprisonment and torture in front of Azerbaijani embassies and consulates in your countries, demanding for their immediate release. Please also disseminate this call among as many people as possible.