Beitrag zur Debatte um die sexuellen und sexualisierten Übergriffe in der Silvesternacht

Wie wahrscheinlich schon langläufig bekannt sein sollte, kam es in der Silvesternacht am Kölner Hbf zu einer Vielzahl von sexueller und sexualisierter Gewalttaten, zu anderen Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit von Menschen und Diebstählen. An die 1000, oder mehr, Männer mit angeblich „nordafrikanischem“ und „arabischem“ Hintergrund, die sich in Gruppen zusammen schlossen, bewarfen und beschossen andere anwesende Menschen die den Jahreswechsel feiern wollten mit Feuerwerkskörpern, trennten Frauen von ihrer Familie oder Freund*Innen ab, belästigten sie und nutzten die Pein der Betroffenen um sie zu bestehlen.
Auch wenn diese Darstellung schon einige Ungenauigkeiten aufweist und ein Grund zum genaueren hinschauen sein müsste, scheint sich diese Darstellung in allen Medien zu bestätigen. Was sich nun im Einzelnen abgespielt hat und ob es Fehler beim Polizeieinsatz vor Ort gegeben hat soll im Folgenden weniger eine Rolle spielen. Uns, die Verfasser*Innen dieses Textes, geht es vielmehr um Sexismus, Rassismus und die Diskussionen die die Vorfälle in Köln ausgelöst haben.

Für falsch halten wir die Fokussierung auf die Täter und nicht auf das Erlebte der Betroffenen. Denn so entsteht der Eindruck, dass „nichtdeutsche“ junge Männer das Problem seien. Klar erkennen wir das schreckliche, unvergleichliche Ausmaß der Gewalt, besonders an Frauen in dieser Nacht und unsere Solidarität gilt zu aller erst uneingeschränkt den Betroffenen von Übergriffen. Doch wundern wir uns aus welcher Ecke der politischen Landschaft sich derzeit das Entsetzen mit am lautesten zeigt. Oder sollte uns das wirklich überraschen? Konservative bis offen rechte Kreise, ob Menschen nahe der CSU, CDU oder der Pegida-Bewegung und der AfD, aber auch bekennende Nazis entdecken plötzlich ihr Interesse für Frauen- und Menschenrechte.
Frauenverachtung sei importiert und mit den Werten in Deutschland oder gar Europa unvereinbar. Ähnlich verhält es sich mit anderen, älteren Themen. So gäbe es hier keine Anfeindungen Homosexueller, Juden und Jüdinnen gegenüber. Auch diese Problematiken seien von Muslimen nach Europa eingeführt worden. Betrachten wir aber die Äußerungen, die außerhalb der Debatte um Silvester in Köln und anderen Städten, der genannten Gruppierungen und ihrer Mitglieder getätigt werden, oder beschäftigten uns mit dem Familienbild bzw. den Rollen die Mann und Frau ihrer Meinung nach naturgegeben zu spielen haben, wird schnell klar, dass es hier darum geht das „nichtdeutsche“ sich falsch verhalten haben. Nicht Sexismus und Homophobie, auch nicht Antisemitismus ist für sie das Problem. Sondern wer diese Einstellungen an den Tag legt. Eindeutiger kann Rassismus und Nationalismus nicht sein.

