Connecting European Struggles

Konferenz in Malmö (Schweden) vom 18. – 20. September 2015

2014 gab es die erste „Connecting European Struggles“-Konferenz im schwedischen Lund. Dort trafen Teilnehmer_innen aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen, um rund um Krisenpolitiken zu diskutieren, sich zu vernetzen und zu mobilisieren. Jetzt rufen wir zur CES 2105 auf, diesmal in Malmö, die – so hoffen wir – auf die vorhergehende aufbauen kann und größer, besser und breiter wird.

Wir haben uns entschieden, das Hauptaugenmerk auf der 2015er-Konferenz auf Genderaspekte und Feminismus in der Krise zu werfen – eine Perspektive, die in vielen radikalen Analysen unserer momentanten Situation und in vielen Sichtweisen auf diese fehlt.

2014 haben wir unsere Aufmerksamkeit zum großen Teil auf die Austeritätspolitik in Griechenland und das Aufkommen faschistischer Bewegungen in ganz Europa gerichtet. Letzterer Punkt wurde dramatisch untermauert durch eine Demonstration, die während unserer Konferenz gegen die “Partei der Schweden”1 in der Umgebung von Lund stattfand. Im Laufe der Demonstration stürmte die Polizei mit Pferden und gepanzerten Wagen auf unsere Genoss_innen ein.

Während der Konferenz kamen mehrere Themen auf, die wir dieses Jahr detaillierter diskutieren möchten. Das beinhaltet das Ausmaß an autoritärer Politik in der „Mitte“ des politischen Spektrums. Griechenland bietet hierbei ein deutliches Beispiel dafür, wie weit Repressionen gegen Menschen vom “Rande der Gesellschaft” gehen: Obdachlose, Migrantisierte, mittellose Frauen. Autoritäre Politik hält dabei nicht nur Demonstrationen in Schach oder unterdrückt soziale Unruhen. Sie dient dem Angriff auf und der Spaltung der Sozialgemeinschaft durch Medienspektakel, Polizeigewalt und staatliche Repression und das insbesondere in den Bereichen von Migration und Sozialer Arbeit.

Ausgangspunkt der CES-Konferenz ist die Austeritätspolitik in Europa, sie ist aber in keinster Weise auf dieses ungefähre geographische Gebiet begrenzt. Für uns ist die Krise in Europa ein gemeinsamer Nenner, der die europäischen Kämpfe grundlegend prägt. Doch die Kontinente übeschreitende Natur der Krisenbewegungen bedeutet auch, dass wir mit New York genauso verknüpft sind wie mit Paris, mit Kairo so stark wie mit London, mit Hongkong ebenso wie mit Helsinki.

Geschlecht und Krise

Die Krise hat bestimmte geschlechterspezifische Auswirkungen, die sich in Europa in Bezug auf ihr Ausmaß und ihre Art und Weise unterscheiden. Die Konferenz 2014 legte ihren lokalen Fokus mit einem Vortrag auf das Gesundheitswesen von Skåne län2. Diese Präsentation machte deutlich, dass es schwedische Austeritätspolitik gibt. Das Krankenhaus verzeichnet in den letzten Jahren über 20 Todesfälle, die in Regierungsberichten eindeutig in Zusammenhang mit einer fehlenden Förderung gebracht wird, die eine angemessene Pflege verunmöglicht. Darüber hinaus berichten Angestelle des Krankenhauses davon, keine Pause zu nehmen, zu Doppelschichten gezwungen zu werden, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes von Patient_in zu Patient_in rennen und täglich weinend zusammenbrechen. Die Angestellten sind größtenteils Frauen* und es besteht eine eindeutige Verbindung zwischen ihrem Geschlecht und diesen Formen massiver Ausbeutung. Wir laden Care-Workers sowie Aktivist_innen aus ganz Europa ein, an der Konferenz teilzunehmen und ihre Erfahrungen und Strategien rund um Sorgearbeit zu präsentieren und zu diskutieren!

Faschistische und konservative Mobilisierungen haben sich in vielen Ländern von ausschließlich ökonomischen Thematiken („Die nehmen uns unsere Jobs weg!“) entfernt und konzentrieren sich nun stattdessen auf Abtreibung, Homo-Ehe und die Verteidung der “heiligen Familie”. Aus unserer Sicht sind diese Entwicklungen kein Zufall, sondern ein natürlicher Teil des Faschismus: Kontrolle über die Körper von Frauen* durch Gesetze, soziale Normen und Zwangsheterosexualität. In Ländern wie Spanien, Griechenland und Polen war diese Entwicklung besonders intensiv, aber sie ist in verschiedenen Formen in ganz Europa präsent. Gewalt in Form von Mord, Misshandlung und Psychoterror gegen Frauen* (und andere, wie zum Beispiel Homosexuelle), die sich diesen Beschränkungen widersetzen, ist Teil dieser politischen Bewegung, deren Symbole Kreuz, Flagge und Familie sind. Antifaschist_innen konzentrierten sich – zumindest in Schweden – größtenteils auf Klassenfragen und antikapitalistischen Analysen, welche natürlich notwendig sind, aber wichtige Bereiche der Natur des Faschismus auslassen. Wir laden deswegen antifaschistische/antirassistische Feminist_innen ein, die sich mit Fragen zu Kämpfen um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, für LGBTQ-Rechte auseinandersetzen und die gegen Konservatismus, Nationalismus und Faschismus arbeiten.

Der schwedische Staat setzt Migrant_innen unter Drogen, bevor er sie in zur Abschiebung in Flugzeuge setzt und schiebt Kinder ab; ein staatliches Programm das zu Frontex gehört koordiniert eine spezielle Polizei-Einsatzgruppe, die dem einfachen Auffinden und Abschieben von Migrant_innen dienen soll. Innerhalb der EU migrierte Rom_nja, deren Lebensgrundlagen durch die Krise in Rumänien zerstört wurden, können bettelnd auf der Straße gefunden werden, wo sie wöchentlich Brandanschläge, Misshandlungen und sogar Mord erfahren.3 Gender-Fragen hängen stark mit Migration zusammen, dies ist ein weiteres Thema das wir beleuchten möchten. Migrant_innen* und LGBTQs befinden sich in spezifischen Situationen, die spezifischer Strategien bedürfen. Wie können wir versuchen, auf transeuropäischer Ebene zu intervenieren? Eine solche Diskussion haben wir auf der letzten CES Konferenz begonnen und wir hoffen, dass feministische migrantische Aktivist_innen dieses Jahr ihre Arbeit vorstellen werden, damit wir der Situation kollektiv begegnen können.

Wir wollen außerdem einen Akzent auf die proaktive Propaganda unserer eigenen Bewegung setzen. Eine verbreitete Form von Agitprop in Schweden sind beispielsweise feministische Comics, die über fanzines, das Internet und in großen Zeitungen verbreitet werden. Dies ist eine Möglichkeit, populäre Medien zu nutzen, um eine größere Menge an Menschen zu erreichen. Es ist uns wichtig, uns intensiv mit den konkreten Möglichkeiten, wie Propaganda verbreitet werden kann, auseinanderzusetzen. Wenn du an ähnlichen Projekten beteiligt bist, würden wir uns über eine Vorstellung deiner Arbeit auf der Konferenz freuen.

All dies ist natürlich nur die Spitze des Eisberges, wenn es um feministische autonome Politik in Europa geht. Wir wollen unsere Konferenz zusammen mit allen Teilnehmer_innen gestalten. Bist du oder ist deine Gruppe an radikalen Projekten beteiligt und willst du bzw. wollt ihr Kontakte knüpfen und diskutieren? Schreibt uns doch eine E-Mail, in der ihr uns erzählt, wer ihr seid und was ihr macht.