Aber jetzt zum eigentlichen Thema. Sexuelle und sexualisierte Gewalt geht hauptsächlich von Männern aus. Egal ob in Europa, Afrika oder sonst wo. Ist also ein Männerproblem! Diebstahl und Gewalt im Allgemeinen ist hingegen vermehrt in sozial schwächeren Schichten verbreitet.
Weiter lässt sich sagen, dass je konservativer das Frauenbild (stark von der Religiosität einer Gesellschaft, egal ob muslimisch, christlich oder sonst wie, abhängig) in einer Gesellschaft ist, umso verbreiteter ist sexuelle und sexualisierte Gewalt. In vielen Ländern geht es konservativer zu als in Deutschland. So zum Beispiel in vielen arabischen Ländern oder z.B. auch in Indien. Es verwundert also nicht, dass es dort im Durchschnitt häufiger zu Übergriffen kommt.
Das bedeutet aber nicht, dass ein Inder oder ein Muslim nicht weniger sexistisch sein kann als z.B. ein Deutscher. Gerade wenn wir uns die Geschichte des Christentums anschauen sollte allen schnell klar werden, dass es bestimmt nicht die emanzipatorische Religion ist.
Trotzdem scheint neben dem Geschlecht der Täter von Köln auch ihre Herkunft eine Rolle Gespielt zu haben. Was bedeutet das nun für einen Rechtsstaat wie Deutschland? Als aller erstes sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich und wollen wir nicht hinter bürgerliche „Freiheiten“ und „Rechte“ zurückfallen ist es ziemlich egal ob die Tätergruppe nun christlich Deutsch oder muslimisch „Nordafrikanisch“ war. Spielt das Milieu doch eine Rolle, ist es notwendig auf dessen Eigenheiten einzugehen, um die Problematik zu analysieren und bekämpfen zu können.
Da wir das bürgerliche Rechtssystem ohnehin eher für einen Teil des Problems halten, erscheinen uns die Herstellung von sozialer Sicherheit, Aufklärung und Schutz von Betroffenen als die geeigneteren Maßnahmen gegen gesellschaftliche Probleme wie Sexismus.
Auch wenn wir die alte NPD-Parole „Kriminelle Ausländer raus“ heute auch aus der „bürgerlichen Mitte“ hören, ist Abschiebung für Straftaten bis 3 Jahre Haft nicht vorgesehen. Wenn gefordert wird, dass, wer keinen Respekt vor Frauen hat, aus Deutschland ausgewiesen werden sollte, müsste man das auch auf deutsche Täter anwenden.
Zwar sollte für uns jeder Mensch dort leben können wo er oder sie will, doch gilt in Deutschland zumindest: Asyl bekommt wer Verfolgt wird oder vor Kriegen flieht und nicht weil er oder sie ein guter Mensch ist.

Das was auf der Domplatte geschah, hat für uns einen Namen und wir nennen dass was dahinter steckt Sexismus und erkennen im ausüben der sexualisierten Gewalt in Verbindung mit den Diebstählen ein autoritäres Muster. Menschen üben Macht über andere Menschen aus. Sie nutzen ihre privilegierte Stellung, in diesem Fall die des Mannseins aus um andere Menschen, in diesem Falle Frauen, zu erniedrigen. Ähnlich schreckliche Erfahrungen machen Frauen seit Jahren in den Bierzelten des Oktoberfestes oder hinter verschlossenen Türen in ganz Deutschland. Die Tätergruppe eint oftmals eins; es handelt sich um Männer. Die Betroffenengruppe eint ähnliches; sie sind Frauen. In einer Gesellschaft in der durch strukturellen Sexismus und strukturelle Gewalt tagtäglich Menschen erniedrigt werden, etwa durch ungleiche Bezahlung oder biologisch begründete Rollenverteilung, wird die eigentliche Problematik nicht erkannt.  
Nicht die strukturellen Probleme in der deutschen Gesellschaft, aber auch nicht die Übergriffe und die Erniedrigungen der Frauen bilden die Grundlage der Debatte, es ist die Tätergruppe.

Was ist also zu tun? Als erstes sollten Betroffene von sexualisierter und sexueller Gewalt ernst genommen werden. Egal woher die Täter zu kommen scheinen. Es sollte ihnen erst einmal geglaubt werden und ein „Nein“ sollte auch als „Nein“ anerkannt werden. Im deutschen Rechtssystem reicht ein Nein nicht als ausreichendes Zeichen das Frau keinen Sex haben oder in Ruhe gelassen werden will. So zählt es nicht als Vergewaltigung wenn Frau sich nicht körperlich wehrt. Dabei wird nicht bedacht das z.B. Angst vor mehr Gewalt die betroffene Person davon abhalten könnte sich zu wehren.
Zweitens ist es gesamtgesellschaftlich notwendig, durch Bildung, Kultur und soziale Angleichung ein emanzipatorisches Frauenbild zu vermitteln und zu stärken. Das sollte schon in der Kita beginnen. Natürlich muss auf bestimmte Milieus besonders eingegangen werden. Dazu zählen aber nicht nur junge Muslime aus Problemvierteln, sondern auch christliche Vereine, deutsche Stammtische oder die AfD.

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