Feminismus

Wir verstehen Geschlecht als eine Praxis; als etwas, das täglich praktisch performt wird und das in jeder sozialen Beziehung auftaucht. Geschlecht hängt in komplexer Art und Weise mit Körper und dem Materiellen zusammen und verbindet Sexualität, Arbeit (bezahlt und unbezahlt), Begehren, Macht und Politik. Feminismus ist Emanzipationspolitik, die uns eine neue Art zu Leben verspricht. Feminismus ist keine nebensächliche Sache, keine Luxuspolitik, die nur dann ausgeführt wird, wenn es nichts besseres zu tun gibt. Er ist ein notwendiger Bestandteil jeder revolutionären Politik und revolutionäre Politik ist ein notwendiger Teil des Feminismus.

Einen Fokus auf feministische Themen zu legen, bedeutet, Krisen auf andere Weise zu betrachten; unseren Ansatz subtil zu verändern um neue Perspektiven zu finden. Es ist unmöglich, soziale Beziehungen in ihrer Gesamtheit ohne eine Gender-Analyse zu verstehen, wie sie Körper, Theorien, Bewegungen und Widerstand durchdringen. Krisenpolitik konzentriert sich gewöhnlich auf das, was wir gemeinsam haben: Teil einer Klasse oder einer Bewegung zu sein. Doch wir wissen, dass es noch nie so einfach war. Strukturelle Ungleichheiten weisen Frauen* und Männer* verschiedene Aufgaben zu und geben diesen unterschiedlichen Status. Frauen* sind in höherem Grade im öffentlichten Bereich angestellt, der oft am stärksten von Wirtschaftskrisen getroffen wird; von Frauen* wird sowohl das Leisten von Hausarbeit als auch von stressigen, schlecht bezahlten Jobs erwartet. Sie sind allgemein ärmer und haben weniger Kontrolle über ihre Arbeit als Männer*.

Wir sind froh, betonen zu können, dass es in Schweden eine sehr lebhafte Frauen*bewegung gibt, die in allen Teilen der Gesellschaft aktiv ist und wir nehmen viele positive Entwicklungen wahr, die von ihr ausgehen. Wir hoffen, mit unserer Konferenz auch zur Entwicklung einer radikaleren, autonomen Praxis und Analyse innerhalb dieser Bewegung beitragen zu können. Feminismus beinhaltet eine tiefgreifende Kritik von Repräsentationspolitik, Nationalstaaten und Arbeit – was im staatsfreundlichen Feminismus, den viele schwedische Parteien und manchmal sogar der schwedische Staat selbst propagieren, manchmal vergessen wird.

Praktische Informationen

Die Konferenz findet vom 18. bis 20. September in Malmö, Schweden, statt. Der genaue Ort wird später bekannt gegeben4.

Es wird kostenlose Unterkünfte geben. Wir hoffen, einen Großteil der Fahrtkosten von Referent_innen erstatten zu können.

Die Konferenz wird von der autonomen Gruppe Första Linjen5 organisiert, die es in Malmö und Lund gibt. FL ist zu Fragen in Bezug auf Antirassismus/Antifaschismus, Massenaktionen, Feminismus, Klassenkampf, Arbeitslosigkeit, soziale Betreuung, care work und vielem mehr aktiv.

Kontakt: forstalinjen@espiv.net

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1eine inzwischen aufgelöste Neonazi-Kleinstpartei

2die Provinz Schonen, in welcher die CES 2014 stattfand

3Wir haben an dieser Stelle recht frei übersetzt, um die Reproduktion antiziganistischer Ressentiments zu vermeiden.

4Inzwischen ist klar, dass die CES 2015 im Kulturzentrum „Café Tryckeriet“ stattfindet

5in etwa “Erste Reihe”

* anders als im Original markieren wir die Worte „Frauen“ und „Männer“ mit einem Stern, um darauf hinzuweisen, dass diese Identitätskategorien sozial konstruiert sind und nicht essentialistisch gefasst werden sollten. Gleiches gilt für den Begriff der „Migrant_innen“

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